Österreich zeigt sich am Grundlsee von seiner schönsten Seite. Im Sommer kommen die Sommerfrischler. Wer einmal hingekommen ist, wird immer wieder herkommen. Super-8-Aufnahmen zeigen in körnigen Bildern die Idylle. Auch Wilbirg Brainin-Donnenberg fährt immer wieder hin. “Dirndlschuld” behandelt eine Stimmung, die hinter den Bildern liegt.
Darum geht es…
Die österreichische Regisseurin Wilbirg Brainin-Donnenberg beschäftigt sich mit der Tracht zwischen Kommerz und Politik, zwischen Tradition und Gesinnung. Die Regisseurin filmt ihre Tochter, die ganz unbefangen ein Dirndl trägt. Für die junge Frau ist das Dirndl ein Kostüm, eine Verkleidung, ein Spaß. Doch es ist komplizierter. Der Abspann verweist auf ein Buch der Volkskundlerin Elisabeth Wallnöfer: “Tracht macht Politik”. Ist die Tracht, das Dirndl für Frauen, die Lederhose und das Wams für die Männer nun “Gesinnungskleidung”? Kann man die Tracht auch aus Spaß tragen? Was bedeuten die Farben?
Rezension
Die Regisseurin Wilbirg Brainin-Donnenberg erzählt aus dem Off zum Beispiel, wie sie einmal aus einem Anlass in Frankreich das Dirndl getragen hatte, als jede und jeder etwas aus der Heimat anziehen sollte. Das Dekolleté zog für sie unangenehme Blicke an. Überhaupt ist das Dirndl für sie kein unbelastetes Kleidungsstück. Aus dem Off narratiert sie die Geschichte des Ortes, der Grundlsee in Österreich. Die Bilder, die wie Postkarten, zuerst in Stand- dann erst in Bewegtbildern, über die Leinwand flimmern, zeigen zwar die Schönheit der Gegend, wecken gleichzeitig eine Beklemmung, da man die Bilder sogleich historisch liest. Die Tracht, auf die der Filmtitel partiell hinweist, steht dabei für eine sichtbare Zurschaustellung, wer und wessen Gesinnungskind man ist. Im dritten Reich wurde die Tracht für nationalistische Zwecke vereinnahmt. Gleichzeitig verbot man der jüdischen Bevölkerung das Tragen dieser Tracht. Noch bevor man ihnen ihre Häuser und dann ihr Leben nahm.
Die Familiengeschichte von Wilbirg Brainin-Donnenberg ist da nicht unbelastet. Der persönliche Bezug vermittelt dem Publikum anschaulich, wie man mit der Tracht hadern kann. Auch wenn die Bilder suggerieren, dass es sich um alte Aufnahmen handelt, ist dies nicht konsequent der Fall. Da fordert es doch etwas Aufmerksamkeit und man bemerkt bei dem Schlenker zum Heute hin den Mundnasenschutz. Denn natürlich hat die Kleidung seine Unschuld nicht wiedergewonnen. Sie kann immer noch für eine Gesinnung stehen, aber auch für Kommerz. Da kann man sich ein Dirndl auch mal für eine Stunde mieten.
Fazit
Sollte man das Dirndl für die Mode zurückerobern? Kann man es unbefangen tragen? Diese Fragen stellt sich der Kurzdokumentarfilm DIRNDLSCHULD. Die Filmbilder in Super-8-Aufnahmen erinnern an Archivmaterial aus der Nazi-Zeit. Die Vereinnahmung der Tracht für politische Ziele wird damit historisch eingeordnet. Wilbirg Brainin-Donnenberg weist auf die zwiespältigen Gefühle hin und öffnet den Blick, der zum Nachdenken anregt.
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Originaltitel | Dirndlschuld |
Berlinale – Release | 11.02.2022 |
Berlinale – Sektion | Berlinale Shorts |
Länge | ca. 15 Minuten |
Produktionsland | Österreich |
Genre | Dokumentation |
Verleih | unbekannt |
FSK | unbekannt |
Regie | Wilbirg Brainin-Donnenberg |
Drehbuch | Wilbirg Brainin-Donnenberg |
Produzierende | Wilbirg Brainin-Donnenberg |
Musik | Atanas Tcholakov |
Kamera | Wilbirg Brainin-Donnenberg |
Schnitt | Wilbirg Brainin-Donnenberg |
Besetzung |
Anna Brainin |
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