Originaltitel: Stealing Beauty
Kinostart: 26.09.1996
DVD/Blu-ray – Release: 08.07.2021
Länge: ca. 118 Minuten
Produktionsland: Italien | Frankreich | Vereinigtes Königreich
Regie: Bernardo Bertolucci
Schauspieler:innen: Jeremy Irons | Liv Tyler | Carlo Cecchi
Genre: Drama | Mystery | Romanze
Verleih: Koch Films
Der umstrittene Regisseur Bernardo Bertolucci, welcher im November 2018 verstarb, hat lange Zeit gebraucht seinen eigenen Stil zu finden und zu entwickeln. Dieser entwickelte sich jedoch in eine Richtung, die unter Kritikern teilweise recht umstritten war, denn üblicherweise sind seine Filme geprägt davon, dass männliche Figuren im Mittelpunkt stehen und Frauen nur für die klassischen Geschlechterrollen herhalten. Ansonsten galten seine Filme stets als eigene kleine Kunstform, bei welchen gerade visuell alles strickt durchgeplant war. Hingegen in der Umsetzung betrachtete Bertolucci die Drehbücher eher als groben Leitfaden, während beim Dreh dann doch viel mehr Freiheiten existierten und eine Szene perfekt auf die Umgebung und die Darstellenden zugeschnitten wurde. Sein wohl größtes filmisches Werk wurde DER LETZTE KAISER, für welchen er zwei Golden Globe Awards und zwei Oscars gewann. Zudem bekam er einen Stern auf dem Walk of Fame.
Mit GEFÜHL UND VERFÜHRUNG wurde zudem einer jungen Schauspielerin der Weg für eine große Karriere geebnet. Als einer der ersten Filme von Liv Tyler konnte sie hier beweisen, dass sie für die großen Produktionen geschaffen ist und hat seither unter anderem in Kinoerfolgen wie DER HERR DER RINGE, ARMAGEDDON – DAS JÜNGSTE GERICHT und AD ASTRA – ZU DEN STERNEN mitgewirkt. Für Jeremy Irons hingegen wirkt die Teilnahme am hiesigen Werk eher wie ein kleiner Ausgleichsfilm nach mehreren Erfolgen hintereinander. In den Jahren zuvor war Irons in STIRB LANGSAM: JETZT ERST RECHT zu sehen und im Animationshit DER KÖNIG DER LÖWEN zu hören.
Darum geht es…
Der 19jährigen Lucy bleibt kaum etwas anderes übrig als eines Sommers aus Amerika wegzugehen und sich in die Toskana zurückzuziehen. Einerseits, weil in der Heimat gerade ihre Mutter Selbstmord begangen hat, andererseits weil sie darauf hofft in Italien ihren Vater wieder zu finden und dort eine unbeschwerte Zeit zu verbringen, die sie an früher erinnern soll. Angekommen in der Villa ihrer Freunde, trifft sie auf viele alte Bekannte und ist angesichts der gelebten Freizügigkeit anfangs recht überrascht. Doch schnell soll sich die Zeit als der schönste Sommer ihres Lebens herausstellen und ihre Wünsche, mit denen Sie dort hingefahren ist, sollen allesamt erfüllt werden.
Rezension
GEFÜHL UND VERFÜHRUNG ist ein Liebesdrama der besten Art und erinnert sehr schnell an den Erfolgshit CALL ME BY YOUR NAME. Beide Werke weisen große Parallelen in der Stimmung, der Farbgebung, dem Pacing und den transportierten Eindrücken auf. So schafft es Bertolucci schon vor Einblendung des Textzuges, welcher uns verrät, dass die Handlung in der Toskana spielt, durch die Bildgestaltung die Lokalität fühlbar zu machen und die Information des Ortes überflüssig werden zu lassen. Da dies anfangs in einem sehr kleinen Bildformat zu sehen ist, wird uns damit schnell suggeriert, dass es sich um eine Art Urlaub handelt, bei welchem gewisse Momente durch eine Handkamera festgehalten werden. Somit wird bereits früh recht viel Inhalt transportiert, ohne diesen ausdrücklich zu benennen oder gar stattfinden zu lassen.
Bertolucci postulierte einmal, dass ein Film dem Gedicht näher sei als einem Roman. Genau diesen Eindruck transportiert er hier durch die Art, wie Dialoge ihren Einsatz finden, getimet und in Szene gesetzt werden. In allem was wir zu sehen und zu hören bekommen steckt eine gewisse Sinnlichkeit und Liebe zum Detail. Dabei hält die Kamera fast unentwegt auf Hauptdarstellerin Liv Tyler, die eine hervorragende Art hat ihre Figur zum Leben zu erwecken. Insbesondere die harmonische Spielweise zusammen mit Jeremy Irons funktioniert wunderbar und macht neugierig auf mehr. Die persönliche Bindung transportiert das Gefühl einer innigen Freundschaft, die auf anderen Ebenen als der klassischen Bekanntschaft fruchtet und fast schon einem Vaterkomplex gleicht.
Wie gemalt
Während das Bild zumeist in orange/gelbes-Licht getaucht ist und daher die dort vorherrschende Hitze regelrecht spürbar wird, sind die Aufnahmen sonst eher recht schlicht gehalten und zeigen uns kein besonderes Spiel mit der Kamera oder dem Szenenbild. Dennoch wirkt die Villa einerseits recht ärmlich, andererseits sehr üppig bestückt und liefert uns somit ein interessantes Kontrastbild. Auch in der Soundgestaltung setzt man zumeist eher auf die ruhigeren Töne und sorgt somit dafür, dass sich die Atmosphäre allmählich immer besser entwickeln kann.
Zudem wirkt GEFÜHL UND VERFÜHRUNG wie ein Gesamtkunstwerk. Viele Szenen sind durch die enorme Farbenpracht regelrecht mit Gemälden vergleichbar. Auch im Film selbst werden Skulpturen gezeigt vom Bildhauer Ian, die extra dafür vom Bildhauer Matthew Spender repliziert wurden. Tanz und Sinnlichkeit, die sich zudem auch in Freizügigkeit äußert, sind ebenfalls recht markant und entführen uns in eine andere Welt. Tatsächlich war es Bertoluccis Ansinnen hier eine Darstellung zu finden, die einem Urlaubsbesuch in Italien gleicht, dem Land, welchem er selbst den Rücken gekehrt hatte und welches er nach über 10 Jahren wieder von neuem kennen lernen wollte. Zudem plätschert die Story dahin wie in einem sanften Springbrunnen das Wasser und ist geprägt von enormer Leichtigkeit. Dabei wirkt nichts in diesem Werk erzwungen und es ist problemlos möglich sich mit den Figuren zu identifizieren – jedenfalls mit Liv Tylers Darstellung.
Es ist noch Luft nach oben
Dennoch gibt es durchaus auch Kritik, die auch angebracht ist, denn tatsächlich wird wieder einmal die Frau mehr oder minder als reines Lustobjekt betrachtet, um welches von gleich mehreren Männern auf unterschiedlichste Weise gebuhlt wird. Hierbei steht im Fokus, dass sie ihre eigene Jungfräulichkeit verlieren möchte, was wiederum als Altherrenfantasie, aber eben auch natürlichem Werdegang bezeichnet werden kann. Es ist jedoch viel mehr ein Film, der nicht sehr lange im Gedächtnis bleibt. Er ruft nette Erinnerungen hervor, kann sich jedoch nicht manifestieren und wird zudem für viele Zuschauende viel zu eintönig erzählt sein, umschlossen von einer an sich nichtexistierenden Handlung.
Fazit
Traumhaft schön anzusehen und dahingleitend wie ein Segelflieger durch die Lüfte, entführt uns GEFÜHL UND VERFÜHRUNG scheinbar in eine andere Welt. Diese ist geprägt von Entspannung und einem sorgenfreien Leben, in welchem einfach alles möglich ist. Diese Welt ist jedoch zu schön, um wahr zu sein und enthält uns letztlich jegliche großen Aufreger, weshalb dies absolut kein Film ist, bei dem es etwas zu erleben gibt, sondern eher ein Werk um selbst innere Ruhe zu finden und zu genießen. Da insbesondere Liv Tyler und Jeremy Irons hervorragend harmonieren, fällt es leicht den Film zu empfehlen, auch wenn es durchaus auch einige Kritikpunkte zu finden gibt.
Auch wenn wir gerade wieder ein wenig kühle Luft zu spüren bekommen, wird euch dieser Film sofort wieder einheizen. Bernardo Bertolucci präsentiert uns einen Film, in dem die Hitze und Leidenschaft regelrecht spürbar wird und bei dem eine unglaubliche innere Ruhe zu erkennen ist, welche sich sofort auf den Zuschauenden überträgt. Sowohl das Setting als auch die Bildgestaltung gleichen stets einem Kunstwerk und entführen uns beinahe in eine andere Welt, die geprägt ist von Romantik und Lebensfreude. Durchaus kommen hier schnell Vergleiche zu CALL ME BY YOUR NAME in Betracht und scheinen auch nicht gerade weithergeholt. Auch wenn das Pacing nicht alle Gemüter befriedigen wird und immer wieder Altherrenphantasien eingestreut sind, so ist GEFÜHL UND VERFÜHRUNG doch ein charmanter leichter Film, der auch ohne eine große Handlung überzeugen kann.
Original title: Stealing Beauty
Theatrical release: 26.09.1996
DVD/Blu-ray – Release: 08.07.2021
Length: approx. 118 minutes
Country of production: Italy | France | United Kingdom
Director: Bernardo Bertolucci
Actors: Jeremy Irons | Liv Tyler | Carlo Cecchi
Genre: Drama | Mystery | Romance
Distributor: Koch Films
The controversial director Bernardo Bertolucci, who died in November 2018, took a long time to find and develop his own style. However, this developed in a direction that was sometimes quite controversial among critics, because usually his films are characterized by the fact that male characters are the focus and women only serve for the classic gender roles. Otherwise, his films were always considered a small art form of their own, in which everything was strictly planned out, especially visually. In the implementation, however, Bertolucci regarded the scripts more as a rough guideline, while during filming there was much more freedom and a scene was perfectly tailored to the environment and the actors. Probably his greatest cinematic work was THE LAST EMPEROR, for which he won two Golden Globe Awards and two Oscars. He also received a star on the Walk of Fame.
With STEALING BEAUTY, a young actress was paved the way for a great career. As one of Liv Tyler‘s first films, she was able to prove that she was made for the big productions and has since starred in such box-office successes as THE LORD OF THE RINGS, ARMAGEDDON and AD ASTRA. For Jeremy Irons, on the other hand, participation in the local work seems more like a small compensatory film after several successes in a row. In the years before, Irons could be seen in DIE HARD WITH A VENEGEANCE and heard in the animated hit THE LION KING.
That’s the story about
19-year-old Lucy has little choice but to leave America one summer and retreat to Tuscany. On the one hand, because her mother has just committed suicide in her homeland, on the other hand, because she hopes to find her father again in Italy and spend a carefree time there that will remind her of earlier times. Arriving at the villa of her friends, she meets many old acquaintances and is initially quite surprised in view of the lived permissiveness. However, it soon turns out to be the most beautiful summer of her life and the wishes she went there with are all to be fulfilled.
Review
STEALING BEAUTY is a romantic drama of the best kind and is quickly reminiscent of the successful hit CALL ME BY YOUR NAME. Both works have great parallels in mood, coloring, pacing and the impressions conveyed. Bertolucci manages to make the location palpable through the image design even before the text train fades in, which tells us that the action takes place in Tuscany, and makes the information of the location superfluous. Since this is initially seen in a very small image format, it quickly suggests to us that this is a kind of vacation in which certain moments are captured by a handheld camera. Thus, quite a lot of content is transported early on without explicitly naming it or even letting it take place.
Bertolucci once postulated that a film is closer to a poem than to a novel. This is exactly the impression he conveys here through the way dialogues are used, timed and staged. There is a certain sensuality and attention to detail in everything we see and hear. At the same time, the camera is almost constantly on lead actress Liv Tyler, who has an excellent way of bringing her character to life. In particular, the harmonious acting together with Jeremy Irons works wonderfully and makes you curious for more. The personal bond conveys the feeling of an intimate friendship that fructifies on other levels than the classic acquaintance and almost resembles a father complex.
Like a painting
While the picture is mostly bathed in orange/yellow light and therefore the prevailing heat there is downright palpable, the shots are otherwise kept rather simple and don’t show us any particular play with the camera or the scenery. Nevertheless, the mansion looks quite poor on the one hand, but on the other hand very lavishly furnished and thus provides us with an interesting contrast image. The sound design also relies more on the quieter tones for the most part and thus ensures that the atmosphere can gradually develop better and better.
In addition, STEALING BEAUTY seems like a complete work of art. Many scenes can be compared to paintings because of the enormous colorfulness. Also in the film itself sculptures are shown by the sculptor Ian, which were replicated especially for this by the sculptor Matthew Spender. Dance and sensuality, which also manifests itself in permissiveness, are also quite striking and transport us to another world. In fact, Bertolucci’s intention here was to find a representation that resembles a vacation visit to Italy, the country to which he himself had turned his back and which he wanted to get to know anew after more than 10 years. In addition, the story ripples along like the water in a gentle fountain and is characterized by enormous lightness. Nothing in this work seems forced and it is easy to identify with the characters – at least with Liv Tyler’s portrayal.
There is still room for improvement
Nevertheless, there is also some criticism, which is appropriate, because once again the woman is more or less seen as a pure object of lust, which is courted by several men in different ways. The focus here is that she wants to lose her own virginity, which in turn can be described as an old man’s fantasy, but also a natural progression. However, it is much more a film that does not stay in the memory for very long. It evokes nice memories, but can’t manifest itself and, moreover, for many viewers it will be far too monotonously narrated, enclosed in a plot that is non-existent in itself.
Conclusion
Beautiful to look at and gliding like a glider through the air, STEALING BEAUTY seemingly takes us into another world. This is characterized by relaxation and a carefree life in which simply everything is possible. This world, however, is too good to be true and ultimately contains any major excitement for us, which is why this is absolutely not a film in which there is anything to experience, but rather a work to find inner peace and enjoy yourself. Since Liv Tyler and Jeremy Irons in particular harmonize excellently, it is easy to recommend the film, even though there are definitely some points of criticism to be found.
Schauspieler:in | Rolle |
Jeremy Irons | Alex |
Liv Tyler | Lucy Harmon |
Carlo Cecchi | Carlo Lisca |
Sinéad Cusack | Diana |
Joseph Fiennes | Christopher |
Jason Flemyng | Gregory |
Anna Maria Gherardi | Chiarella Donati |
Jean Marais | M. Guillaume |
Donal McCann | Ian |
D. W. Moffett | Richard |
Ignazio Oliva | Osvaldo Donati |
Stefania Sandrelli | Noemi |
Francesco Siciliano | Michele Lisca |
Mary Jo Sorgani | Maria |
Rebecca Valpy | Daisy |
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