Durch die Augen eines Kindes:ˋThe Five Devils´ offenbart, worauf es im Leben wirklich ankommt
Es passiert nicht alle Tage, dass man auf einen Film stößt, der viele, sonst für sich allein stehende Genre miteinander vereint – Lea Mysius, die Regisseurin des Films, die ebenfalls gemeinsam mit Paul Guilhaume die Drehbuchautorin ist, hat die Umsetzung dieser herausfordernden Aufgabe auf sich genommen.
Darum geht es
Junge Heranwachsende haben mit einigen Problemen zu kämpfen, zum Beispiel mit Mobbing, Ausgrenzung und Schwierigkeiten innerhalb der Familie. So auch die ca. 11. jährige Vicky, die zu alldem eine besondere Fähigkeit hat: Ihr ausgeprägter Geruchsinn ermöglicht es ihr nicht nur, Personen und Gegenstände aus weiter Entfernung auffindbar zu machen, sondern auch in die Vergangenheit von jemandem zu reisen, indem sie ein Glas mit Gerüchen von Dingen, von denen die gewünschte Person Gebrauch gemacht hat, anfertigt und daran riecht. Dies wendet sie bei Julia, der Schwester ihres Vaters, die die Familie besucht, an und bekommt erschreckende Einblicke, die die Welt, wie sie sie zuvor kannte, gehörig auf den Kopf stellt und sie an ihrem eigenen Platz in dieser zweifeln lässt.
Rezension
Der Geruchsinn ist der Sinn, der am stärksten Erinnerungen hervorruft. Somit ist der Gedanke, aus diesem Wissen heraus eine Story zu schaffen, die sich mit Geschehnissen aus der Vergangenheit beschäftigt, nicht nur ein guter, sondern auch ein sehr erfrischender. Nicht viele Filme konzentrieren sich mit soviel Hingabe und Liebe zum Detail auf einen Sinn anders als das Sehen. Dabei zeigt sich, das dieser Fokus durchaus Potential hat – wann immer Vicky sich in die Wirkung eines Duftes fallen lässt, ihre Augen schließt, und ihre Stimme, wie die eines Orakels oder Schamanens dünner wird, wenn sie den Geruch beschreibt- dann wird dieser Moment zu etwas ätherischem, etwas animalistischem, etwas zeitlosem. Die Aufmerksamkeit richtet sich dann nicht mehr nur auf Vicky, sondern auch den Gegenstand, dessen Duft sie untersucht. Die Umgebung wird zum Hauptprotagonisten.
Das ein Kind gewählt wurde, das mit dieser besonderen, wenn auch isolierenden Gabe die Geheimnisse rund um ihre Familie und ihr Dorf löst, ist nicht ungewöhnlich. Häufig sind es Kinder, die sensitiver auf ihre Außenwelt reagieren als die Erwachsenen und sich tiefgründiger mit ihrer Umwelt beschäftigen. Sie sind Forschet, Entdecker, neu- und wissbegierig. Doch auch sehr unsicher, ängstlich und verletzlich. Je mehr Vicky über den Zusammenhang zwischen sich, Julia, dem Rest ihrer Familie und dem Dorf, wo sie wohnt herausfindet, desto schwerer fällt es ihr, mit diesen Erkenntnissen umzugehen, da sie einiges an Vergebung und Selbstlosigkeit abverlangen und es sich damit um Themen handelt, die nicht immer leicht umzusetzen sind, besonders nicht im Kindesalter, wo man noch unerfahren ist.
Überhaupt enthält der Film die Botschaft, nicht nur aus dem eigenen Egoismus heraus zu handeln sondern das zu tun, was moralisch gesehen das angemessenere ist und jedem eine Stimme zu geben, auch wenn man sie selbst nicht immer hören möchte. Der Einsatz von blauem Licht als Farbgestaltung untermalt die stückweit entblößende, offenbarende Handlung. Es verschönert nicht, sondern hebt vielmehr vor, was tatsächlich da ist. Zudem schafft es eine innere Ruhe, eine gewisse Distanz zum Geschehen und vermittelt einem ein Gefühl von Sicherheit indem es gleichzeitig Werte wie Besonnenheit, Objektivität, Neutralität und Klarheit repräsentiert. Trotz der Tragik, die sich in diesem Film abspielt, unterstützt die Farbe somit den Eindruck, das trotz allem, was geschehen mag, alles wieder gut wird.
Das Thema Ruhe zieht sich durch die gesamte Handlung des Filmes. Selten geben die Charaktere ihren Gedanken, ihren Empfindungen eine Stimme, sodass, wenn es zu heftigen Aussprachen kommt, all das bisher unterdrückte an die Oberfläche gelangt. Die Handlung geht fließend ineinander über, ohne sich zu verlieren. Die Musik ist ebenfalls gut gewählt. Während des Intros erklingt ein mitfühlendes, auf den Titel und die Handlung einstimmender Song “Me and the Devil” von Soap&Skin, ansonsten wird dem Film durch Instrumentalmusik, komponiert von Florencia die Concilio eine schaurige, unheimliche Note geben.
Jede Rolle wird gut ausgefüllt, und jede Rolle hat genug Tiefe, um eine unterschiedliche, eigene Perspektive mit in die Handlung zu bringen, was es spannend macht, die Beziehungsdynamiken zu untersuchen. Schauspielerische Leistungen erbringen dabei vor allem Adèle Exarchopoulos (BLAU IST EINE WARME FARBE), die in diesem Film die Mutter von Vicky verkörpert und Sally Dramé, die mit dem Charakter Vicky ihr Filmdebut hat.
Fazit
Der Film schafft es, den Spannungsbogen bis zum letzten, dramatischen Höhepunkt, und der darauffolgenden Auflösung des Konfliktes, aufrecht zu erhalten. Er klärt nicht alle Handlungsstränge auf, gibt damit aber dem Zuschauer den Raum für Eigeninterpretation. Auch die Einarbeitung bzw. die Kombination von Mystery, Fantasy, Drama, Coming of Age und Romance sorgt für eine wohlgeformte Story, der es an nichts mangelt. Wem dies gefällt, und zudem einen ruhigen, tiefgründigen, wenig actionreichen Handlungsablauf schätzt, dem lege ich diesen Film definitiv nahe.
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Originaltitel | Les Cinq diables |
Kinostart | 31.8.2022 |
Länge: | 95 minuten |
Produktionsland | France |
Genre: | Drama | Fantasy | Liebesfilm |
Regie | Léa Mysius |
Producer | Jean-Louis Livi | Fanny Yvonnet |
Kamera | Paul Guilhaume |
Visual Effects | Clément Germain | Anthony Lyant |
Musik | Florencia Di Concilio |
Cast | Adèle Exarchopoulos, Sally Dramé, Swala Emati, Moustapha Mbengue, Daphné Patakia, Patrick Bouchitey, Hugo Dillon, Antonia Buresi, Noée Abita, Charlotte Bon Bornier, Alain Guillot, Stéphanie Lhorset, Inès Helouin, Merwan Rim, Habib Rharbaoui, Jade Kleine, Julien Reneaut, Clara Borne, Johara Telli, Anaïs Estival |
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