Originaltitel: Shin Evangelion Gekijôban
Streamingstart: 13.08.2021
Länge: ca. 165 Minuten
FSK: unbekannt
Produktionsland: Japan
Regie: Mahiro Maeda | Katsuichi Nakayama | Kazuya Tsurumaki
Synchronsprecher:innen: Megumi Ogata | Megumi Hayashibara | Yûko Miyamura
Genre: Action | Sci-Fi | Drama | Anime
Verleih: Amazon Prime Video
Die Fernsehserie NEON GENESIS EVANGELION (1995-1996) gilt als einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Beiträge des Animegenres, welche die Themen der Science-Fiction und des Action-Mechagenres mit tiefgreifend philosophischen und psychologischen Elementen anreicherte. Regisseur Hideaki Anno beschrieb die Serie längst als sein Lebenswerk, als Werk, welches sich unter anderem aus Depressionen heraus zu einer Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sein entwickelt hat. Die Geschichte nur darauf zu beschränken, würde weder der Serie noch dem alternativen Ende NEON GENESIS EVANGELION: THE END OF THE EVANGELION gerecht werden, denn in Serie und Film steckt unglaublich viel Interpretationsstoff, ein Puzzle, wie Anno sagte, welches jede Person ansehen und ihre eigenen Antworten darauf finden kann.
Die vierteilige Rebuild-Saga REBUILD OF EVANGELION sollte die 90er-Jahre-Serie unter der Regie von Anno wiederaufleben lassen. Hatten die ersten beiden Filme EVANGELION: 1.11 – YOU ARE (NOT) ALONE und EVANGELION: 2.22 – YOU CAN (NOT) ADVANCE noch Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Fernsehserie, löste sich der dritte Teil der Reboot-Reihe EVANGELION: 3.33 – YOU CAN (NOT) REDO fast komplett von seinen Wurzeln: nach einem mehrjährigen Zeitsprung waren Figuren nicht mehr wiederzuerkennen und Storyelemente verliefen in neue Richtungen. Wie auch dieser Teil dürfte der vierte und letzte Teil der Neuverfilmung gemischte Gefühle wecken – mit EVANGELION 3.0 + 1.01 – THRICE UPON A TIME ist die Reihe nun auf der Zielgeraden angekommen. Der Film liefert das Ende der Rebuild-Saga und zugleich das dritte Filmende des NEON GENESIS EVANGELION Stoffes.
Die Komplexität und holprige Entstehungsgeschichte des Franchise kann noch viel weiter und detaillierter ausgeführt werden. Nicht ohne Grund finden sich auf diversen Internetseiten zahlreiche Begleittexte zu den Filmen und Serien. Diese Review wird keine umfängliche Analyse des letzten Teiles liefern, sondern ein paar Gedanken zum Abschluss der Reboot-Reihe formulieren. Große Spoiler werden dabei vermieden, kleinere Handlungselemente, wie sie auch in der offiziellen Filmbeschreibung von Amazon Prime Video zu finden sind, können voraus genommen werden. Ab 13.08.2021 ist der letzte Teil samt all seiner Vorgänger auf dieser Plattform zu sehen.
Darum geht es…
Misato und ihre Anti-NERV-Organisation kommen in Paris an, einer Stadt, die durch den Kern rot wurde. Besatzung des Kampfschiffs Wunder landet auf einem Sicherheitsturm. Sie müssen die Stadt in 720 Sekunden instand setzen. Als eine Horde NERV-Evas auftaucht, muss Maris Eva-Einheit 8 einschreiten. Shinji, Asuka und Rei schweifen durch Japan.
Rezension
Den Film ohne seine Vorgänger beziehungsweise ohne seine Ursprünge zu verstehen und zu betrachten, ist eine Herausforderung. Die ersten Minuten liefern einen Kurzrückblick auf die vorangegangenen Filme, doch das so temporeich, dass viele Neueinsteiger des Franchise wohl lieber gleich wieder abschalten. Tatsächlich zeigt er sich besser, wenn man mit der Vorlage, sei es den anderen Rebuild-Filmen oder der Originalserie vertraut ist, um zumindest einen Überblick über die Charaktere zu haben.
Rebuild Charaktere
Nach den folgenschweren Ereignissen von YOU CAN (NOT) REDO ist die Figurengruppe zerschlagen und deutlich mitgenommen. Die erste Hälfte des neuen Film widmet sich nach einem spektakulären Einstieg den eher bodenständigen und kleineren Konflikten und dem Nachbeben der Charaktere. Als Ensemblestück greift der Film viele bekannte Figuren wieder auf, räumt einzelnen Personen deutlich mehr Zeit ein als erwartet, während er andere Auftritte hinter den Erwartungen zurücklässt. Hauptperson Shinji Ikari darf zu Beginn verschlossene Spaziergänge und in sich gekehrte Sitzpositionen ausprobieren und zeigt erst in der zweiten Hälfte deutlich kraftvollere Momente.
Neben ihm werden die Schicksale anderer Charaktere aufgedeckt und weitererzählt, jedoch fehlt in vielen Momenten der Spürsinn für die wirklich tiefsinnigen Themen. Ansätze etwa, wenn Rei Ayanami Denk- und Prozessstrukturen eines Individuums kennenlernt, bleiben teilweise ungewohnt oberflächlich, Charaktere wie Asuka, Mari und Misato erhalten ihre Auftritte und verdiente Kämpfe, bleiben aber hinter dem Impact ihrer ursprünglichen Versionen zurück. Nicht zuletzt der tonale Umschwung einzelner Figuren im dritten Teil und die überschaubare Screentime in diesem Film sorgen dafür, dass einzelne Charaktere nur bedingt über den gelungenen Fanservice hinaus funktionieren.
Mecha vs Freud
Deutlich wuchtiger als noch im monologlastigen Serienfinale zeigt sich die Mecha-Action, deren Ausmaß sich besonders auf der großen Leinwand ausgezahlt hätte. Die Actionszenen sind gut gesetzt, lassen das Mecha-Herz höher schlagen und liefern in farbintensiver und temporeicher Manier blutige und äußerst schonungslose Momente. Optisch präsentieren die Animationen einen eigenen, aber hohen Standard, der Elemente des Franchise zitiert und Komponenten aufwertet, die in der Serie aufgrund mangelnder Mittel noch zu kurz kamen.
Und dennoch entsteht im neusten Teil selten ein Moment, in dem die Bilder eine vergleichbare Schlagkraft entwickeln wie noch in NEON GENESIS EVANGELION oder THE END OF EVANGELION. Selbiges Gefühl schleicht sich auch beim Musikeinsatz ein, der erneut viele Genre bedient, sich neben seinen Klassik-Momenten aber ebenso tonale (sentimental-poppige) Eigenarten leistet.
Die Handlung bietet wie gewohnt Platz für Interpretationsansätze, bleibt in Sachen Komplexität aber hinter den anderen Finalversionen zurück. Standen im Serienfinale charakterbasierte Monologe und Dialoge im Vordergrund, sprengte THE END OF EVANGELION regelrecht die Genregrenzen, bot radikale und kontroverse Storyentscheidungen und durchbrach zugleich mehrere Metaebenen. EVANGELION 3.0 + 1.01 – THRICE UPON A TIME lässt beides in seinen Ansätzen verschmelzen und paart es mit modernen Actionbombast. Dieser ist, wie beschrieben, sehenswert, doch Charaktere und die philosophische und psychologische Dichte der Erzählung erreichen nie das Niveau eines herausragenden Seherlebnisses wie zuvor. Es wirkt komprimiert, und gleichzeitig zeigen sich in deutlich über zwei Stunden auch kleinere Längen. Das Ende trägt seinen Teil zur gespaltenen Auffassung des Filmes bei.
Fazit
Die Zuschauer können dankbar sein, kein Bild für Bild Remake erhalten zu haben, sondern eine Erweiterung. Eine alternative Geschichte, die, wie es die Reihe schon selbst begreift, mehr Rebuild als 1:1 Reboot ist. Die Richtungen sind interessant, böten Stoff für eine ganze Serien-Neuauflage und gipfeln größtenteils zufriedenstellend in diesem Finale. Als Fan der Serie und des END OF EVANGELION bleibt der Abschluss der Rebuild-Saga nach einem starken und überraschenden dritten Teil hinter den Erwartungen zurück. Er ist unterhaltsam anzuschauen, erreicht aber nie wirklich das, wofür ich das Franchise bewundert habe, – lädt aber allemal zum Rewatch der Neuinterpretation ein.
Synchronsprecher:in | Rolle |
Megumi Hayashibara | Rei Ayanami |
Megumi Ogata | Shinji Akari |
Yûko Miyamura | Asuka Langley Shikinami |
Akira Ishida | Kaworu Nagisa |
Fumihiko Tachiki | Gendo Ikari |
Kotono Mitsuishi | Misato Katsuragi |
Maaya Sakamoto | Makinami Mari Illustrious |
Motomu Kiyokawa | Kozo Fuyutsuki |
Yuriko Yamaguchi | Ritsuko Akagi |
Anri Katsu | Hideki Tama |
Hiro Yûki | Makoto Hyuga |
Mugihito | Kiel Lorentz |
Kôichi Yamadera | Ryoji Kaji |
Koki Uchiyama | Ryoji Kaji Jr. |
Mariya Ise | Midori Kitakami |
Hinterlasse einen Kommentar