Review
HOUSE OF CARDS könnte mit seinem Setting der faschistischen Weltverschwörung und der an jeder Ecke lauernden Gefahr schon fast als ein Spionagethriller gelten, der seine Hausaufgaben zu sehr bei Ian Flemmings James Bond abschauen wollte, aber der Film schafft es dann doch, sich – nicht zuletzt dank des amerikanischen Protagonisten – vom Gentlemanagenten zu distanzieren. Gleichzeitig lädt das Werk die Zusehenden in einen Filmhistorischen Einblick aus den 60er-Jahren ein und gilt als gutes Beispiel für die Vor- und Nachteile der Filme aus dieser Epoche.
Eine Zeitreise mit Haken
HOUSE OF CARDS ist für das Publikum, das sich an moderne Sehgewohnheiten im Film orientiert hat, definitiv erstmal eine Umstellung. Das ist aber per se nichts Schlechtes, denn der Film bietet – filmhistorisch betrachtet – einen faszinierenden Einblick in die Art des Filmemachens aus der Zeit. Satte Farben, pompöse und ausladende Sets, die Autos mit den markanten Leinwänden hinter sich, damit die Schauspielenden nicht auf einer echten Straße fahren müssen, leicht erkennbares Kunstblut und ein ruhiges Tempo mit bedachten Schnitten sind nur ein paar der Beispiele, die Filmliebhabende nostalgisch werden lassen.
Doch das Alter von HOUSE OF CARDS hat auch seine Schattenseiten. So bedient sich der Film einer leider positiven Darstellung von Sexismus. George Peppard ist der Womanizer, dem jede Frau schmachtend hinterher blickt und die er für seine Interessen gewinnen kann. Gleichzeitig ist er der Alphamacho, der auch vor Gewalt gegen Frauen nicht zurückschreckt und sich, trotz vorherigen Verneinens, übergriffig verhält.
Generell ist das Bild der Frau in HOUSE OF CARDS mehr als nur fragwürdig. Inger Stevens ist nichts weiter als die Damsel in Distress, darf den Protagonisten ein paar verliebte und hilflose Blicke zuwerfen und sich sonst von der toxischen Männerwelt des Films herumkommandieren lassen. Sie ist dabei aber nicht die Ausnahme, die heraussticht, sondern das prägendste Beispiel für die Darstellung der Frau in dem Film. HOUSE OF CARDS erinnert in der patriarchalen Weltdarstellung und Inszenierung an die alten JAMES-BOND-Filme.
HOUSE OF CARDS bedient sich zudem einer sehr veralteten Darstellung von psychischen Erkrankungen und dämonisiert Menschen mit diesen. Das passt zwar storytechnisch zum Weltbild des faschistoiden Arztes Morillon (Keith Michell), erzeugt oder verstärkt aber in der realen Welt das stereotype Bild psychischer Erkrankungen, das heutzutage leider immer noch existiert. Durch die dämonisierende, falsche und toxische Darstellung kann der Film in diesen Passagen für Betroffene retraumatisierend wirken.
Story mit vertanen Chancen
Die Story von HOUSE OF CARDS mit der faschistischen Untergrundbewegung, die den Sturz des Systems und damit eine neue Weltordnung erzwingen will, ist an sich interessant und aktueller denn je. Leider verpasst der Film es, näher darauf einzugehen. Klar wird erklärt, dass es sich um wohlhabende Menschen handelt, die sauer auf Frankreich sind, da ihnen ihre Anwesen und Besitztümer in Algerien genommen wurden. Aber wie konnten sie sich unbemerkt organisieren und das sogar weltweit? Was ist ihr Plan nach dem Putsch? Das sind Fragen, die der Film nicht behandelt, da sich lieber auf eine nicht nachvollziehbare Liebesbeziehung zwischen George Peppard und Inger Stevens konzentriert wird.
Gleichzeitig kommen die Antagonisten im Film viel zu kurz. Das Publikum erfährt, wie schon erwähnt, ihre Motive, kann die Menschen jedoch nicht näher kennen lernen, was gerade bei Orson Welles schade ist, da Cineasten sein hier nicht genutztes Talent kennen. Zu sehr hätte er als Antagonist, der Erinnerungen an einen James-Bond-Bösewichten schafft, verkörpern können.
Ein weiteres Problem von HOUSE OF CARDS Story sind komplett unvorhersehbare und nicht nachvollziehbare Wendungen. Charaktere, die die Zuschauenden zuvor noch nicht gesehen haben, ermöglichen plötzlich essenziell wichtige Handlungsfortschritte. Das ist etwas verwirrend und sorgt neben einer Flut an belanglosen Dialogen dafür, dass das Publikum sich gerade im zweiten Akt immer wieder aus der Handlung herausreißen lässt. Obwohl der Film nur eine Lauflänge von 105 Minuten hat, wäre es für das Sehgefühl besser gewesen, wenn die Länge um 10 Minuten gekürzt worden wäre.
Der Amerikaner als Retter der Welt
Es entgeht nicht einer gewissen Ironie, dass Hollywood gerne den Amerikaner als Retter der Welt inszeniert. Gerade wenn es politisch extreme Strömungen sind. Normalerweise ist das für das Publikum nervtötend und wirkt selbstverliebt inszeniert, aber George Peppard spielt den Teil seiner Rolle auf eine gewisse charmante Art, die den Faschisten den Spiegel vorhält, dass den Zusehenden gar keine andere Wahl bleibt, als überrascht zu lachen.
Überraschend ist zudem, dass George Peppard es trotz seiner Rolle als Womanizer in HOUSE OF CARDS sich – an der Zeit der 1968er-Jahre gemessen – progressiv für marginalisierte Menschen, wie Personen mit psychischen Erkrankungen oder Opfer von häuslicher Gewalt einsetzt. Zwar ist er der Amerikaner, der lieber mit den Fäusten, als dem Kopf arbeitet und einiges geschieht motiviert aus Liebe, aber wir kaufen ihm den Enthusiasmus trotz seiner mehrmaligen Fehltritte ab.
Seifenoper und Enttäuschung
Die Musik von HOUSE OF CARDS hat einen Hang zum Kitsch sowie zur Überdramatik und erinnert eher an eine Seifenoper. Gleichzeitig ist diese in einzelnen Passagen, gerade gegen Ende des zweiten und Anfang des dritten Akts zu laut abgemischt, wodurch Hintergrundgeräusche untergehen. Zwar haben viele Filme aus der Epoche diese pompöse Musik zur Untermalung, jedoch ist das eine Sache, bei der sich Cineasten freuen, dass sie aus der Mode gefallen ist.
Das Schauspiel ist teilweise unpassend und viel zu ruhig. Gerade am Anfang von HOUSE OF CARDS, wenn auf George Peppard und seinen Begleiter geschossen wird, reagieren die Beiden zu gelassen. Der Wagen wird sorglos abgebremst und die Beiden steigen seelenruhig aus, um dem potenziellen Angreifer hinterher zu laufen. Solch unpassende Szenen ziehen sich immer wieder durch den Film und wirken irritierend.
Fazit
HOUSE OF CARDS präsentiert auf dem ersten Blick zwar einen filmhistorischen Einblick und eine interessante sowie politisch aktuelle Geschichte, weiß aber zumindest mit der Geschichte nicht genug umzugehen. Die Story verrennt sich zu sehr und fokussiert sich auf eine unglaubhafte Liebesbeziehung. Gleichzeitig plagen den Film eine ekelhafte Darstellung von Sexismus und psychischen Erkrankungen. Wer sich jedoch für die Machart von alten Filmen interessiert, sollte mal einen Blick wagen, da es nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Film auf dem Gebiet glänzen kann.
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Originaltitel | House of Cards |
Kinostart | 16.9.1968 |
Länge: | 105 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Drama | Thriller |
Regie | John Guillermin |
Producer | Richard Berg |
Musik | Francis Lai |
Cast | George Peppard, Inger Stevens, Orson Welles, Perrette Pradier, Keith Michell, Geneviève Cluny, Maxine Audley, Ralph Michael, Barnaby Shaw, Jacques Roux, Patience Collier, William Job, Ave Ninchi, Renzo Palmer, Peter Bayliss, Francesco Mulè, Rosemary Dexter, Raoul Delfosse, James Mishler, Jean Louis |
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