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DOCTOR STRANGE IN THE MUTLIVERSE OF MADNESS hat noch gar nicht so ganz die Kinosäle verlassen, schon steht Marvel mit dem nächsten großen Titel vor den Türen der Filmtheater. THOR: LOVE AND THUNDER wird der mittlerweile 29. Film des MCUs, der erneut ein wahres Feuerwerk an Filmstars bietet. Neben den altbekannten Darstellenden der THOR-Solofilme werden auch Figuren von den GUARDIANS OF THE GALAXY zu sehen sein. Damit vereint Regisseur Taika Waititi zwei Welten, die bereits in AVENGERS: ENDGAME zusammengeführt wurden und nun deutlich mehr Leinwandpräsenz erhalten.
Darum geht es
Nachdem Thor alles im Leben verloren hat, was ihm lieb und heilig war, hat er sich zuletzt ziemlich gehen lassen. Als er jedoch erfährt, dass ein Wahnsinniger sein Unheil im Universum treibt und nach und nach die Götter der verschiedenen Planetensysteme vernichtet, ist es Zeit, aus dem Tal der Trauer zurückzukehren und den Kampf für das Gute wieder aufzunehmen. Sein Weg führt ihn unter anderem wieder zurück auf die Erde, wo mittlerweile die Überlebenden Asgardianer sich niedergelassen haben und ihre neue Heimat „New Asgard“ aufbauen. Bedroht von Gorr the God Butcher muss Thor all seine Kräfte mobilisieren, um dem Feind Einhalt gebieten zu können und erhält dabei überraschende Unterstützung seiner ehemaligen Lebensgefährtin Jane Foster, die im Zuge ihrer schweren Krebserkrankung nach einem Weg gesucht hat, die Krankheit zu besiegen und einen Ausweg in der mächtigen Kraft des zerstörten Mjölnir findet.
Zusammen mit Walküre und Korg machen sich die Beiden auf den Weg, Gorr zu folgen und ihn endgültig zu vernichten – koste es, was es wolle. Eine vielversprechende Chance sehen die Vier darin, sich an die anderen Götter zu wenden und gemeinsam eine unbändige Armee aufzustellen, die dem Schrecken entgegentritt doch auch dies soll sich als schwieriges Unterfangen herausstellen. Steht nun das Ende aller Götter bevor?
Rezension
Marvel stellt uns Kritikschreibende immer mehr vor eine äußerst schwierige Herausforderung. Einerseits sind wir gewillt, jeden Film als Werk für sich zu betrachten, um die Qualitäten der individuellen Filmkunst abzuwiegen, auf der anderen Seite kommen wir nicht umhin, das MCU als komplexe Reihe zu entschlüsseln und als Gesamtwerk einzuschätzen. THOR: LOVE AND THUNDER ist für sich genommen ein purer Genremix, der als Unterhaltungsmedium betrachtet werden kann und nicht darüber hinaus geht. Leider mutiert die Begrifflichkeit „unterhaltend“ zunehmend zu einem negativ konnotierten Wort dank solcher Produktionen. Nichts in diesem Werk ist wirklich neu. Stattdessen erhalten wir ein Potpourri der vergangenen 28 Filme in einem wilden Mix der Ideen und Superstars.
Schauspielikonen der heutigen Generation geben sich die Klinke in die Hand und werden Checklistenartig abgearbeitet. Wer hat noch nicht, wer will nochmal scheint dabei das Motto zu sein, denn selbst totgeglaubte oder aus der Handlung herausgeschriebene Figuren tauchen plötzlich wieder auf, und sei es nur indirekt als Bild oder TV-Aufnahme. Wer noch keinen Auftritt je zuvor hatte, bekommt nun die Möglichkeit, sich hier im besten oder auch schlechtesten Licht zu zeigen, so dass sogar Rollenschreck Russell Crowe zeigen kann, dass eine lange Filmkarriere nicht unbedingt auch bedeutet, gut schauspielern zu können. Zugegeben liegt das nicht nur an ihm, sondern auch an einem schrecklichen Drehbuch, welches Zeus als die größte Flitzpiepe darstellt, die es je im Universum gegeben hat. Auch Neuankömmling Melissa McCarthy ist nicht gerade mit der besten Rolle gesegnet, ist aber auch nur den Bruchteil eines Augenblicks zu sehen.
Gestaltenwandler und Multitalent Bale
Dass aber auch eine nicht so überragend angelegte Rolle durch einen hervorragenden Schauspieler abgefangen kann, beweist Crows Kollege Christian Bale wieder einmal glanzvoll. Nicht nur, dass sich der reale Gestaltenwandler wieder einmal zu einer kümmerlichen Figur seiner selbst heruntergehungert hat, er schafft es dabei auch noch, eine darstellerische Glanzleistung hinzulegen, die auf einem ähnlichen Niveau fungiert, wie all seine Werke. Dies passt auch bestens ins Bild, denn eigentlich hatte Bale einmal gemeint, er wolle in keinem Comicfilm mehr mitwirken, da er in der Batman-Trilogie erkannt habe, dass dieses Genre aus darstellender Perspektive uninteressant sei.[1] Tatsächlich liefert uns der Oscar®-Gewinner eine Performance ab, die den Antagonisten in seiner Grundidee zu einem der interessantesten des ganzen MCUs reifen lässt. Tragischerweise wird diese stärke jedoch nicht angemessen ausgespielt und Gorr the God Butcher erscheint viel zu selten und kurz auf der Leinwand.
Stattdessen zeigt Waititi viel lieber seine beiden Hauptdarsteller Chris Hemsworth, der unentwegt die aufgepumpten Muskeln spielen lässt, und Natalie Portman, die einfach nicht davon ablassen kann, den Sohn Odins anzuschmachten. Kürzlich noch im Streit und Jahrelang nicht miteinander geredet, dauert es keine Stunde, bis die beiden wieder eng umschlungen in den Armen liegen und Portman trotz aufpolierter Rolle wieder nur das Schoßhündchen des Allmächtigen ist. Als würde das noch nicht schlimm genug sein, sind fast alle weiblichen Rollen der machtvollen Erscheinung Thors unterlegen, so dass selbst Zeus‘ Gespielinnen in eine spontane Ohnmacht fallen, sobald der Gott des Donners ungewollt seinen Hammer schwingt. Und wie bei Marvel üblich, bleiben die einzigen LGBTQ+ Charaktere nur ein Schatten ihrer Selbst und werden ja nicht zu auffallend in den Hintergrund gedrängt. Außer natürlich Korg, der ja schließlich vom Regisseur persönlich gespielt wird.
Genrekrieg in der Thor-Familie
Neben dem Schauspielallerlei steht auch die Handlung kein Stück besser da, und so bekommen wir einen banalen Mix aus KRIEG DER WELTEN zusammen mit dessen Persiflage SCARY MOVIE gewürzt mit einem Cocktail aus allen Genres, die das Filmlexikon zu bieten hat. Vom Kinderabenteuer über den Slasher, von der rosaroten Romanze bis zur albernen B-Movie-Comedy und vom abenteuerlichen Actionhit bis zum knallbunten Drogentrip – es scheint einfach alles gegeben zu sein. Und wer dann noch eine Runde weinen will, muss das Werk nur lange genug durchstehen. Wir bekommen zwar eine hoch dramatische Szene geboten, die die Fanherzen brechen soll, doch zum Heulen bringt uns nur, dass nach drei Stunden Film gerade einmal eine volle Stunde auf der Uhr vergangen ist.
Und wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo eine noch bescheuertere Pointe her, die weder im Timing noch in der Qualität angemessen gesetzt ist und THOR: LOVE AND THUNDER zu einer Witzfigur der Reihe werden lässt. Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Lacher, der sogar herzhaft und treffsicher platziert ist, doch auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn und ist damit sogar erfolgreicher als die beiden Riesenziegen Toothgrinder und Toothgnasher, die spätestens nach dem ersten Meckern nur noch die Nerven strapazieren. Wie gut, dass Waititi seiner eigenen Scherze nicht überdrüssig wird, so dass jede Idee repetitiv unzählige Male ausgespielt werden muss. Wenn daraufhin wieder einmal alles dafür getan wird, dass die Witzfigur des Films Korg selbst im Angesicht des Todes am Leben gehalten wird, um auch ein drittes Mal zur großen Märchenstunde anzusetzen, dann ist klar, wie der Hase zu laufen hat.
Keine Zeit für Langeweile
Damit auch alle im Team fleißig beschäftigt sind, durfte sogar DIE SUPERTROTTEL und PITCH PERFECT 2 – Komponist Mark Mothersbaugh die gesamte Zeit die Hits des 20. Jahrhunderts durchblättern, damit jedes Genremashup einen eigenen, unvergesslichen Song erhält, um auch noch die letzte Ernsthaftigkeit aus den Szenen zu Gunsten des dusseligen Kitsches weichen zu lassen. Zumindest Kameramann Barry Baz Idoine konnte sich ein wenig ausprobieren und mit der neu entwickelten StageCraft-Technik spielen, die er zuvor schon bei THE MANDALORIAN nutzte. Zugegeben entstehen dadurch teilweise recht schicke Bilder, die die elenden CGI-Hintergründe aufwerten – es reicht ja schließlich, wenn weit mehr als 10 verschiedene Spezialeffekt-Studios damit beschäftigt sind, bunte Blitze so oft wie möglich in alle Richtungen zu schießen – da können zumindest die Hintergründe vernünftig aussehen.
FSK 12 – SAW trifft auf DADDY (Waititi) OHNE PLAN, denn Kevin Feige stand offenbar mal wieder mit dem erhobenen Zeigefinger hinter der Kamera, damit ja keiner auf die Idee kommt, diesen Film über die Grenzen der Jugendfreigabe hinaus zu entwickeln. Schließlich sollen doch die 7-jährigen Kinder live und in Farbe (oder auch nicht) sehen, wie kaltblütig gemetzelt wird und die Ausgeburt des Bösen als Schatten Kinder entführt – kurz gesagt: klassisches RTL 2-Nachmittagsprogramm. Zumindest scheint aber das gesamte Team einheitlich den Beschluss gefasst zu haben, keine Mühe in den Film zu stecken, denn ansonsten wäre vielleicht jemandem aufgefallen, dass bei der Abreise vom Jahrmarkt „New Asgard“ auf beiden Seiten des Werftplatzes die gleichen Komparsen stehen und die auffälligsten sogar in der ersten Reihe platziert sind. Warum die Ziegenböcke anschließend in Rudolph das Rentiermanier durch die Lüfte galoppieren, lohnt sich dann schon gar nicht mehr zu fragen.
Der neue Spitzenreiter?
Doch enden wir nach einer Tirade von emotionsgeladenen Sätzen meinerseits und affektiven und weltenvernichtenden Entscheidungen Thors doch mit ein paar positiven Gedanken: THOR: LOVE AND THUNDER wird beim Publikum wieder einmal Begeisterungsströme auslösen, und mit der banalsten Oberflächlich- und Lieblosigkeit wird der Gott des Donners wieder einmal den Kampf um den Thron antreten und im Tiefflug TOP GUN: MAVERICK seinen Platz als erfolgreichsten Film 2022 streitig machen. Es sei jedoch gesagt, dass das Potential für einen starken Film dagewesen ist und sich in vielen kleinen Einzelgeschichten verbirgt. Insbesondere der düstere Part rund um Antagonist Christian Bale sitzt minutiös und hätte mit mehr Mut vom Produktionsstudio endlich die erhoffte Wende in einer noch immer vollkommen verkorksten Phase 4 des MCUs bedeuten können.
Fazit
Auch wenn THOR: LOVE AND THUNDER direkt nach der Sichtung noch einen Hauch von positiven Vibes angesichts einiger netter Gags und der umfassenden galaktischen Handlung zurücklies, so wirkt eine rückblickende Betrachtung geradezu erschütternd und vernichtend. Viel Geld macht noch lange keinen guten Film, und auch wenn der Streifen visuell wieder einiges zu bieten hat und mit einem der besten Antagonisten auftritt, den das MCU bisher präsentierte und insgesamt wieder viel besser an die ersten drei Marvel-Phasen anschließt, lässt Waititi das Werk zu einer albernen Witzfigur verkommen, die vor irrsinnigen Inszenierungen nur so strotzt und selbst ohne Comicwissen viele Logiklücken vorweist. Jede Szene muss zwangsweise mit einer Pointe garniert werden, und jede Albernheit wird repetitiv abgefeuert. Letztlich hat Waititi tragischerweise dafür gesorgt, dass diese Produktion in einem persönlichen Ranking der Marvel-Filme sehr weit hinten landet.
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[1] Thor: Love and Thunder – Trivia, imdb.com, abgerufen am 02.07.2022
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