Review Kurzkritik Fakten + Credits
Die 1990er Jahre waren ein Jahrzehnt, in dem die elektronische Musik ihren Siegeszug gefeiert hat. In Deutschland wurden Techno und Eurodance zu den erfolgreichsten Musikrichtungen und haben die Rockmusik des vorigen Jahrzehnts abgelöst. Auf der Elektrowelle ist der französische Musiker Mr. Oizo, gemeinsam mit seiner gelben Stoffpuppe „Flat Eric“, nach Deutschland gekommen und direkt auf Platz 1 der deutschen Charts eingestiegen. Die Single „Flat Beat“ sollte danach in ganz Europa in den Clubs laufen. Hinter dem Künstlernamen Mr. Oizo verbirgt sich der französische Künstler, Musiker und Filmemacher Quentin Dupieux. Für Filmfans könnte Dupieux durch seinen 2010 erschienenen Film RUBBER ein Begriff sein. Hier entwickelt ein Autoreifen ein eigenes Bewusstsein und wird für die Menschen in seiner Umgebung zu einer ernstzunehmenden Gefahr. Der Reifen kann sich allein fortbewegen und entwickelt telekinetische Fähigkeiten. Was hier nach absolutem Trash klingt, ist ein spaßiger Film, der mit den Sehgewohnheiten bricht.
Quentin Dupieux ist allgemein bekannt für seine skurrilen Filme. Neben RUBBER hat er im Jahr 2019 den Film MONSIEUR KILLERSTYLE veröffentlicht. Hier baut ein Mann, gespielt von OSS-117 Jean Dujardin, eine Beziehung zu einer Hirschlederjacke auf. Er nimmt sich vor, dass seine Jacke die einzige auf der Welt sein soll und beginnt alle anderen zu zerstören. In seinem neusten Film SMOKING CAUSES CANCER, der dieses Jahr auf einigen Festivals für Begeisterung gesorgt hat, geht es um ein Superhelden-Team, dessen gemeinsames Thema das Rauchen ist. Wie man sieht, sind Dupieux‘ Filme voller frischer Ideen und Kreativität. Auch in seinem 2020er Film MANDIBULES, der den furchtbaren deutschen Titel EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN trägt, wagt sich Dupieux in neue Gefilde vor.
Darum geht es…
Der Kleinganove Manu (Grégoire Ludig) bekommt einen Auftrag. Er soll einen Koffer an Punkt A abholen und zu Punkt B bringen. Dazu bekommt er ein schrottiges Auto zur Verfügung gestellt, um den Koffer in den dafür vorgesehenen Kofferraum zu legen. Wenn er seine Aufgabe erfüllt würde er 500 Euro bekommen. Auf dem Weg zum Koffer sammelt er seinen besten Freund Jean-Gab (David Marsais) ein. Sie malen sich aus, was sie alles mit 500 Euro anstellen können, als sie seltsame Geräusche aus dem Kofferraum hören. Als sie die Klappe öffnen entdecken sie eine Fliege, nur ist das Insekt kein normales Ungeziefer, sie ist so groß wie ein Hund. Sofort denken die beiden Ganoven darüber nach, wie man Profit mit diesem ungewöhnlichen Tier machen kann. Sie beschließen die Fliege abzurichten und für sich arbeiten zu lassen. Vielleicht kann sie zukünftig einfach in eine Bank reinfliegen und Geld für die beiden stehlen.
Rezension
Aus der Inhaltsangabe kann man schon herauslesen, dass es sich bei Manu und Jean-Gab nicht um die cleversten Ganoven handelt. Sie schmieden ihre Pläne sehr kurzfristig und scheitern regelmäßig mit ihren Ideen. Wo man andere Filmemacher für ihre dummen Figuren schelten würde, zieht Quentin Dupieux die größten Stärken aus den beiden Hauptfiguren. Manu und Jean-Gab sind vielleicht keine kriminellen Genies und handeln immer wieder moralisch fragwürdig, ihre Schrulligkeit und das dusselige Verhalten macht die beiden Hauptfiguren von EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN allerdings zu den Sympathieträgern. Sie handeln nie aus purer Boshaftigkeit, stattdessen kennen sie nur das Leben, in dem sie von der Hand in den Mund leben und versuchen das Beste aus ihrer Situation mit der Fliege zu machen.
Für einen Film mit einer so skurrilen Prämisse, passiert recht wenig in EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN. Es gibt nur zwei Stationen, an denen der Film spielt, mit einen paar zusätzlichen Nebenschauplätzen. Es gibt einen Wohnwagen, in dem die beiden mit der Dressur beginnen und ein Haus, in dem sie durch eine Verwechslung landen. Auch auf der Handlungsebene passiert nicht viel, allerdings ist der Minimalismus des Films ebenfalls eine Stärke. Dupieux konzentriert sich auf seine Figuren und die Dialoge und lässt so einige unglaublich lustige Momente entstehen. So sehen wir im Film beispielsweise Adèle Exarchopoulos, die ihr schauspielerisches Können bereits in BLAU IST EINE WARME FARBE, unter Beweis stellen konnte. Ihre Figur Agnès hat einen ungewöhnlichen (und sehr absurden) gesundheitlichen Zustand, der die Zuschauer*innen beim ersten Mal aus dem Nichts trifft und immer wieder für Lacher sorgt. (keine Sorge, hier wird sich über keine echte Krankheit lustig gemacht.)
Schritt 1: Fliege dressieren. Schritt 2: … Schritt 3: Profit!
Wir müssen natürlich noch über den Elefanten im Raum, oder besser gesagt, die riesige Fliege, sprechen. Es wurde hier auf eine haptische Puppe gesetzt, damit die Figuren mit dem Tier interagieren können. Auch wenn man erwarten könnte, dass eine Fliegenattrappe billig aussehen würde, wird man überrascht, wie wirkungsvoll das Modell eingesetzt wird und wie viel Liebe fürs Detail eingeflossen ist. Die große Fliege ist das Herzstück des Films und fasst den Humor von EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN perfekt zusammen. Es kann alles passieren, die beiden Hauptfiguren können ein Einhorn-Fahrrad finden, sie können verwechselt werden und die nächsten Tage bei reichen Mittzwanzigern verbringen. Der Film ist voller absurder Momente. Quentin Dupieux macht uns gleich zu Beginn klar, dass wir uns nicht auf eine konventionelle Geschichte einlassen dürfen. Wer hier eine sinnvolle Geschichte aus dem Regie-Lehrbuch erwartet, wird vermutlich wenig Spaß mit dem Film haben, wenn man sich allerdings auf den einzigartigen Stil von Quentin Dupieux einlässt, wird man belohnt werden.
Abgesehen davon, dass Quentin Dupiex EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN inszeniert hat, hat sich der Franzose auch um alles andere gekümmert. Dupieux war als Kameramann tätig und hat einige sehr beeindruckende Bilder eingefangen. Zusätzlich hat er das Drehbuch geschrieben und saß selbst im Schnitt. Was allerdings einen großen Teil zur Stimmung des Films beiträgt und ebenfalls aus dem Kopf des Multitalents stammt, ist der Soundtrack. Wir hören immer wieder Klänge, die uns ein Gefühl für die leichte Stimmung in Südfrankreich vermitteln. Zwischendrin gibt es dann immer wieder Musikstücke, in denen man den Stil von Mr. Oizo erkennt.
Fazit:
EINE FLIEGE KOMMT SELTEN ALLEIN ist ein besonderer kleiner Film, von einem Filmemacher, der für seine skurrilen Werke bekannt ist. Wenn man das weiß und sich auf Dupieux‘ Absurditäten einlassen möchte, wird man sehr viel Spaß mit diesem Film haben. Allerdings wird der Film nicht allen gefallen, solche sehr ungewöhnlichen Stoffe brechen mit den Sehgewohnheiten und können erstmal seltsam wirken. Trotzdem will ich den Rat geben, sich hier aus der Komfortzone zu bewegen und sich auf Quentin Dupieux einzulassen. Wenn man das macht, wird dieser Film sehr belohnend sein. Hier ist ein Film voller Witz entstanden, der uns zwei dümmlich sympathische Hauptfiguren präsentiert und Lust auf mehr macht.
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