Review Kurzkritik Fakten + Credits


The Survivor Filmstill

The Survivor ©2022 Leonine

ROCKY, MILLION DOLLAR BABY, CREED, SOUTHPAW, alles Filme übers Boxen. Aufstiegsgeschichten über Boxer sind ein eigenes Genre der Sportfilme. In der Regel kämpft sich ein Underdog von ganz unten bis an die Spitze. Diese Filme zeigen den amerikanischen Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär. Im Jahr 2021 hat Regisseur Barry Levinson ebenfalls einen Box-Film herausgebracht, der nun den Weg zu uns nach Deutschland geschafft hat. Levinson ist kein unbeschriebenes Blatt. In der Vergangenheit hat der Filmemacher uns großartige Werke wie RAIN MAN oder GOOD MORNING VIETNAM beschert und war vor Kurzem als Regisseur und ausführender Produzent an der Serie DOPESICK beteiligt. In THE SURVIVOR hat er sich das Leben des Boxers Harry Haft vorgenommen. Haft wurde 1925 in Polen geboren und wurde im Jahr 1941 aufgrund seines jüdischen Glaubens ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Sein Überleben hat er sich mit Boxkämpfen gesichert, die den Aufsehern zur Unterhaltung dienten.

Verkörpert wird Harry Haft im Film von Ben Foster. Foster wurde vor allem für seine Rollen in TODESZUG NACH YUMA oder HELL OR HIGH WATER bekannt. An seiner Seite sieht man einen illustren Cast bestehend aus Billy Magnussen, der hier den Obersturmführer Dietrich Schneider verkörpern darf, sowie die deutsch-luxemburgische Schauspielerin Vicky Krieps, als Miriam Wofsoniker. In weiteren Nebenrollen präsentiert der Film Danny DeVito, als Boxpromoter Charlie Goldman, oder John Leguizamo, als Pepe, Harrys Boxtrainer. Ob THE SURVIVOR ein Volltreffer ist, oder ob man als Zuschauer*in nach der ersten Runde den Ring verlassen will, erfahrt ihr in folgendem Text.

Darum geht es…

Es ist das Jahr 1949. Harry Haft ist seit einem guten Jahr in den USA. Nachdem der jüdische Boxer im Konzentrationslager Auschwitz mit Kämpfen gegen andere Gefangene sein Überleben gesichert hat, versucht er nun auch in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten Fuß zu fassen. Er hat einen einfachen Plan: Wenn er sich an die Spitze hochkämpft, würde seine geliebte Leah (Dar Zuzovsky) von seinem Erfolg in der Zeitung lesen. Die Wege des jungen Paares haben sich in der alten Heimat getrennt, als die Nazis in Polen einmarschiert sind. Tief in seinem Herzen spürt Harry allerdings, dass Leah noch lebt und so gibt er nicht auf. Mit Hilfe des Boxpromoters Charlie Goldman schafft er es einen Kampf gegen den Schwergewichts-Champion Rocky Marciano zu organisieren. So beginnt Harry zu trainieren, wird dabei allerdings immer wieder von den Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht.

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Rezension

Mit THE SURVIVOR hat sich Barry Levinson nicht die klassische Boxer-Aufstiegs-Geschichte ausgesucht, auf jeden Fall aber eine Geschichte, die es Wert ist, erzählt zu werden. Im Film begleiten wir einen gebrochenen Mann, den nur der Gedanke an seine Jugendliebe antreibt. Wie es für einen Box-Film typisch ist, befindet sich auch Haft ganz unten und so richtig will es ihm nicht gelingen sich zu erheben. Immer wieder wird er von den Geistern seiner furchtbaren Vergangenheit eingeholt. Ein zentrales Element des Films wird dabei die posttraumatische Belastungsstörung, unter der die Hauptfigur leidet. Ob er nun von Alpträumen heimgesucht wird, oder ihn das Feuerwerk am 4. Juli völlig aus der Bahn wirft, die Furcht ist Harrys stetiger Begleiter. Dabei nimmt Levinson die Zuschauer*innen nicht an die Hand, sondern wirft uns ins Leben von Harry Haft. Wir sehen dabei immer wieder Rückblenden, sodass sich langsam ein Gesamtbild ergibt.

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The Survivor ©2022 Leonine

Ein zentrales Thema, dass THE SURVIVOR von fiktionalen Werken wie ROCKY unterscheidet, ist die Mehrdimensionalität, die das echte Leben mitbringt. Barry Levinson zeigt uns, dass es nicht nur schwarz und weiß, Gut und Böse, Nazi und Jude gibt, sondern dass viele Töne dazwischen liegen. Im Film erzählt Harry eine Geschichte über einen Häftling, der im Konzentrationslager seine Mütze nicht finden konnte. Würden ihn die Aufseher so sehen, würde er erschossen werden. In der Baracke bemerkt er, dass ein anderer Gefangener seine Mütze vergessen hat und nimmt sich diese, um das eigene Überleben zu sichern. Der Film stellt die Frage, ob dieser Häftling im Angesicht des Todes böse gehandelt hat, oder ob man in einer solchen Extremsituation andere Maßstäbe anlegen muss. Dieses Gleichnis ist eines von vielen Beispielen, in denen der Film seine vielen verschiedenen Facetten ausspielt.




Harte Schale, weicher Kern

Die größte Stärke des Films ist Ben Foster in der Rolle des Überlebenden Harry Haft. Der Schauspieler schafft es seiner Figur Profil zu geben, ohne ihn dabei zu heroisieren. Er ist ein Mann mit Problemen, er ist impulsiv und verletzt seine Mitmenschen. Dabei ist er aber kein Unsympath, in vielen Situationen ist er genauso liebenswert wie gemein. THE SURVIVOR schafft es ein vielschichtiges Profil zu zeichnen, dass Foster perfekt verkörpert. In den meisten Situationen ist er ein stoischer Mann, der keine Schwäche zulassen will. Er ist ängstlich andere Menschen zu nah an sich heranzulassen. In seiner Vergangenheit hat er viel Schmerz erlitten. Er will lieber gar nichts fühlen, als wieder verletzt zu werden. Man sieht in den Augen des Schauspielers eine latente Traurigkeit, die er hinter der harten Fassade zu verbergen versucht. Harry Haft wird zu einer unglaublich spannenden Figur, da ihm der körperliche Schmerz der Boxkämpfe nichts ausmacht. Physische Wunden heilen schnell.

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The Survivor ©2022 Leonine

Inszenatorisch ist THE SURVIVOR ebenfalls sehr gelungen. Wir hören über die knapp zweistündige Laufzeit dieses Biopics einen melancholischen Soundtrack vom Godfather of Filmmusik Hans Zimmer. Zimmer entführt uns auch in diesem Film wieder mit subtilen Stücken in eine andere Welt. An der Kamera kann George Steel überzeugen. Er zeigt uns eine schmutzige und trostlose Stadt, die uns mit ihren Braun- und Grautönen ins Seelenleben der Hauptfigur eintauchen lässt. In den Rückblenden, die uns Hafts Zeit in Auschwitz zeigen, sind sämtliche Bilder in schwarz-weiß gehalten. Der Regisseur will hier verdeutlichen, dass es führ die Gefangenen eine Hoffnungslose Situation ist, so wie es auch schon Steven Spielberg in seinem Meisterwerk SCHINDLERS LISTE gemacht hat.

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Kein Volltreffer

Wenn man etwas an dem Film beanstanden möchte, gibt es zwei Dinge, die einen etwas rausreißen könnten. Zum einen hat der Film keinen klaren Fokus. Wir begleiten Harry Haft hauptsächlich während seiner Zeit vor dem Kampf gegen Rocky Marciano. Nach dem Kampf wird das restliche Leben der Hauptfigur in 45 Minuten abgehandelt. Der Film hat dadurch zum Ende einige Tempoprobleme. Nach dem Finale wird allerdings klar, warum sich Barry Levinson für diesen, auf den ersten Blick, seltsamen Weg entschieden hat. Die zweite Schwierigkeit ist das Alter von Ben Foster. Der Schauspieler war zur Veröffentlichung des Films 40 Jahre alt. Im Jahr 1949 war Harry Haft allerdings erst 24 Jahre jung. Ohne Frage macht Foster einen großartigen Job, wenn man hier eine originalgetreue Nacherzählung von Harry Hafts Leben sucht, kann dieses Detail aber etwas irritieren.

Fazit: stilisierter Zelluloidfilm mit roter Ziffer "7"

Bei THE SURVIVOR handelt es sich um einen sehr sehenswerten Film, der sich eine spannende Figur als Vorlage genommen und ihr ein Denkmal errichtet hat. Barry Levinson hat sich mit Harry Haft für keinen strahlenden Helden entschieden, aber genauso wenig für einen Schurken. Es handelt sich bei dem Boxer um einen extrem vielschichtigen Menschen, dessen Facetten der Film beleuchtet. Dabei zeigt uns Ben Foster sein schauspielerisches Talent und präsentiert uns mit subtilem Schauspiel das Seelenleben eines tief traumatisierten Mannes. Da es sich hier um einen HBO-Film handelt, musste man hierzulande leider warten. Solltet ihr die Chance bekommen THE SURVIVOR zu sehen, dann schlagt zu.

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