Review Kurzkritik Fakten + Credits
Aktuell wird immer wieder über die Legalisierung von Cannabis gesprochen. Wo die Droge in einigen Ländern bereits frei verfügbar ist, wird sich in Deutschland noch dagegen gesträubt. Da es nur noch eine Frage der Zeit sein kann, explodiert der Markt mit Anbietern für CBD (Abkürzung für Cannabidiol), ebenfalls ein Wirkstoff aus der Cannabis Pflanze. Anders als beim Tetrahydrocannabinol, wirkt CBD nicht berauschend und soll lediglich krampflösend sein. Man braucht kein Meisterdetektiv zu sein, um zu erkennen, dass die vielen Shops sich in Stellung bringen, um die ersten am Markt zu sein, sobald Marihuana legal wird. Zusätzlich hört man immer wieder über Microdosing, im Zusammenhang mit LSD. Hier nehmen Nutzende geringe Mengen der Droge ein, um, wie sie selbst sagen, die eigene Kreativität zu fördern und die Symptome psychischer Erkrankungen zu lindern.
Tatsächlich gibt es aber eine Droge, die in dem Diskurs über Legalisierung von anderen Wirkstoffen sträflich vernachlässigt wird: der gute alte Alkohol. Der Alkohol ist aus unserer Gesellschaft, besonders für uns als Deutsche, nicht wegzudenken. Neben unseren Autobahnen, über die wir unsere viel zu schnellen Autos ohne Geschwindigkeitsbegrenzung rauschen lassen, sind wir international besonders bekannt für unser Bier und das Oktoberfest (auch wenn mir als Norddeutscher dabei das Herz blutet). Auch wenn der Alkohol bei uns fester Bestandteil der nationalen Identität ist, birgt er große Gefahren. Niemand ist vor den Risiken des Alkohols sicher, worauf uns der neuseeländische Filmemacher Matthew J. Saville in seinem ersten Spielfilm JUNIPER aufmerksam machen möchte.
Darum geht es…
Nach dem Tod seiner Mutter, wurde Sam (George Ferrier) von seinem Vater Robert (Marton Csokas) auf ein Internat geschickt. Sam hat nach dem schmerzhaften Verlust selbstzerstörerische Tendenzen entwickelt, sodass sein Vater ihn in eine sichere Umgebung bringen wollte. Als Sam wieder nachhause kommt, eröffnet ihm sein Vater, dass sich im Haus einiges ändern wird. In das alte Zimmer seiner Mutter wird nun seine Großmutter Ruth (Charlotte Rampling), gemeinsam mit ihrer Krankenschwester Sarah (Edith Poor), einziehen. Die Großmutter benötige besondere Pflege, da es sich bei ihr um eine schwere Alkoholikerin handelt, die sich das Bein gebrochen hat, was Aufgrund ihres Konsums nicht mehr richtig heilen will. Als Sein Vater eines Tages nach England muss, um sich um das Testament seiner Mutter zu kümmern, sieht sich Sam mit der mürrischen alten Frau konfrontiert. Dann muss er aber immer mehr feststellen, dass er und Ruth gar nicht so verschieden sind.
Rezension
JUNIPER ist ein Film, der im ersten Moment sehr vielversprechend klingen kann, insbesondere wenn man einen Blick auf die Besetzung der Großmutter Ruth schaut. Die britische Schauspielerin Charlotte Rampling ist vor allem bekannt geworden für ihre Rollen in europäischen Arthouse Filmen. In den Letzten Jahren war sie unter anderem im Science-Fiction Epos DUNE zu sehen, oder in dem religiösen Drama BENEDETTA von Paul Verhoeven. Auch in JUNIPER schafft sie es ihrer Rolle mühelos Leben einzuhauchen und kreiert so die spannendste Figur im ganzen Film. Es wird dann leider problematisch, wenn die Darstellerin, die eigentlich die zweite Geige spielen sollte, alle anderen überstrahlt. Eigentlich steht Sam im Mittelpunkt der Handlung, wir betrachten den Film aus seinen Augen. Man kann einem Newcomer wie George Ferrier keinen Vorwurf machen, dass er nicht gegen eine meisterhafte Schauspielerin wie Charlotte Rampling ankommen kann, dennoch muss man sich dann die Frage stellen, ob eine andere Besetzung besser gewesen wäre.
Es geht so weit, dass Figuren wie Sams Vater oder die Krankenschwester Sarah gar keine Tiefe bekommen. Es wird zwar behauptet, dass sie Emotionen wie Trauer und Verzweiflung spüren, schaffen es aber nicht diese an die Zuschauenden zu übertragen. Abgesehen von Ramplings Figur, ist der Film voller großer Gesten und wenig Subtilität. Themen wie Sams Trauma werden angedeutet, aber dann nicht weiter behandelt. Wir bekommen so Figuren zu sehen, die kaum als Menschen zu erkennen sind, sie wirken wie geschriebene Charaktere. Trotzdem muss man sagen, dass die Schauspieler*innen mit dem, was sie haben einen soliden Job machen.
Kunst oder Kitsch?
Inhaltlich verkommt der Film leider zu einem kitschigen Abarbeiten bereits bekannter Bilder. So kommt es zu einem vermeintlich witzigen Moment, in dem sich der Teenager auf sein Bett legt und hofft, dass er endlich einen Moment Ruhe hat. Als er ein Penthouse Magazin hervorholt und seine Hand in die Hose schiebt, wird die Szene natürlich dadurch aufgelöst, dass plötzlich die gutaussehende Krankenschwester Sarah ins Zimmer kommt und beide peinlich berührt sind. Diese Szene steht exemplarisch für viele furchtbar vorhersehbare Momente im Film. Wie wir aus Filmen wie ZIEMLICH BESTE FREUNDE gelernt haben, bleiben die mürrische Person im Rollstuhl und die kümmernde Person, die regelmäßig malträtiert wird, nicht lange auf Abstand, sie finden irgendwann zueinander und bauen eine Beziehung auf. Selbstverständlich bedient sich auch JUNIPER dieser gängigen Klischees.
Weiterhin schafft es der Film nicht eine Position zum Thema Alkohol zu entwickeln. Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg hat 2020 in DER RAUSCH gezeigt, dass es einen Weg zwischen dem Verteufeln und dem Lobpreisen von Alkohol gibt. Matthew J. Saville gelingt diese Gratwanderung leider nicht. Stattdessen bleibt er sehr vage, er lässt die Leute trinken, ohne dass sie betrunken werden, oder die Kontrolle verlieren. Der Alkohol scheint auf keine der Figuren Wirkung zu haben. Selbstverständlich kann es sein, dass die alte Frau eine gewisse Toleranz entwickelt hat, bei einer Flasche Gin am Tag, müsste auch bei der härtesten Alkoholikerin eine gewisse Wirkung auftreten, stattdessen scheint es, als würden alle Figuren Wasser trinken. Das ist insbesondere dann schade, weil der Film mit seinem Titel JUNIPER auf die Wacholderbeeren anspielt, die dem Gin seinen Geschmack geben.
Fazit:
Bei JUNIPER handelt es sich leider um einen Film, der sehr viel Potenzial liegen lässt und so zu völligem Kitsch verkommt. Zwar hat der Film mit Charlotte Rampling eine großartige Hauptdarstellerin, die allerdings allen anderen die Show stielt und von der zweiten Reihe in den Vordergrund rückt. Statt sich ernsthaft mit Themen wie Alkoholismus oder Trauer auseinanderzusetzen, behauptet der Film seine Themen nur. JUNIPER ist ein Film geworden, der eine interessante Geschichte erzählen könnte, allerdings zu einer Aneinanderreihung von bereits bekannten Bildern verkommen ist.
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