Rezension
Die funkelnde Overtüre nimmt nur einen Bruchteil der Farb- und Glitterintensität vorweg, die Alexis Langlois satirischer Genremix DRAMA QUEENS auf die Leinwand bringt. Um die dreißig Minuten, manche auch nur eine Handvoll, dauerten die bisherigen Kurzfilme Langlois (THE DEMONS OF DOROTHY; TERROR, SISTERS), nun adaptiert die französische Regieperson ihren turbulenten bis anarchischen Filmstil in Spielfilmlänge. Und mit diesem fast zwei Stunden knallige, neongetränkte Farben, energetische Musik- und Gesangseinlagen und queeres Selbstverständnis.
Aus der nahen Zukunft wirft der Film einen Blick zurück in die frühen 2000er: Bei einer Castingshow, die nicht von ungefähr den Anstrich hiesiger Casting-Formate trägt, lernen sich Mimi und Punksängerin Billie kennen und lieben. Das skrupellose Showgeschäft formt und sucht sich seine Ikon*innen und findet eine von ihnen in Mimi Madamour, die nach einiger Anpassung ans Business mit einem Hit zum Weltstar aufsteigt. Auch an Billie geht der Ruhm nicht einfach nur vorbei, einzig die Liebe der beiden stellt die Gesetze des Musikindustrie auf eine harte Probe.
Vielfältige Vorstellung
Unterm Scheinwerferlicht und dem im Gegensatz zu den 1980ern fast unverbraucht wirkenden 2000er Nostalgie-Überzug dient das Gerüst eines Künstler*innen-Biopics als narrative Orientierung. Als Leitfaden eines filmischen Albums, dessen Tracks nicht nur, aber häufig auch Musiknummern als solches sind. Dafür holte Langlois eine Vielzahl an Künstler*innen unterschiedlichsten Alters und Stilrichtungen an Bord. Cold Wave- und Elektroclash-Musikerin Rebeka Warrior und die französische Sängerin Yelle bilden das musikalische Fundament des ungleichen Hauptcharakterduos, weitere abwechslungsreiche Interpret*innen findet der Film in Pierre Desprats, Mona Soyoc und Louise Bsx.
Ergebnis ist eine lebendige Musical-Tracklist aus klischeehaftem Pop, einer Schippe Punk, Elektromusik, manchmal auch Metal. Was sich beliebig anhört, entpuppt sich als eingehende, auch visuell niemals zur Ruhe findende Playlist, deren Liedtexte vereinzelt genauso inbrünstig versuchen, patriarchale Deutungshoheiten zu zerstoßen, wie es die innersten Wünsche und Verlangen der Figuren tun. Louiza Aura und Gio Ventura porträtieren ihre Charaktere zwischen Erfüllung und Enttäuschung aufgewühlt und selbstironisch, Bilal Hassani die futuristische, nicht weniger obsessive Erzählfigur mit großer Freude auf die Spitze getrieben.

Drama Queens ©2025, Salzgeber
„Komm fick das Patriarchat“ – Blond, 2025
Als mindestens genauso bunt erweist sich das Mashup an Themen, denen sich DRAMA QUEENS mal auf höchst emotionale, mal satirische und konfrontative Weise annähert: die Durchkommerzialisierung der Musikindustrie, Pink-Washing, diskriminierende Machtstrukturen, toxische Fankulturen, parasoziale Beziehungen. Elemente des 2000er Trips, die als Spiegel der Gegenwart ebenso funktionieren wie als schriller Pop-Up-Zeitabriss. Anders als viele der Songs wirken diese nie bis zum letzten Ton ausgefeilt, zu sehr scheint der Film von seinem Anspruch, das Tempo und die Aufregung konsequent hochzuhalten, vereinnahmt.
Einmal den Zugang zu Langlois funkelnden Universen gefunden, funktioniert und unterhält aber auch sein Spielfilmdebüt, das trotz der Laufzeit und etwas mehr Stringenz seine eigene Handschrift wahrt, das mit seinen Darsteller*innen jede Menge Energie in die stickigen, aber stets stimmungsvoll ausgeleuchteten Studiokulissen steckt und das die Emotionen seiner Figuren ungezügelt los-, sich wandeln und wüten lässt. Unsere Gegenwart zeigt: es darf, ja es muss auch auf diese, wenig zurückhaltende Art und Weise sein, um die Sichtbarkeit queeren Lebens und feministischer Kämpfe zu fördern und aufrechtzuerhalten.

Drama Queens ©2025, Salzgeber
Fazit
Ein halbes Jahrhundert im Glitterstaub rauscht vorbei. Still steht dabei kaum etwas in Alexis Langlois Spielfilmdebüt, das nicht so prägnant wie vorangegangene Kurzfilme wirkt, dem aber nie der Atem vollständig ausgeht. Zwischen Pop-Parodien, Punk und romantischer Tragödie ein kleiner Fiebertraum aus Musik-Clip-Ästhetik, ausufernden Emotionen, energetischem Ensemble, trashigen Überzeichnungen und Selbstironie.
DRAMA QUEENS ist im Rahmen der Queerfilmnacht bereits schon im Juli in vielen Kinos zu sehen und startet am 7. August 2025 regulär in den deutschen Kinos. Mehr Informationen dazu findet ihr hier.
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Originaltitel | Les reines du drame |
Kinostart | 27.11.2024 |
Länge: | 115 minuten |
Produktionsland | Belgium |
Genre: | Musik | Liebesfilm | Drama | Komödie | Fantasy |
Regie | Alexis Langlois |
Executive Producer | Karim Cham |
Producer | Benoît Roland | Inès Daïen Dasi |
Cast | Louiza Aura, Gio Ventura, Bilal Hassani, Asia Argento, Alma Jodorowsky, Raya Martigny, Dustin Muchuvitz, Jean-Biche, Nana Benamer, Thomas Poitevin, Mona Soyoc, Julia Fiquet, Drag Couenne, Elodie Barthels, Mati Diop |
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