Originaltitel: Tides
Kinostart: 26.08.2021
Länge: ca. 104 Minuten
Produktionsland: Deutschland | Schweiz
Regie: Tim Fehlbaum
Schauspieler:innen: Nora Arnezeder | Sarah-Sofie Boussnina | Iain Glen
Genre: Sci-Fi | Thriller
Verleih: Constantin Film Verleih
Deutsche Filmemacher können keine Filme machen? Und wenn doch, geht es nur um Weltkrieg, Stasi und die DDR? Puhh, nun muss ich doch wohl meine Statements, die ich nicht ganz so drastisch, aber schon andeutungsweise, so formuliert habe, ein wenig redigieren, denn Regisseur Tim Fehlbaum, der bisher nur mit dem Film HELL (sechs Mal nominiert für den deutschen Filmpreis) sich einen Namen machen konnte und sonst doch deutlich unter dem Radar flog in seiner Karriere, hat ein völlig überraschenden Film produziert. In diesem bekommen wir internationale Filmgrößen wie Nora Arnezeder (zuletzt in ARMY OF THE DEAD), Bella Bading (TSCHICK), Joel Basman (EIN VERBORGENES LEBEN, MONUMENTS MEN – UNGEWÖHNLICHE HELDEN) und Sarah-Sofie Boussnina (DIE BRÜCKE – TRANSIT IN DEN TOD) zu sehen.
Von einer Idee zur Praxis
Ein generelles Produktionsbudget ist nicht bekannt, doch ist davon auszugehen, dass dies bei weitem nicht mit internationalen Werken mithalten können wird. Etwas ungewöhnlich scheint, dass die Originalsprache des Films Englisch ist, was darin begründet liegt, dass von Beginn an eine internationale Produktion geplant war, die über die Qualitäten deutscher Filmkunst hinausgehen sollte und angesichts des auch internationalen Erfolgs von HELL es einfach sinnvoll ist diese Entscheidung zu treffen, um das Werk problemlos auf der ganzen Welt ausstrahlen zu können. Bereits 2015 existierte diesbezüglich die erste Drehbuchfassung, was deutlich zeigt, dass das Filmteam sich ausreichend Zeit genommen hat, um hier keine 0815-Produktion abzuliefern. Das macht sich auch darin bemerkbar, dass die Filmcrew es sich auf den Zettel geschrieben hat, so viel wie möglich ohne digitale Effekte zu drehen.
Erste Drehs wurden am nordischen Wattenmeer durchgeführt, doch die Gezeiten sind für langwierige Produktionen natürlich eine enorme Hürde. So wurde neben der Helgoländer Bucht und ein Küstenstreifen in der Nähe von Cuxhaven vor allem ein Studio genutzt, in welchem ein entsprechendes Watt nachgebaut wurde. Zudem bemühten sich Produzent Philipp Trauer und Kameramann Markus Förderer auch um einen wesentlichen Grad an Authentizität. So traten sie extra eine Reise nach Bangladesch an, in welcher sie sich vor allem auf die „Shipbreaker“ fokussierten, die für einen Hungerlohn alte ausrangierte Tanker ausschlachten. Hier wurde sich die Inspiration geholt und wie Fehlbaum selbst anmerkt, war es ihm wichtig nicht rein weg auf CGI zu setzen, sondern so viele Effekte wie möglich händisch zu realisieren. In die Karten spielte ihm dabei das herausragende Engagement seiner Hauptdarstellerin Nora Arnezeder, die den Lebenskampf nicht nur schauspielerte, sondern selbst durchleben wollte.
Darum geht es…
Kriege und der Klimawandel haben die Lebensbedingungen für Menschen fast vollständig zerstört und der Bevölkerung keine andere Wahl gelassen als zu fliehen. Eine neue Heimat wurde auf Kepler 209 gefunden, doch mussten die Überlebenden feststellen, dass die Atmosphäre dort dafür sorgt, dass keine eigene Reproduktion möglich ist. Um die Menschheit also vor dem Aussterben zu bewahren, wird zwei Generationen später der Versuch gestartet die Erde erneut zu bevölkern. Nachdem die Raumsonde Ulysses I jedoch spurlos verschollen ist, tritt Astronautin Louise Blake, deren Vater bereits auf der ersten Mission tätig war, die unsägliche Reise an. Auf der Erde angekommen ist sie jedoch die Einzige, die den Absturz der Kapsel überlebt hat und dennoch merkt sie schnell, dass es noch mehr Menschen geben muss. Doch statt einem Erfolgserlebnis stellt sich dies als Überlebenskampf für sie selbst heraus.
Rezension
Wie schon eingehend angedeutet, zeigt uns TIDES endlich mal, dass auch deutsche Filmkunst begeistern kann. Schon vorweggenommen sei, dass natürlich nicht alles perfekt und rund ist, doch ist eindeutig eine ganz besondere filmische Qualität zu erkennen, die gleich mehrere Aspekte der Inszenierung betreffen. Dass dafür jedoch keine unendlichen Budgets notwendig sind, beweist das Werk auf großartige Weise, denn trotz, dass es sich hierbei um einen Science-Fiction Streifen handelt, dem sein Genre auch ganz deutlich anzumerken ist und welcher insbesondere visuell beeindruckende Welten liefert, wurde weitestgehend auf heimatliche Kulissen zurückgegriffen, die richtig in Szene gesetzt einfach unfassbare Landschaften bieten. Sprich viel teure digitale Arbeit war überhaupt nicht nötig, um hier die entsprechenden Effekte auf das Publikum zu erzeugen.
Ein großer Anteil des Films spielt schließlich im Wattenmeer, welches einfach hinreißende Landschaften bietet und uns damit eine Welt zeigt, die wir als Strandbesucher scheinbar immer übersehen. Tatsächlich macht es Fehlbaum auch sehr geschickt, sobald die Handlung etwas rasanter wird und das schlichte Watt einfach nicht mehr ausreicht und arbeitet immer wieder auch mit dichten Nebelwänden, die an solchen Orten einfach auch sinnig erklärt sind und zeitgleich hervorragende Szenerien bieten, die wiederum von Fehlbaum hinsichtlich des Licht- und Schattenspiels gekonnt ihren Einsatz finden.
Nicht neu, aber anders
Im Prinzip erzählt uns TIDES eine Dystopie, die gleichzeitig aber auch Hoffnung wecken kann. Neben der recht einfach gehaltenen Story, die teilweise auch an AD ASTRA – ZU DEN STERNEN oder DER WÜSTENPLANET erinnert, und sich durchaus auch im Pacing teilweise gleicht, bekommen wir auch einige Themen geliefert, die aktueller kaum sein könnten und gerade in den vergangenen Jahren noch einmal ordentlich an Brisanz zugenommen haben. Im Mittelpunkt davon natürlich das Brandschatzen der Erde und der daraus resultierende Klimakollaps, welcher uns angesichts zunehmender Umweltkatastrophen gerade dieses Jahr immer deutlicher wird. Tatsächlich ist eine Entwicklung auch in dem Zeitspektrum wie im hiesigen Film dargestellt gar nicht mehr so unwahrscheinlich.
Parallel dazu prägt den Film jedoch auch der Kolonialismus, welcher heraufbeschworen wird durch die zwei völlig unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen, auf die die Protagonistin stößt und welche letztlich ein und das selbe Ziel verfolgen: Das Überleben des Menschen. Dieses wird jedoch völlig unterschiedlich angegangen und der Wahnsinn der Menschheit wird so überstrapaziert, dass er grade zu grenzenlos scheint und billigend die Auslöschung der Zivilisation in Kauf nimmt als zwei unterschiedlich entwickelte Kolonien zu akzeptieren.
Unverständnis
Deutlich erkennbar ist, dass dies ein Leidenschaftsprojekt von allen Beteiligten ist. Während Fehlbaum und seine Produzenten Ruth Waldburger, Thomas Wöbke und Philipp Taubert sich unermüdlich in die Arbeit stürzten, um TIDES weiterzuentwickeln, zeigen uns die Darstellenden auch vor der Kamera besten Einsatz. Insbesondere Nora Arnezeder fällt natürlich deutlich auf und erinnert ein wenig an Kristen Stewart in UNDERWATER – ES IST ERWACHT. Etwas schade, wenn auch vollkommen verständlich, ist es, dass jegliche Werbung zum Film häufig davon geprägt ist, dass Roland Emmerich mit produziert hat. Soweit jedoch bekannt ging von ihm kaum ein Beitrag aus, sondern war er einfach Teil der gemeinsamen Produktionsfirma und gab einige Anmerkungen zur Rohschnittfassung. Fehlbaum und sein Team können viel eher stolz auf die eigene Leistung sein, die sie hier hinein investiert haben, die sogar so weit reichte, dass eine eigene Sprache – Muddish – entwickelt wurde.
Fazit
Nur wenige Anhaltspunkte zeigen letztlich, dass TIDES ein deutsches Filmprodukt ist und genau das macht es so lobenswert. Tatsächlich könnte das Werk auch aus einem internationalen, bisweilen sogar US-amerikanischen, Drehprozess stammen, denn visuell spielt es einfach in einer völlig anderen Liga. Auch inhaltlicher wirkt der Sci-Fi-Streifen deutlich solider in seiner Art des Storytellings, als hier zu Lande gewohnt und auch wenn ein deutlicher Unterton erkennbar ist, der auf Kritik an Klima und Politik hindeutet, so wird uns diese endlich mal nicht mit der Keule eingeprügelt, sondern unterschwellig eingebastelt. Die Reise der Protagonistin ist hier das wichtigste Element des Films und das ist auch absolut der beste Ansatz. Auch wenn teilweise einige träge Längen entstehen, die nicht unbedingt hätten sein müssen, schafft es TIDES einfach über die gesamte Spieldauer mitzureißen und zu begeistern. Heute unterscheide ich einmal: Als internationale Produktion gibt es 7/10 und als deutsche Produktion 9/10 Punkten!
Entgegen der sonst üblichen Meinung, die ich häufiger mal vertrete, können deutsche Filme durchaus auch Qualität anbieten. Ein bestes Beispiel ist Tides, welcher völlig überraschend aus der Versenkung auftaucht. Scheinbar wurde hier das Budget effektiv für den Film und nicht für die Werbung eingesetzt, denn tatsächlich gab es nur selten zuvor etwas von diesem Werk zu sehen – was ihn jedoch keineswegs schlechter macht. Tides ist nämlich erfrischendes Genrekino, wie wir es uns häufiger wünschen würden. Nicht nur, dass hier auf jegliche großen deutschen Filmstars verzichtet wurde, es wurde gänzlich auf einen internationalen Cast gesetzt, der vor allem durch Nora Arnezeder begeistern kann. Schlichte und heimatliche Settings sind kaum wieder zu erkennen, wenn sie in einem futuristischen und dystopischen Blickwinkel eingefangen werden und mit minimalen Effekten in eine völlig neue Welt übergehen.
Doch der Film begeistert noch durch so viel mehr. Die Handlung ist zwar relativ schlicht gehalten und hätte genauso gut in der Urzeit spielen können, kann aber auch in seiner Schlichtheit durch elementare Themen begeistern und mitreißen. Hier bekommen wir natürlich keinen Highclass-Film, doch das wäre auch vermessen zu erwarten. Tatsächlich möchte ich an dieser Stelle ausnahmsweise einmal differenzieren, denn im Vergleich der internationalen Produktionen hat sich der Film eine 7/10 durchaus verdient, in Bezug auf die deutsche Filmlandschaft sogar eine 9/10. Ein visuelles Highlight, welches durchaus mal schaubar ist, auch wenn eine zweite Sichtung vermutlich nicht unbedingt notwendig wäre.
Original title: Tides
Cinema release: 26.08.2021
Length: approx. 104 minutes
Country of production: Germany | Switzerland
Director: Tim Fehlbaum
Actors: Nora Arnezeder | Sarah-Sofie Boussnina | Iain Glen
Genre: Sci-Fi | Thriller
Distributor: Constantin Film Verleih
German filmmakers can’t make films? And if they do, are they only about world war, Stasi and the GDR? Phew, now I’m going to have to edit my statements a bit, which I didn’t formulate quite so drastically, but already hinting at it, because director Tim Fehlbaum, who has only been able to make a name for himself with the film HELL (nominated six times for the German Film Award) and otherwise has flown well under the radar in his career, has produced a completely surprising film. In it we get to see international film stars such as Nora Arnezeder (most recently in ARMY OF THE DEAD), Bella Bading (TSCHICK), Joel Basman (EIN VERBORGENES LEBEN, MONUMENTS MEN – UNGEWÖHNLICHE HELDEN) and Sarah-Sofie Boussnina (DIE BRÜCKE – TRANSIT IN DEN TOD).
From an idea to practice
A general production budget is not known, but it can be assumed that this will be far from being able to compete with international works. It seems somewhat unusual that the original language of the film is English, which is due to the fact that an international production was planned from the beginning, which was to go beyond the qualities of German cinematography and in view of the also international success of HELL it simply makes sense to make this decision in order to be able to broadcast the work all over the world without any problems. The first version of the script already existed in 2015, which clearly shows that the film team has taken enough time to ensure that this is not a run-of-the-mill production. This is also noticeable in the fact that the film crew made it a point to shoot as much as possible without digital effects.
The first shoots were carried out on the Nordic Wadden Sea, but the tides are naturally an enormous hurdle for lengthy productions. So, in addition to the Helgoland Bay and a coastal strip near Cuxhaven, a studio was primarily used in which a corresponding mudflat was recreated. In addition, producer Philipp Trauer and cameraman Markus Förderer also strove for a significant degree of authenticity. They went on a special trip to Bangladesh, where they focused primarily on the “shipbreakers” who cannibalise old, discarded tankers for a pittance. This is where the inspiration came from and, as Fehlbaum himself notes, it was important to him not to rely purely on CGI, but to realise as many effects as possible by hand. The outstanding commitment of his leading actress Nora Arnezeder, who not only acted the struggle of life but wanted to live it herself, played into his hands.
That’s the story about
Wars and climate change have almost completely destroyed living conditions for people, leaving the population no choice but to flee. A new home was found on Kepler 209, but the survivors had to realise that the atmosphere there ensures that no reproduction of their own is possible. So, in order to save humanity from extinction, an attempt is made to repopulate the Earth two generations later. However, after the space probe Ulysses I disappears without a trace, astronaut Louise Blake, whose father had already been on the first mission, embarks on the unspeakable journey. Arriving on Earth, however, she is the only one to have survived the capsule’s crash, and yet she quickly realises that there must be more people. But instead of a sense of achievement, this turns out to be a struggle for survival for herself.
Review
As already indicated in detail, TIDES finally shows us that German film art can also inspire. It should be mentioned in advance that not everything is perfect and rounded, of course, but there is clearly a very special cinematic quality that affects several aspects of the production. However, the work proves in a great way that no infinite budgets are necessary for this, because despite the fact that this is a science fiction flick, which clearly shows its genre and which delivers visually impressive worlds in particular, it was largely based on local backdrops, which, properly staged, simply offer incredible landscapes. In other words, a lot of expensive digital work was not necessary at all to create the appropriate effects on the audience.
After all, a large part of the film takes place in the Wadden Sea, which offers simply ravishing landscapes and thus shows us a world that we as beach visitors always seem to overlook. In fact, Fehlbaum also does it very cleverly as soon as the action gets a bit more fast-paced and the plain mudflats are simply not enough anymore and also works again and again with dense walls of fog, which are simply also explained in a meaningful way in such places and at the same time offer excellent scenery, which again is skilfully used by Fehlbaum in terms of the play of light and shadow.
Not new, but different
In principle, TIDES tells us a dystopia, which at the same time can also inspire hope. In addition to the rather simple story, which is partly reminiscent of AD ASTRA or DUNE, and is also partly similar in pacing, we are also given some themes that could hardly be more topical and have become even more explosive in recent years. At the centre of this, of course, is the burning of the earth and the resulting climate collapse, which is becoming increasingly clear to us this year in view of the growing number of environmental catastrophes. In fact, a development in the time spectrum depicted in this film is no longer so improbable.
Parallel to this, however, the film is also characterised by colonialism, which is evoked by the two completely different social structures that the protagonist encounters and which ultimately pursue one and the same goal: The survival of man. However, this is approached in a completely different way and the madness of humanity is so overstretched that it seems just too boundless and approvingly accepts the extinction of civilisation rather than two differently developed colonies.
Incomprehension
It is clearly recognisable that this is a passion project by all involved. While Fehlbaum and his producers Ruth Waldburger, Thomas Wöbke and Philipp Taubert threw themselves tirelessly into the work of developing TIDES, the actors also show us their best efforts in front of the camera. Nora Arnezeder in particular, of course, stands out and reminds us a little of Kristen Stewart in UNDERWATER – ES IST ERWACHT. It’s a bit of a shame, though perfectly understandable, that any publicity for the film is often dominated by the fact that Roland Emmerich co-produced it. As far as is known, however, hardly any contribution came from him, but he was simply part of the joint production company and gave some comments on the rough cut. Fehlbaum and his team can be much more proud of the effort they put into this, which even went so far as to develop their own language – Muddish.
Conclusion
Only a few clues ultimately show that TIDES is a German film product and that is precisely what makes it so commendable. In fact, the work could also have come from an international, at times even US-American, filming process, because visually it simply plays in a completely different league. In terms of content, too, the sci-fi flick seems much more solid in its storytelling than we are used to here in Germany, and even if there is a clear undertone that hints at criticism of the climate and politics, this is finally not beaten into us with a club, but rather subliminally tinkered with. The protagonist’s journey is the most important element of the film here and that is absolutely the best approach. Even if there are some lazy stretches that don’t necessarily have to be there, TIDES manages to simply carry you along and inspire you for the entire duration of the film. Today I make a distinction: As an international production it gets 7/10 points and as a German production 9/10 points!
Schauspieler:innen | Rolle |
Nora Arnezeder | Blake |
Sarah-Sofie Boussnina | Narvik |
Iain Glen | Gibson |
Sope Dirisu | Tucker |
Joel Basman | Paling |
Sebastian Roché | Blakes Vater |
Bella Bading | Maila |
Cloé Heinrich | junge Blake |
Hong Indira Rieck | Holden |
Eden Gough | Neil |
Mabô Kouyaté | Mud |
Nicola Perot | Oogklap |
Kotti Yun | Munay |
Stanley I. Walker Jr. | Räuber |
Frank Richartz | bärtiger Räuber |
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