Review Kurzkritik Fakten + Credits
Anime ist ein Genre für sich. Obwohl ich als Kind ein Fan von Serien wie DRAGON BALL oder POKÉMON war, habe ich doch im Laufe meines Lebens das Interesse an japanischen Animationsfilmen und -serien verloren. Trotzdem gibt und gab es immer wieder Filme, die meine Neugier geweckt haben, sodass ich den beschwerlichen Weg ins Kino auf mich genommen habe. In den letzten Jahren hat der japanische Regisseur Makoto Shinkai Filme wie YOUR NAME oder WEATHERING WITH YOU veröffentlicht und mit gezeigt, dass es immer noch Animes gibt, die einen Nicht-Fan begeistern können. Etwas ähnliches ist bereits in der Vergangenheit mit den Filmen von Hayao Miyazaki passiert. Mit seinem Studio Ghibli hat der Filmemacher international für aufsehen gesorgt. Filme wie CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND und PRINZESSIN MONONOKE haben auf der ganzen Welt Fans gefunden.
Nun hat ein neuer Film den weiten Weg von Japan in die Deutschen Kinos geschafft. Bei THE DEER KING handelt es sich um die Adaption eines japanischen Fantasy Romans aus dem Jahr 2014. Obwohl der Film anmutet als würde er ebenfalls vom Studio Ghibli stammen, ist das Studio Production I.G. für den Film verantwortlich. Viele Filmfans werden die Arbeit des Studios bereits aus Quentin Tarantinos KILL BILL VOL. 1 kennen, da die Anime-Sequenz eben aus diesem Studio stammt. Groß geworden ist das Studio in den letzten Jahren allerdings durch Serien wie HAIKYU!!. Ob THE DEER KING der nächste große internationale Anime-Hit werden wird, erfahrt ihr in meinem Text.
Darum geht es…
Gefangen in einem Bergwerk führt Van (Shin’ichi Tsutsumi) ein tristes Dasein. Tagein tagaus schleppt er Steine von einem Ort zum anderen, bis es eines Tages zu einem Vorfall kommt. Das Bergwerk wird von einem Rudel scheinbar übernatürlicher Wölfe überrannt und kaum jemand überlebt. Nur Van schafft es gemeinsam mit dem kleinen Mädchen Yuna (Hisui Kimura) zu fliehen. Als der Hofarzt des Königreich Zol Nachforschungen anstellt, bemerkt er, dass die Arbeiter im Bergwerk nicht durch den Angriff der Tiere gestorben sind, sondern aufgrund einer mysteriösen Krankheit, gegen die der überlebende Van immun zu sein scheint. So lässt er nach dem Mann suchen, um ein Heilmittel zu finden. Währenddessen versucht Van mit Yuna in einem kleinen Dorf Zuflucht zu finden. Die beiden richten sich im Dorf ein und wollen ein friedliches Leben führen. Der Frieden wird abermals erschüttert, als sie entdeckt werden.
Rezension
Immer wieder hört man bei THE DEER KING vergleiche mit PRINZESSIN MONONOKE, da es sich bei beide Filmen um Animes handelt, in denen die Ausbeutung der Natur im Zentrum steht. Man darf sich allerdings nicht von diesen Vergleichen irreführen lassen und einen weiteren Hayao Miyazaki Film erwarten. Der Film erzählt eine eigene Geschichte und leidet eher unter der hohen Erwartungshaltung, die mit solchen Vergleichen einher geht. Man sollte den Film am besten ohne Vorwissen schauen (wie es vermutlich bei jedem Film machen sollte) und das Gesehene auf sich wirken lassen.
Der Film lebt insbesondere von seinem visuellen Stil, der sich auf ältere Filme zurückbesinnt. Auch wenn Filme wie YOUR NAME wunderschön anzuschauen sind, wird immer mehr auf digitale Effekte zurückgegriffen, die den Filmen ihre märchenhafte Zeichentrick Optik nehmen. Vermutlich wurde auch in THE DEER KING auf computergenerierte Bilder zurückgegriffen, diese fallen aber nicht sonderlich auf. Stattdessen wirkt der Film in seiner Ästhetik wie ein wunderschön gezeichnetes Bilderbuch. Eine große Schwäche, die viele Animes in sich bergen, sind die häufig sehr ähnlichen Charaktermodelle, die sich nur durch expressive Frisuren voneinander unterscheiden, ein Fehler, den dieser Film nicht in sich birgt. Man sieht in jeder Szene die Liebe fürs Detail, ob nun in den einzelnen Figuren, die man Mühelos auseinanderhalten kann, oder auch in den verschiedenen Umgebungen. Wenn sich die Bilder dann mit dem stimmungsvollen Soundtrack mischen, möchte man sich am liebsten in der Welt verlieren.
PRINZESSIN MONONOKE 2 oder doch was eigenes?
Mit den beiden Königreichen, die der Film uns präsentiert sehen wir nämlich eine sehr lebendige Welt, die zwei völlig unterschiedliche Völker in sich birgt. Im Reich Aquafa leben verschiedene Dörfer im Einklang mit der Natur, sie reiten auf Sprunghirschen und sind eins mit ihrer Umgebung. Auf der anderen Seite steht das Volk der Zol. Sie sind diejenigen, die Sklaven in einem Bergwerk halten, wie Van zu beginn des Films. Zol ist eine Welt, in der nach immer mehr gestrebt wird, die Menschen hier haben vergessen, wie reichhaltig die Natur ist. So sind sie diejenigen, die sich mit der mysteriösen Krankheit infizieren, wohingegen die Aquafaner verschont bleiben. Die Botschaft des Films wir schnell klar, unser Streben nach immer mehr und die Ausbeutung unseres Planeten wird uns unweigerlich in den Abgrund treiben. Auch wenn man nun meinen könnte, dass die Geschichte in Zeiten der Corona Pandemie sehr plakativ wirkt, muss man erwähnen, dass die Romanvorlage aus dem Jahr 2014 stammt.
Obwohl der Film auf audiovisueller Ebene vollkommen überzeugen kann, gibt es leider einige Probleme, was das Tempo und allgemein der Erzählweise des Films angeht. Es wirkt doch sehr simpel, wenn das vermeintlich böse Volk Zol heißt, ein Wort, dass offensichtlich von Sol (lateinisch für Sonne) kommt und wir auf der anderen Seite Aquafa haben, also letztendlich Feuer und Wasser. Nebenbei ist es zwar schön anzusehen, wenn Van und Yuna ihren Frieden in dem kleinen Dorf finden, es wird allerdings ein großer Teil der Handlung darauf verwendet, dass wir den beiden bei ihrem Alltag zusehen, ohne zu wissen, was das Ziel der Geschichte ist. Wir bekommen in Rückblenden zwar immer mehr Informationen über die Vergangenheit des schweigsamen Helden, durch den rasanten Anfang und das überbordende Finale, wirkt der zweite Akt doch etwas fremdartig.
Echte Helden
Wenn man den Mittelteil allerdings für sich betrachtet, bietet er einige der stärksten Elemente des Films. Mit Van und Yuna führen uns zwei sehr spannende Figuren in eine Fremde Welt ein. Die Figuren, insbesondere Van, durchläuft eine sehr spannende Charakterentwicklung, sodass man sehr schnell Empathie für ihn entwickelt. Er fühlt sich nicht an, wie eine fremdartige Anime-Figur, sondern wie ein echter Mensch, der ein schlimmes Schicksal erleiden musste und sich nun langsam aus einer schwierigen Phase herausarbeitet. Seine Heldenhaftigkeit zeigt sich nicht nur im Kampf gegen eine finstere Bedrohung, sondern in den Opfern, die er immer wieder für seine Mitmenschen eingeht.
Fazit:
Auch wenn es THE DEER KING nicht schafft an die Qualität der Filme von Studio Ghibli heranzukommen, ist er ein wahnsinnig sehenswerter Film, der uns auf der einen Seite eine märchenhafte Geschichte erzählt, dabei allerdings auch wichtige Botschaften transportiert. Trotz einiger erzählerischer Schwächen schafft es der Film mit spektakulären Bildern und einen wundervollen Soundtrack zu überzeugen. Gekrönt wird das ganze von einer wahnsinnig interessanten Hauptfigur, über die ich gerne noch mehr erfahren hätte. Ich kann abschließend nur sagen: Sattelt die Hirsche und ab ins Kino.
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