Review Fakten + Credits


Darum geht es
War Sailor Filmstill

War Sailor ©2023 DCM

Ende der 1930er Jahre tritt Familienvater Alfred eine Reise über den Atlantik an. Auf dem Festland ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und das Handelsschiff gerät samt Crew unfreiwillig in dessen Geschehen. Während die Familie zu Hause Bombardierungen und die Besetzung durch die Deutschen miterlebt, gerät auch Alfred in die Kriegswirren. Seite an Seite mit anderen Seefahrern und deren Schicksalen erlebt er U-Boot-Angriffe und die zermürbenden Folgen des Krieges, die ihn und seine Familie auch Jahre danach verfolgen …

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Rezension

Vorahnungsvoll liegt der Tod bereits in ersten, noch unbeschwerten Szenen in der Luft. Ein Leben lang soll er die kleine Familie nicht mehr loslassen. Anders als die deutsche Neuverfilmung Erich Maria Remargues Roman IM WESTEN NICHTS NEUES, in dem junge Soldaten im Ersten Weltkrieg an der Westfront stationiert sind, liegt der Fokus im norwegischen Oscar®-Beitrag WAR SAILOR, überwiegend angesiedelt zur Zeit des Zweiten Weltkrieg, nicht direkt an der Kriegsfront. Er liegt bei einer Familie, deren Leben über mehrere Jahrzehnte, auch lang über Kriegsende hinaus verfolgt wird. Eine reizvolle und mitunter auch effektive Konzeption, die jedoch trotz zweieinhalb Stunden Spielzeit Abstriche verlangt.

War Sailor Filmstill

War Sailor ©2023 DCM

WAR SAILOR beginnt und endet in der Familie. Im engsten Familienkreis, dessen Leben wie das vieler Menschen von den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges tief erschüttert wird. Inspiriert von realen Persönlichkeiten schildert die Geschichte das Schicksal einer Handvoll Menschen, die lange Zeit getrennt mit den direkten und den langlebigen Auswirkungen des Krieges zurechtkommen muss. Mit konventionellen Mitteln widmet sich die Geschichte dabei der individuellen und biografischen, weniger einer politischen oder gesellschaftlichen Ebene, und stellt allen voran Lebensabläufe titelgebender Seefahrer*innen heraus.

Dass jene Schicksale Gunnar Vikenes Film besonders am Herzen liegen, zeigt die Wucht, mit der sämtliche Seefahrtszenen eingefangen sind. Von den verzweifelten Manövern, über Bord gegangene Männer aus den gefräßigen Wassermassen zu retten bis hin zu direkten kriegerischen Konfrontationen, zählen die Sequenzen an Bord unterschiedlichster Schiffe und notbedürftiger Ersatzboote zu den intensivsten Momenten des Films. Den Kampf an den Fronten des Festlandes lässt WAR SAILOR nur erahnen, das Schicksal der Seefahrer*innen macht er durch eine äußerst physische Inszenierung greifbar. Gleichzeitig bleiben Einblicke in viele Figuren abseits der Jugendfreunde Alfred und Sigbjørn vage, Entwicklungen durch die zeitlichen Ambitionen sprunghaft und Geschehnisse ausschnitthaft. Eine gelegentlich unausgeglichene Stationsarbeit, die dem ausgedehnteren Betrachtungszeitraum dient, jedoch tiefgründigere und fokussierte Facetten verspielt.




Zeit heilt keine Wunden

Zum Schicksal des Vaters stößt zunächst in geringeren Anteilen das Schicksal der gesamten Familie, die im besetzten Norwegen ihren Alltag fortzuführen versucht und im letzten Drittel ins Zentrum rückt. Dann tastet sich WAR SAILOR dahin vor, wo andere Kriegsdramen längst den erzählerischen Schlussstrich gezogen haben. Nach den aufwendig und technisch überzeugend inszenierten Jahren auf See, deren geerdete Schilderung nur am Rande etwa von sentimental überhöhter Musik verwässert wird, zeigt der Film die Nachwehen des Krieges als fortdauernde Last, als langwierigen Verarbeitungsprozess, der unnachgiebig am sich langsam wiedereinstellenden Familiengefüge rüttelt. Diese weiterführenden, um psychologische Einblicke bemühten Beobachtungen sind durchaus reizvoll, bekräftigen jedoch auch, dass sich über 30 Jahre Lebensgeschichte nicht mit aller Sorgfalt in zweieinhalb Stunden erzählen lassen.

War Sailor Filmstill

War Sailor ©2023 DCM

Schweigend sitzen sich am Ende des Films zwei Jugendfreunde gegenüber. Zwischen ihnen herrscht eine Stille mit schwindender Kraft. Nach allen hektischen Angriffen, schmerzerfüllten Schreien und dem immersiven Dröhnen der Musik bei Bootsszene, entpuppt sich die Wortlosigkeit als eine der eingehendsten Momente des historischen Dramas. Die zuvor angsterfüllten, schlammverschmierten, blutbefleckten und vom Meerwasser verwaschenen Gesichter sind alt geworden, haben aber nicht vergessen. So, wie auch der Film die Weltkriegs-Schicksale einer ganzen bestimmten Personengruppe nicht vergessen hat.

Fazitstilisierter Zelluloidfilm mit roter Ziffer "7"

WAR SAILOR segelt zwischen nervenaufreibenden wie bedrückenden Einblicken in das Schicksal norwegischer Seefahrender im Zweiten Weltkrieg und skizzenhafter biografischer Stationsarbeit. Beides zieht der Film konsequent über das Ende des Krieges hinaus und ermöglicht damit ein umfassenderes und über Jahrzehnte fragmentarisches Familien- und Figurenporträt.

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