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Freibad

Freibad ©2022 Constantin Film Verleih

Die Stadt Freiburg im Breisgau besitzt eine Kostbarkeit, die es sonst nirgends mehr in Deutschland zu finden gibt: ein Frauen-Freibad. Diese Besonderheit begründet sich in der Historie, denn bei der Gründung 1841 wurde es noch als Herrenbad betrieben und 45 Jahre später um einen separaten Damenbereich erweitert, um eine stricke Geschlechtertrennung zu erhalten. Um neugierige Blicke abzuhalten, ist der Bereich für die weiblichen Besucher komplett mit Mauern, Hecken und Kabinen umrahmt. Während im Laufe der Geschichte andere Frauen-Freibäder geschlossen oder in Familienbäder umgenutzt wurden, erhielt sich das Lorettobad (so benannt weil es am Fuße des Lorettobergs liegt) dieses Alleinstellungsmerkmal. Stattdessen wurde der Herrenbereich zu einem Familienbad umstrukturiert. Laut Hausordnung gilt jedoch, dass die Frauenregelung nicht für das Personal gilt, weshalb dort ein männlicher Bademeister tätig sein kann, was zeitweise für viel Furore gesorgt hat.

Die in Süddeutschland lebende Doris Dörrie, die vom Magazin Der Spiegel einst als Deutschlands erfolgreichste Regisseurin bezeichnet wurde und in Berlin einen Stern auf dem Boulevard der Stars besitzt, hat sich dieser besonderen Kultur in ihrem neuen Film angenommen. Neben Nilam Farooq, die zuletzt mit Sönke Wortmann die Filme CONTRA und EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT veröffentlichte, ist auch Andrea Sawatzki mal wieder in einer wesentlichen Rolle in einem Kinofilm zu sehen. Seine Weltpremiere feiert der Film zum Zeitpunkt der Review-Veröffentlichung auf dem Filmfest München.

Darum geht es

Im letzten Frauen-Freibad Deutschlands scheint die Welt noch vollkommen in Ordnung zu sein. Die Stammgäste entspannen auf den immergleichen Liegeflächen, die Kinder tollen im Jugendbecken rum, und auf der 25-Meter-Bahn ziehen Frauen ihre Runden unter den wachsamen Augen der Bademeisterin. Seit Jahrzehnten ist hier alles gleichgeblieben. Doch als orthodoxe Muslima aus der Gegend den Ort entdecken, scheint sich alles zu ändern. Für die immer größer werdenden Gruppen ist dieser Ort ein Wunder, denn sie können ohne die Gefahr von männlichen Blicken selbst ein wenig Erholung finden und im Burkini abtauchen. Doch mit ihrem Eintreffen ändert sich plötzlich so einiges, denn die kulturelle Konfrontation gefällt den Freiburgerinnen nicht wirklich, weshalb sie von nun an dafür kämpfen, dass sie ihren heiligen Rückzugsort wieder ganz für sich alleine haben und dabei auch zu fiesen Tricks greifen. Können die Anwohnerinnen diese Auseinandersetzung gewinnen?

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Rezension

Nur selten war ich so geschockt von einem Film, dass ich im Anschluss keine Worte gefunden habe, die ein angemessenes Bild von eben jenem zeichnen konnten. FREIBAD ist so ziemlich das rassistischste, diskriminierendste und antifeministischste Werk, dass ich je gesehen habe. Und als wäre dies noch nicht genug, strotz dieser Film vor inhaltlicher Dummheit und Maßlosigkeit. Es ist vollkommen unfassbar, was uns hier aufgetischt wird, und es sollte sogar soweit gegangen werden, dass eine Veröffentlichung dieses Films strafrechtlich geprüft werden müsste, auch wenn eine Beschwerde wohl mit künstlerischer Freiheit abgetan werden würde. Es ist eine Zumutung, dass Menschen diesen Streifen sehen könnten und womöglich in den Irrglauben versetzt werden, dass es vollkommen in Ordnung sei, was hier gezeigt wird.

Freibad

Freibad ©2022 Constantin Film Verleih

Doch werfen wir einmal einen genaueren Blick auf diese Katastrophe. Offenbar hantiert Drehbuchautorin und Regisseurin Doris Dörrie mit einer Vorlage, die für sich ohnehin schon viel diskutablen Stoff enthält, denn mehrfach haben in dem im Film nicht namentlich benannten Schwimmbad schon Polizeieinsätze stattfinden müssen, die massive Differenzen beendeten. Nun wäre es in einer filmischen Umsetzung natürlich fahrlässig, auf solche Punkte nicht einzugehen, doch es gibt ganz klare Unterschiede in der Darstellungsweise von rassistischen und anderweitig verachtenden Dialogen. Schon eine simple Texttafel zu Beginn, die darauf hinweist, dass diverse Dialoge unverändert übernommen wurden oder zumindest Teile einer realen Historie entspringen, könnte dem Publikum suggerieren, dass dargestellte Szenen nicht dem Weltbild des Filmteams entstammen. Darauf wird hier jedoch bewusst verzichtet, was zur Folge hat, dass ein großes Publikum, welches nicht mit der Geschichte des Freibads vertraut ist, den Eindruck kriegen kann, hier würden Volksgruppen zielgerichtet diffamiert.




Diverse Hasstiraden

Der perfide Rassismus äußert sich auf verschiedenste Arten. So werden Eintrittspreise nur für Burka tragende Personen massiv erhöht und im Anschluss gleich wieder gesenkt, direkte und indirekte Konfrontationen gesucht, die sowohl Religion als auch Herkunft in den Schmutz ziehen und ein Feuerwerk von Klischees abgefeuert, welches es in diesem Umfang wohl nur selten zu sehen gibt. Hierbei sei jedoch angemerkt, dass diese feindlichen Ereignisse sich nicht nur auf Muslimas beziehen, sondern auch auf andere Ethnien oder gar sexuelle Orientierungen. Überraschenderweise gibt es nur eine einzige Sache, die hier recht lobenswert ist, denn wir bekommen einen diversen Cast, der unter anderem auch ein breites Spektrum von Körperproportionen umfasst. Bodyshaming wird zwar wiederum verbal thematisiert, aber die Filmemacherin ist sich nicht zu schade, auch eine beleibte Frau in unvorteilhaften Posen zu zeigen, ohne daraus sogleich einen schamlosen Gag gestalten zu wollen.

So sitzen die auch in unserem Schatten. Ich meine die kommen aus der Wüste, da haben sie auch kein Schatten.<span class="su-quote-cite">Freibad</span>

Freibad

Freibad ©2022 Constantin Film Verleih

Tatsächlich ist dies nämlich die nächste Tragödie: All die verwerflich genannten Punkte werden mit einem billigen Gag abgetan und egalisiert, statt sie einfach in den Raum zu stellen oder gar direkt zu kritisieren. FREIBAD versucht, aus jeder noch so überflüssigen Szenen einen uncharmanten Witz herauszuziehen, dies mit der Klassifizierung als Satire zu rechtfertigen, und scheitert dabei auf allen Ebenen. Weder sind die Scherze lustig, noch logisch oder begründet. So muss das Publikum einer aufgewühlten Meute mehrere Minuten lang dabei zusehen, wie diese sich darum streitet, wer in den Pool geschissen hat. Als wäre das noch nicht genug, bekommen wir nahezu jeden unwürdigen Joke über eine Kackwurst an den Kopf gesemmelt, den es nur gibt, was dazu führt, dass diese Szene gefühlt kein Ende zu finden scheint.

Freibad

Freibad ©2022 Constantin Film Verleih

Schockierend auf allen Ebenen

Doch bisher haben wir uns nur auf die inhaltlichen Problematiken fokussiert. Auch technisch steht FREIBAD nicht besser da und wäre somit selbst ohne Diskriminierung ein absoluter cineastischer Reinfall. Sei es die Profischwimmerin, die nicht mal die einfachsten Schwimmtechniken richtig beherrscht, die Bademeisterin, die immer am Schlafen ist und ihre Pfeife als Richterhammer nach jedem Wort erklingen lässt, die Grillmeisterin, die denkt, dass ein Grill einfach durch abwischen Halal wird oder die Kassiererin, die sich die ganze Zeit bestechen lässt und immer irgendwelchen neuen Blödsinn faselt. An allen Ecken bietet das Werk unfassbar viel Fremdschampotential und Dummheiten, die nicht erklärbar sind. Zwar ist es durchaus lobenswert zu erwähnen, dass eine der Figuren sich nicht für ihre Achselbehaarung schämt, doch dieser Moment wird sogleich dadurch zerstört, dass diese eine vollkommen unerklärliche Türkisfärbung besitzt. Selbst wenn also eine solche Überzeichnung in ausnahmslos allen Szenen angestrebt wurde, geht der Schuss nach hinten los.

Fazit

Es ist eine absolute Dreistigkeit, dass so etwas ausgestrahlt wird und sogar bei einem Filmfestival als Weltpremiere zu sehen ist. Damit werden moderne Frauenbilder und hart erarbeitete Umgangsformen wieder eiskalt zurück in die Steinzeit befördert, während sich das Publikum über solch widerwärtige Inszenierungen scheckiglachen soll, was glücklicherweise nicht geschehen kann, weil das Werk auch noch vollkommen unlustig ist. Ein Zweck ist leider absolut nicht erkennbar, wodurch fragwürdig ist, wie ein Filmverleih so eine Produktion durchwinken konnte und unzählige deutsche Förderfonds der Ansicht waren, dass eine finanzielle Unterstützung doch angebracht sei. FREIBAD ist eine Beleidigung für das Niveau des deutschen Films, der ohnehin schon nicht den besten Ruf besitzt.

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