Newport ist eine kleine Stadt an der Ostküste der USA, die heute gerade einmal rund 24.000 Einwohner hat. In der etwa 400-jährigen Geschichte hat der Ort einige Höhen und Tiefen erlebt und galt einst als wohlhabende und aufstrebende Handelsstadt. In der heutigen Zeit ist das Fleckchen hauptsächlich nur noch für seine luxuriösen Villen bekannt, sowie für das Newport Folk Festival und Newport Jazz Festival. Letzteres wurde 1954 durch George Wein erstmalig ausgetragen und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. JAZZ AN EINEM SOMMERABEND ist eine Dokumentation, die auf eben jenem Festival im Jahr 1958, also nur vier Jahre nach erstmaliger Organisation, aufgezeichnet wurde. Gefilmt hat das Ganze vor allem Bert Stern, der als Fotograf weltberühmt wurde durch seine Aufnahmen mit Marilyn Monroe. Dieser fungierte zudem auch als Produzent und Regisseur. Dies sollte jedoch sein einziges filmisches Werk darstellen, auch wenn er kurz vor seinem Tod noch an LOVE, MARILYN mitgewirkte.
Darum geht es…
Die Dokumentation zeigt im Prinzip keine konkrete Geschichte, sondern setzt sich eher aus Eindrücken und Erlebnissen zusammen, die Bert Stern während des Festivals einfing. Im Fokus steht dabei die Jazzmusik, sowie die vielen großen Künstler, die 1958 bei dem Festival auftraten. Neben dem Jimmy Giuffre Trio, dem Chico Hamilton Quintet sowie dem George Shearing Quintett, traten dort Größen der Musikszene auf, wie Mahalia Jackson, Chuck Berry und sogar Louis Armstrong. Parallel zum Jazzfestival wurde zudem eine Segelregatta ausgetragen, für die das kleine Städtchen ebenfalls über 50 Jahre lang berühmt war. Dies sorgte dafür, dass reichlich Trubel im Ort war, und Stern statt einer einfachen Fotoreihe das ganze filmisch einfing und schließlich in dieser Form auch veröffentlichte.
Rezension
Jazz hat in vielen Regionen der USA eine enorm große Bedeutung eingenommen und prägt die Menschen bis heute. Nach Europa ist dieses musikalische Phänomen nicht ganz so herüber geschwappt, auch wenn sich hier ebenfalls viele Anhänger gefunden haben. Auch in Deutschland gibt es immer wieder kleinere und größere Jazzfestivals, wie zum Beispiel das charmante Event Quedlinburg Swingt, welches alljährlich in der kleinen Stadt in Sachsen-Anhalt ausgerichtet wird. Die vielen gemütlichen und altertümlichen Hinterhöfe dienen der Veranstaltung ein Wochenende lang für musikalische Größen aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Highlight der Veranstaltung ist unweigerlich der Dixie-Train, bei dem die Harzer Schmalspur Bahn mit mehreren Waggons plötzlich zur fahrenden Spielstätte und in gemütlicher Runde können die Fahrgäste während der Fahrt ins Selketal die wundervolle Live-Musik genießen.
Ich selbst habe nur wenige Berührungspunkte mit dem Musikgenre zu verzeichnen. Sowohl ein Besuch bei Quedlinburg Swingt sowie ein früheres Jazzkonzert prägen meine Erfahrungen und beides sind nette Erinnerungen, doch bleibt die große Liebe für das Genre bis heute aus. Auch die Dokumentation JAZZ AN EINEM SOMMERABEND kann diese nicht in mir wecken, was wohl ganz klar daran liegt, dass der Jazz hier nur zu einem schnöden Beiwerk wird, obwohl dieser doch eigentlich im Mittelpunkt steht. Lange Zeit ist der Film geprägt durch den Smooth Jazz, der sich durch deutlich entspanntere Klänge auszeichnet als viele andere Unterkategorien der Musikrichtung. Schon hier wird deutlich, dass weder ein dokumentarischer noch ein musikalischer Ansatz für den Regisseur interessant waren, sondern schlichtweg ein visueller, der mehr oder minder zufällig mit der Jazzmusik einher geht.
Smoothe Unterhaltung ohne swingende Dokumentation
Während die musikalischen Werke in der Regel dezent im Hintergrund laufen, sehen wir unterschiedlichste Perspektiven auf Newport, die Menschen und das rege Treiben vor Ort. Stern zeigt uns Aufnahmen von wartenden oder mitfiebernden Menschen, von der Segelregatta, die nebenan stattfindet, von Musikern und ihrer Freude an ihren Auftritten, von Reisenden und von privaten kleinen Konzerten. Es gibt eine große Vielfalt, die wir zu sehen bekommen, doch wie schon erkennbar ist, stellt der musikalische Aspekt nur einen sehr geringen Anteil dar, weshalb hier absolut nicht von einem Konzertfilm gesprochen werden kann. Anthologieartig versucht Stern viele kleine visuelle Geschichten einzufangen und wirken zu lassen. Die einzige Gemeinsamkeit all dieser Aufnahmen ist das Jazzfestival.
Der Dokumentation fehlt es somit völlig an einer erzählerischen Grundlage – es ist weder eine Berichterstattung über die Musik noch eine klare Episodengeschichte. Wir erfahren nichts wirklich wissenswertes und lassen uns einzig und allein treiben von dem Gezeigten. Viele Sequenzen wirken fast wie Hobby- oder Fanaufnahmen und scheinen keinem roten Faden zu folgen, außer dem regulären Festivalablauf. Somit ist die Berechtigung als dokumentarischer Musikfilm zu gelten, doch sehr in Frage zu stellen. Viel eher ist dies ein umfangreicher Eventmitschnitt. Sehr gerne hätte ich mehr von den Musikschaffenden gesehen, von den Geschehnissen hinter den Kulissen, von der Organisation. Dies bleibt uns jedoch verwehrt. Im 1,37:1 Bildformat und somit einer fast quadratischen Darstellung, bleibt leider viel zu viel von dem aus, was der Titel verspricht, auch wenn gegen Ende hin der Jazz deutlich rasanter wird und auf Grund der nächtlich eingeschränkten Sicht sich die Bilder vor allem auf das Konzert konzentrieren.
Fazit
Diese Dokumentation ist wohl somit ein Film der Erwartungshaltung. Sollte das Publikum sich einen wissenswerten Einblick in die Jazzvergangenheit der Stadt Newport erhoffen, so wird es recht enttäuscht sein. Sollte man sich 88 Minuten voller Jazzerfahrung hoffen, so wird ebenfalls der Wunsch nur im Ansatz befriedigt. Sollte man jedoch einfach ein wenig Jazzfeeling erleben wollen und dabei kleine visuelle Eindrücke sehen wollen, so mag der Film genau das Richtige sein. JAZZ AN EINEM SOMMERABEND bietet ein paar nette Blicke auf große Stars der Jazzmusik und treibt so vor sich hin. Meiner Ansicht nach ist der Film perfekt dafür geeignet, einfach im Hintergrund bei den häuslichen Tätigkeiten zu laufen, denn jeglicher intensive Genussfokus bleibt ansonsten eher aus.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Wenn Louis Armstong auftrat, dann bebte die Bühne und er riss mit seiner Leidenschaft für das Musikgenre Jazz die Menschen geradezu mit sich. Auch in JAZZ AN EINEM SOMMERABEND beweist er eben jenes Talent wieder grandios und liefert eine unvergessliche Show. Leider jedoch dauert diese nur sehr kurz an, denn er muss sich beim Newport Jazz Festival von 1958 die Bühne mit vielen anderen großen Musikschaffenden teilen. Regisseur, Produzent und Kameramann Bert Stern hat versucht die Seele eben jenes Festivals einzufangen und auf Film zu bannen. Dies ist ihm jedoch nur mäßig gelungen, denn es ist deutlich herauszuspüren, dass seine Leidenschaft nicht dem Jazz, sondern der Kamera gilt. So fängt er während dieses Events viele kleine Szenerien am Rande der Veranstaltung ein und präsentiert diese uns in einem Anthologie-Zusammenschnitt, vergisst dabei jedoch, dass er eigentlich die Kraft der Musik zeigen wollte.
So schwebt der Film lange Zeit auf harmonischem Smooth Jazz einfach dahin, ohne wirklich mitzureißen und schafft es erst im letzten Abschnitt ein wenig aufzudrehen und die Begeisterung der Jazzkünstler:innen auch auf das Publikum zu übertragen. Für einen sanften Genuss nebenbei, ist der Film durchaus geeignet, auch wenn hier die Tonspur völlig reichen würde. Die kleinen visuellen Geschichten wirken eher wie ein zusammengesetzter Urlaubsmitschnitt und zeigen für sich gesehen zwar nette Szenerien, bieten aber dennoch nichts wirklich Erwähnenswertes. Somit ist das ganze Werke nicht halbes und nichts Ganzes und ist zwar für den Genuss an sich geeignet, aber nicht für eine intensive filmische Betrachtung.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Newport is a small town on the east coast of the USA that today has just around 24,000 inhabitants. In its 400-year history, the town has experienced some ups and downs and was once considered a prosperous and up-and-coming trading town. Today, the town is mainly known for its luxurious mansions, the Newport Folk Festival and the Newport Jazz Festival. The latter was first staged in 1954 by George Wein and still enjoys great popularity today. JAZZ ON A SUMMER’S DAY is a documentary recorded at that very festival in 1958, just four years after it was first organised. The whole thing was filmed by Bert Stern, who became world-famous as a photographer for his photos with Marilyn Monroe. He also acted as producer and director. However, this was to be his only cinematic work, even though he was involved in LOVE, MARILYN shortly before his death.
What it’s about…
In principle, the documentary does not show a concrete story, but is rather composed of impressions and experiences that Bert Stern captured during the festival. The focus is on jazz music and the many great artists who performed at the 1958 festival. In addition to the Jimmy Giuffre Trio, the Chico Hamilton Quintet and the George Shearing Quintet, greats of the music scene such as Mahalia Jackson, Chuck Berry and even Louis Armstrong performed there. Parallel to the jazz festival, a sailing regatta was also held, for which the small town was also famous for over 50 years. This ensured that there was plenty of hustle and bustle in the town, and Stern captured the whole thing on film rather than a simple series of photographs and eventually published it in this form.
Review
Jazz has taken on enormous significance in many regions of the USA and continues to shape people to this day. This musical phenomenon has not spilled over to Europe in quite the same way, even though many followers have also found their way here. In Germany, too, there are always smaller and larger jazz festivals, such as the charming event Quedlinburg Swingt, which is held annually in the small town in Saxony-Anhalt. The many cosy and ancient backyards serve the event for a weekend of musical greats from all over Germany and beyond. The highlight of the event is inevitably the Dixie Train, where the Harz narrow-gauge railway with several carriages suddenly becomes a moving venue and passengers can enjoy the wonderful live music in a cosy atmosphere during the journey into the Selke Valley.
I myself have only had a few encounters with the music genre. Both a visit to Quedlinburg Swingt and an earlier jazz concert shape my experiences and both are nice memories, but the great love for the genre remains absent to this day. The documentary JAZZ ON A SUMMER’S DAY can’t awaken it in me either, which is clearly due to the fact that the jazz here is only a disdainful accessory, although it is actually the focus. For a long time, the film is dominated by smooth jazz, which is characterised by clearly more relaxed sounds than many other subcategories of the music genre. Already here it becomes clear that neither a documentary nor a musical approach was of interest to the director, but simply a visual one that goes along with the jazz music more or less by chance.
Smooth entertainment without a swinging documentary
While the musical works generally run discreetly in the background, we see a wide variety of perspectives on Newport, the people and the bustle of the place. Stern shows us shots of people waiting or cheering along, of the sailing regatta taking place next door, of musicians and their enjoyment of their performances, of travellers and of private small concerts. There is a great variety that we get to see, but as can already be seen, the musical aspect represents only a very small part, which is why we can absolutely not speak of a concert film here. Like an anthology, Stern tries to capture many small visual stories and make them work. The only thing all these shots have in common is the jazz festival.
The documentary thus completely lacks a narrative basis – it is neither a report on the music nor a clear episode story. We learn nothing really worth knowing and let ourselves drift solely by what is shown. Many sequences seem almost like hobby or fan footage and don’t seem to follow any thread except the regular festival schedule. Thus, the justification to be considered a documentary music film is to be questioned. This is much more like an extensive event recording. I would have loved to see more of the musicians, of what happens behind the scenes, of the organisation. However, we are denied this. In the 1.37:1 picture format and thus an almost square presentation, there is unfortunately far too much of what the title promises, even if towards the end the jazz becomes much more racy and due to the nightly limited view the pictures concentrate mainly on the concert.
Conclusion
This documentary is thus probably a film of expectation. Should the audience hope for an insight worth knowing about the jazz past of the city of Newport, they will be quite disappointed. Should they hope for 88 minutes of jazz experience, they will also be only partially satisfied. However, should one simply want to experience a little jazz feeling and see small visual impressions, the film may be just the thing. JAZZ ON A SUMMER’S DAY offers a few nice glimpses of great stars of jazz music and drifts along. In my opinion, the film is perfect for simply running in the background during domestic activities, because any intense focus of enjoyment is otherwise rather absent.
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Originaltitel | Jazz on a Summer’s Day |
Kinostart | 1959 |
DVD – Release | 10.12.2021 |
Länge | ca. 88 Minuten |
Produktionsland | USA |
Genre | Dokumentation | Musikfilm |
Verleih | Rapid Eye Movies |
FSK | unbekannt |
Regie | Bert Stern | Aram Avakian |
Drehbuch | Albert D’Annibale | Arnold Perl |
Produzierende | Bert Stern | Harvey Kahn | George Wein |
Kamera | Bert Stern | Courtney Hafela | Raymond Phelan |
Schnitt | Aram Avakian |
Musik | Interpret |
Train and The River | Jimmy Giuffre Trio |
Blue Monk | Thelonius Monk | Henry Grimes |
Blues | Sonny Stitt | Sal Salvadore |
Sweet Georgia Brown Tea For Two |
Anita O’Day | John Poole | Jimmy Jones | Whitney Mitchell |
Rondo | George Shearing Quintett |
All of Me | Dinah Washington | Terri Gibbs | Urbie Green | Max Roach |
Catch as Catch Can | Gerry Mulligan | David Baily | Bill Crow | Art Farmer |
I Ain’t Mad At You | Big Maybelle | Buck Clayton |
Sweet Little Sixteen | Chuck Berry | Rudy Rutherford | Jo Jones |
Blue Sands | Chico Hamilton Quintet |
Lazy River Tiger Rag Saints Go Marching In |
Louis Armstrong | Danny Barcelona | Peanuts Hucko | Trummy Young |
Rockin’ Chair | Louis Armstrong | Jack Teagarden |
Shout All Over Didn’t Rain Lord’s Prayer |
Mahalia Jackson | Mildred Fells |
Dixieland | Eli’s Chosen Six (Yale Jazz Band) |
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