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Review Kurzkritik Fakten + Credits


The Passenger Filmstill

The Passenger ©2022 Pierrot Le Fou

Wenn man an das Horror-Kino denkt, stammen die ersten Filme, die einem in den Sinn kommen, vermutlich aus den USA. Dabei wird häufig vergessen, welche vielfältige Filmwelt sich in Europa gebildet hat. Bereits in den 1920er Jahren wurden in Deutschland Klassiker wie NOSFERATU gedreht. Einer der bekanntesten Vertreter des Spannungskinos, war zudem der Brite Alfred Hitchcock, der zwar in Hollywood gelandet ist, aber in Europa seine Wurzeln hat. Gerade in den letzten Jahren, haben immer mehr europäische Filmemacher ihre Liebe für Genre-Filme gezeigt und großartige Filme geschaffen. So können wir im norwegischen THE INNOCENTS eine Gruppe Kinder dabei begleiten, wie sie übernatürliche Fähigkeiten entdecken und in ICH SEH ICH SEH aus Österreich erkennen zwei Brüder ihre Mutter nicht wieder.

Einer der Filme, die wohl die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, war der spanische Found-Footage-Horrorfilm REC, aus dem Jahr 2007. Gerade das spanische Horror-Kino hat eine lange Tradition. Durch die Zensur zu Zeiten der Franco-Diktatur war es spanischen Regisser*innen nicht möglich frei zu arbeiten. Anstatt politische Filme zu drehen, für die sie bestraft worden wären, wurde das Fantaterror Genre begründet, hier wurden Horrorfilme gedreht, in denen man Kritik am politischen System finden konnte, ohne sich wirklich zu etwas zu äußern. THE PASSENGER von Raúl Cerezo und Fernando Gonzáles Gómez ist eine Hommage an diese frühen spanischen Horrorfilme und bedient sich an Elementen aus eben dieser Zeit.

Darum geht es…

Blasco (Ramiro Blas) hat in seinem Leben schon viel erlebt. Er hat bereits als Torero seinen Lebensunterhalt verdient, hat in jungen Jahren in einer Rockband gespielt, hatte eine Schädlingsbekämpfungsfirma und arbeitet nun als Chauffeur. Statt ein schickes neues Auto zu fahren, setzt er auf die einzige Dame, die ihm sein ganzes Leben lang treu war, der alte muffige Van mit dem Namen Vanny. Bei seiner aktuellen Tour sammelt er zuerst die religiöse Krankenschwester Mariela (Cecilia Suárez) ein und später Lidia (Cristina Alcázar) und ihre Teenager-Tochter Marta (Paula Gallego). Die drei Frauen fühlen sich unwohl durch die chauvinistische Art des Fahrers. Als sie sich gerade in einem Streitgespräch befinden, übersieht Blasco eine Gestalt, die mitten auf der düsteren Straße steht und überfährt diese. Die Frauen entscheiden, dass sie die überfahrene Frau mitnehmen sollten, ahnen dabei aber nicht, wen oder was sie sich an Bord geholt haben.

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Rezension

THE PASSENGER macht gleich zu beginn klar, dass wir es mit einem Film zu tun haben, dessen Anspruch es weniger ist uns zu schockieren, als uns zu unterhalten. Bevor wir in den Van zu den vier ungleichen Reisenden steigen, sehen wir ein junges Paar, dass sich scheinbar in der Landschaft Spaniens verlaufen hat. Während sie eine Pause machen, kommt eine Gestalt aus einer Nebelwolke und greift die beiden an. Man merkt, dass sich an genretypischen Elementen bedient wurde, die insbesondere in den 1970ern und 1980ern verwendet wurden. Das spielgelt sich im ganzen Design des Films wieder, es wurde bewusst auf praktische Effekte und ein kleines Szenario zurückgegriffen, um das meiste aus den begrenzten Mitteln herauszuholen. So macht der Film auf visueller Ebene große Freude und ist perfekt, um ihn mit einer großen Gruppe in einem Kinosaal zu sehen.

The Passenger Filmstill

The Passenger ©2022 Pierrot Le Fou

Dabei könnte man den Film nun auf technischer Ebene kritisieren, da viele der Kameraaufnahmen wirken, als wären sie direkt aus einer schlechten Fernsehserie. Da allerdings Kalkül hinter dieser Umsetzung steht, wird dieser Kritikpunkt direkt ausgeglichen. Allerdings wird hin und wieder auf Drohnenaufnahmen gesetzt, die dem Film sein Achtziger Appeal nehmen, dasselbe gilt auch für das Smartphone, dass Teenagerin Marta konstant in der Hand hat. Der Film versprüht zwar einen gewissen Charme, es wäre aber noch mehr drin gewesen, hätte man sich noch mehr auf die Zeit zurückbesinnt, auf die THE PASSENGER eine Hommage sein soll. Denn auch der Soundtrack setzt vollkommen auf ältere Musikstücke, sodass häufig eine Text-Bild-Schere entsteht.




Zu viel Retro?

Für den Plot wird der Film vermutlich keinen Preis gewinnen, es handelt sich um eine Geschichte, die man so, oder so ähnlich, schon häufig in anderen Horrorfilmen gesehen hat. Letzten Endes gibt es ein Monster, das Jagd auf unsere Hauptfiguren macht. Auch hier wird sich an typischen Genrezitaten bedient. Der Film entwickelt dadurch leider keine eigene Identität, sondern verkommt zu einer Aufzählung unterschiedlicher Zitate. Immer wieder findet man sich in Situationen wieder, die man als findiger Filmfan sofort durchschaut hat. Die Kamera bleibt kurz länger auf einer bestimmten Stelle stehen, hier wird gleich was passieren. Der Fahrer hat einen Degen im Kofferraum, also wird dieser irgendwann zum Einsatz kommen.

The Passenger Filmstill

The Passenger ©2022 Pierrot Le Fou

Eine große Schwäche hat THE PASSENGER, die Hauptfiguren insbesondere Ramiro Blas und Paula Gallego, machen einen herausragenden Job, alle Figuren sind gut und glaubwürdig geschrieben, allerdings handelt es sich bei Blasco um einen sehr fragwürdigen Helden, der vermutlich auch ein Zitat auf Figuren des frühen spanischen Horrorkinos sein soll. In Blasco haben wir einen unangenehm sexistischen Helden, der immer wieder ekelerregende Anspielungen macht, in der Tonalität des Films aber zu einem Gag verkommet. Er darf die Frauen immer wieder retten und führt uns vor Augen, dass es sich bei Männern um das vermeintlich stärkere Geschlecht handelt. Auch wenn ich den Regisseuren hier keine Agenda unterstellen will, ist es sehr leicht, den Film auf diese Weise zu lesen, solche Figuren sollten nicht mehr zu lustigen Helden werden, oder zumindest eingeordnet werden.

Fazit:  Stilisierter Negativfilm mit roter Ziffer 6

Der Film bietet aufgrund seiner Machart einiges an Angriffspotential, das heißt aber keineswegs, dass der Film schlecht ist, ganz im Gegenteil. Die Hommage, die hier gezeichnet werden sollte, ist den beiden Regisseuren wunderbar gelungen. Der größte Kritikpunkt an THE PASSENGER ist seine Hauptfigur, ein ekelhafter Sexist, der von Ramiro Blas großartig verkörpert wird, aber so nicht in einem Film stattfinden sollte. Gerade für Genre Fans kann sich ein Blick auf diesen kleinen spanischen Film lohnen. Es handelt sich bei THE PASSENGER um einen spaßigen Horror-Roadmovie, der nicht perfekt ist, mit dem man aber seine Freude haben kann.

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