Die Award-Season hat begonnen und pünktlich zu dieser bringt Paul Thomas Anderson seinen neusten Coup in die Kinos. Gerade noch rechtzeitig starte der Film in den USA am 25.12. in den Kinos und konnte so bereits die ersten vier Nominierungen für die Golden Globes einheimsen, aus denen jedoch keine Auszeichnung folgte. Doch konnte er sich zumindest in den vier wichtigsten Kategorien festsetzen – Bester Film, Bester Hauptdarsteller, Beste Hauptdarstellerin und Bestes Drehbuch. Da der Film schon jetzt unter Kritikschreibenden ein großer Erfolg ist, werden mit großer Sicherheit auch ähnliche Nominierungen bei den diesjährigen Oscars® folgen. Schon 2018 konnte Anderson mit seinem letzten Film DER SEIDENE FADEN einen Preis in der Kategorie Bestes Kostümdesign verzeichnen und ist zudem immer wieder mit seinen Werken nominiert.
Zudem gibt es eine Regel: Wenn Anderson ruft, dann kommt sein Team herbei. Es ist nicht das erste Mal, dass der Kritikerliebling und Autorenfilmer mit seinen Produzenten JoAnne Sellar und Daniel Lupi sowie seinem Komponisten Jonny Greenwood, der zuletzt gerade an den preisgekrönten Filmen THE POWER OF THE DOG und SPENCER mitwirkte, zusammenarbeitet. Für seine Hauptrollen setzt Anderson hingegen nicht auf Erfahrung, sondern auf junge Talente. Mit Cooper Hoffman, Sohn des verstorbenen Schauspielers Philip Seymour Hoffman, sehen wir einen gerade einmal 19-Jährigen, dem das Schauspieltalent wohl im Familienblut liegt. Auch seine Spielpartnerin Alana Haim ist trotz zwölf Jahren mehr Lebenserfahrung Schauspieldebütantin, deren Karriereerfolg in einer ganz anderen künstlerischen Richtung fußt. Als Teil der Band Haim durchlebt sie seit 2007 eine erfolgreiche Musikkarriere zusammen mit ihren Schwestern Danielle und Este, die ebenfalls zeitweise in LICORICE PIZZA zu sehen sind.
Darum geht es…
Gary ist gerade einmal 15 Jahre alt und ist bestens mit der zehn Jahre älteren Alana befreundet. Doch der Schüler ist nicht nur irgendein dummer kleiner Naivling, wie so viele seiner Mitschüler – er ist ein Visionär, der etwas im Leben erreichen möchte. Schon früh im Leben fängt er an, ein eigenes Business zu entwickeln, und auch wenn nicht immer alles so glatt läuft wie erwartet, bleibt er doch stets ehrgeizig. Er wirbt für Produkte verschiedener Firmen und bekommt eines Tages einen Job als Promoter für Wasserbetten. Diese wurden in den 70er Jahren gerade erst entwickelt und müssen nun den Konsumenten vorgeführt und aufgeschwatzt werden. Gary ist so begeistert von dieser Entwicklung, dass er zusammen mit Alana beginnt, ein eigenes Wasserbetten-Unternehmen aufzuziehen. Doch in all dem Trubel der intensiven Zusammenarbeit, den vielen Herausforderungen und der leidenschaftlichen gemeinsamen Zeit bleibt es nicht aus, dass aus freundschaftlichen Gefühlen plötzlich mehr entsteht.
Rezension
Der Titel des Films ist wohl genauso ungewöhnlich wie der Film selbst. Licorice Pizza heißt übersetzt Lakritz Pizza – eine Gourmetvorstellung, die doch etwas eigenwillig ist. Tatsächlich leitet der Film sich jedoch nicht von dieser etwas widerwärtigen Zutatenzusammensetzung ab, sondern von einem kalifornischen Plattenladen, welcher eben jenen Namen trug. Dies deutet darauf hin, dass uns hier eine durchaus ansprechende musikalische Gestaltung erwartet, und tatsächlich bietet uns Johnny Greenwood, der Mitglied der Alternative-Rock-Band Radiohead ist, eine spannende akustische Zeitreise in die 70er Jahre. Von The Doors über David Bowie bis hin zu Bing Crosby und Sonny & Cher ist einfach alles dabei. Nostalgiker kommen definitiv auf ihre Kosten und dürfen geschmeidig in Erinnerungen schwelgen.
Auch optisch präsentiert sich LICORICE PIZZA im herrlichsten Glanz der 70er Jahre und schafft es absolut, den Charme einzufangen, für den auch Tarantino mit ONCE UPON A TIME… IN HOLLYWOOD so gelobt wurde. Nicht nur die altbackenen Frisuren, die kurzen Rücke und die unattraktiven Schlaghosen finden ihren Platz, sondern auch farbenfrohe und gemusterte Oberteile, lange Haare und Retrogerätschaften aller Art sind hier zu finden. Und wenn wir eine romantische Szene auf einer breiten Straße im Gegenlicht eines rot-blau gefärbten Himmels sehen, ist die zeitliche Illusion perfekt abgerundet. Doch im Gegensatz zu Quentin Tarantino setzt Anderson nicht auf die pure Perfektion seiner Bilder und zeigt uns Figuren mit breit gefächerten Makeln. Ein Schönheitsideal wird nicht aufgerufen, doch die Schere zwischen Arm und Reich ist trotzdem leicht ersichtlich.
Technisch akkurat
In der Bildgestaltung und dem Sound wurde also äußerst viel richtig gemacht, auch wenn hier wieder etwas mehr Körnigkeit im Bild hätte sein können. Auch die Protagonist:innen wirken erst einmal sehr sympathisch, und gerade Debütantin Alana Haim ist nicht anzumerken, dass sie das erste Mal vor der Kamera steht. Vollkommen souverän präsentiert sie sich in jeder Szene und agiert, als hätte sie nie etwas anderes getan. Etwas anders sieht es jedoch bei Cooper Hoffman aus, der zwar grundsätzlich gut in seine Rolle passt, aber gleichzeitig auch stets wie ein Fremdkörper wirkt. Mir war es leider zu keinem Zeitpunkt möglich, ihm den gespielten 15-jährigen Teenager abzunehmen. Gleichzeitig war es jedoch generell schwer, ihm ein gewisses Figurenalter zuzuordnen. Sowohl Cooper als auch Haim werden recht häufig in Close-Ups gezeigt, was wiederum dazu führt, dass Mimik eine zentrale Rolle in der Bildgestaltung einnimmt.
Da es sich bei LICORICE PIZZA um eine Romanze handelt, ist natürlich noch ein Blick auf die gemeinsame Dynamik wichtig. Im Zusammenspiel harmonierten die beiden Schauspielenden ganz gut, gerade weil Hoffman wie der verzweifelte Teenager wirkte, der einer unerreichbaren Liebe hinterher strebt. In den Nebenrollen wird uns darüber hinaus ein äußerst imposanter Cast geliefert. Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper, Benny Safdie und John Michael Higgins ergänzen die Truppe sehr charmant und sogar John C. Reilly, Maya Rudolph und Leonardo DiCaprios Vater George sind auf der Leinwand zu sehen. Viele von ihnen schaffen es, sich so hervorragend unter ihrer Maske zu verstecken, dass sie kaum wieder zu erkennen sind. Dennoch warten wir vergeblich auf einen herausragenden glanzvollen Moment, wie wir ihn zuletzt bei Schauspielenden wie Jared Leto in HOUSE OF GUCCI gesehen haben.
Nett, netter, LICORICE PIZZA
Die gesamte Story ist unterhaltend und bietet uns einige nette Momente. Sie ist zwar sehr Dialoglastig und basiert wenig auf reiner Bildsprache, doch das ist an sich nicht so schlimm. Präsentiert wird uns eine sympathische Jugendgeschichte, die in den Bereich Coming of Age der 70er Jahre eingeordnet werden kann und uns lebhaft und harmonisch durch den Film trägt. Angesichts der Story kommen sofort Erinnerungen an Filme wie FERRIS MACHT BLAU oder THE BREAKFAST CLUB auf, die zwar rund 10 Jahre später in ihrer Handlung angesetzt sind, aber doch eine ähnliche Grazie ausstrahlen.
Fazit
Doch eins muss abschließend gesagt werden: All diese genannten Aspekte, die LICORICE PIZZA beschreiben, sind recht nett und ansehnlich, doch viel mehr auch einfach nicht. Der Film läuft berauschend einfach so dahin und präsentiert uns immer wieder einige reizende Szenen mit netten Schauspielauftritten, einer goldigen Romanze und betörenden Bildern, die von der entsprechenden Musik getragen werden. Leider jedoch fehlen ganz und gar ein Alleinstellungsmerkmal und die Begeisterungskraft. Für eine solch mittelmäßige Produktion, die nicht weh tut, aber eben auch keine Leidenschaftsströme entfacht, sind 133 Spielminuten einfach zu lang. Von daher lautet mein Rat: geht ins Kino und habt eine nette Zeit, aber erwartet keinen umwerfenden Film, der euer Kinojahr gänzlich bereichern wird. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass Generationen, die die gezeigte Zeit noch miterlebt haben, womöglich einiges mehr an persönlichen Highlights finden wird als ich.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Eigentlich sagt man ja immer, dass „nett“ der kleine Bruder von Schei** ist. Es ist erschreckend, wie oft diese Beschreibung auch zutrifft. Doch LICORICE PIZZA ist ebenfalls nett, doch noch lange nicht so ein bescheidenes Werk, wie es eben jener Vergleich suggeriert. Mit zwei Schauspieldebütierenden in den Hauptrollen präsentiert uns Paul Thomas Anderson eine ganz ordentliche, kleine Romanze, die durchaus charmant anzuschauen ist und immer wieder einige Überraschungen im Cast für uns parat hält. Darüber hinaus geht jedoch die Begeisterung nicht. Der Film plätschert so vor sich hin und bietet einen optischen und akustischen Genuss, wie wir ihn bereits in ONCE UPON A TIME… IN HOLLYWOOD erleben durften, kann aber nicht gerade mit nennenswerten Szenen oder überragenden Performances herausstechen. Mit 113 Minuten ist das Werk zudem leider zu lang für einen Snack zwischendurch, fällt aber inhaltlich genau in diese Beschreibung.
Ich möchte nicht ausschließen, dass Nostalgiker und Personen, die die 70er Jahre noch miterlebt haben, hier viele tolle Erinnerungen wiederfinden werden und dadurch sicherlich etwas mehr hingerissen sein könnten, als ich es bin. Ich jedoch würde sagen, geht ins Kino und habt eine nette Zeit, aber erwartet keinen umwerfenden Film, der euer Kinojahr gänzlich bereichern wird.
Wie hat Dir der Film gefallen?
The award season has begun and Paul Thomas Anderson is bringing his latest coup to the cinemas just in time. The film opened in cinemas in the USA on 25 December, just in time to receive its first four nominations for the Golden Globes, from which, however, no award followed. However, it was at least able to establish itself in the four most important categories – Best Picture, Best Actor in a Leading Role, Best Actress in a Leading Role and Best Screenplay. With the film already a big hit among critics, similar nominations are almost certain to follow at this year’s Oscars®. Already in 2018, Anderson recorded an award in the Best Costume Design category with his last film PHANTOM THREAD and has also been nominated time and again with his works.
Moreover, there is one rule: when Anderson calls, his team comes calling. This is not the first time that the critics’ favourite and auteur filmmaker has worked with his producers JoAnne Sellar and Daniel Lupi as well as his composer Jonny Greenwood, who most recently worked on the award-winning films THE POWER OF THE DOG and SPENCER. For his leading roles, however, Anderson does not rely on experience but on young talent. With Cooper Hoffman, son of the late actor Philip Seymour Hoffman, we see a mere 19-year-old for whom acting talent probably runs in the family blood. His playing partner Alana Haim is also an acting debutante, despite twelve years more life experience, whose career success is based in a completely different artistic direction. As part of the band Haim, she has been enjoying a successful music career since 2007 together with her sisters Danielle and Este, who can also be seen at times in LICORICE PIZZA.
What it’s about…
Gary is just 15 years old and is best friends with Alana, who is ten years older. But the student is not just some silly little naïf like so many of his classmates – he is a visionary who wants to achieve something in life. Early in life, he starts to develop his own business, and even if everything doesn’t always go as smoothly as expected, he always remains ambitious. He advertises products for various companies and one day gets a job as a promoter for waterbeds. These had just been developed in the 70s and now had to be demonstrated to consumers and talked into buying them. Gary is so enthusiastic about this development that he starts his own waterbed company together with Alana. But in all the hustle and bustle of the intense collaboration, the many challenges and the passionate time together, it is not left out that friendly feelings suddenly turn into something more.
Review
The title of the film is probably as unusual as the film itself. Licorice Pizza translates as liquorice pizza – a gourmet idea that is somewhat idiosyncratic after all. In fact, however, the film does not derive from this somewhat repugnant ingredient composition, but from a Californian record shop that bore that very name. This suggests that we can expect a thoroughly appealing musical arrangement here, and indeed Johnny Greenwood, who is a member of the alternative rock band Radiohead, offers us an exciting acoustic journey back in time to the 70s. From The Doors to David Bowie to Bing Crosby and Sonny & Cher, simply everything is there. Nostalgics definitely get their money’s worth and are allowed to reminisce smoothly.
LICORICE PIZZA also presents itself visually in the most glorious splendour of the 70s and absolutely manages to capture the charm for which Tarantino was also so praised with ONCE UPON A TIME… IN HOLLYWOOD. Not only do the old-fashioned hairstyles, short backs and unattractive bell-bottoms find their place here, but also colourful and patterned tops, long hair and retro gadgets of all kinds. And when we see a romantic scene on a wide street backlit by a red-blue coloured sky, the temporal illusion is perfectly rounded off. But unlike Quentin Tarantino, Anderson does not focus on the pure perfection of his images and shows us figures with wide-ranging flaws. An ideal of beauty is not invoked, but the gap between rich and poor is nevertheless readily apparent.
Technically accurate
So a lot has been done right in terms of image design and sound, even if there could have been a little more graininess in the picture. The protagonists also seem very likeable at first, and especially debutante Alana Haim does not show that this is her first time in front of the camera. She presents herself completely confidently in every scene and acts as if she had never done anything else. The situation is somewhat different with Cooper Hoffman, who basically fits his role well, but at the same time always seems like a foreign body. Unfortunately, at no point was it possible for me to take the 15-year-old teenager off him. At the same time, however, it was generally difficult to assign him a certain character age. Both Cooper and Haim are quite often shown in close-ups, which in turn leads to facial expressions taking on a central role in the picture design.
Since LICORICE PIZZA is a romance, it is of course still important to take a look at the joint dynamic. In the interplay, the two actors harmonised quite well, precisely because Hoffman seemed like the desperate teenager who is striving after an unattainable love. In the supporting roles, we are also provided with an extremely impressive cast. Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper, Benny Safdie and John Michael Higgins complement the troupe very charmingly and even John C. Reilly, Maya Rudolph and Leonardo DiCaprio’s father George can be seen on screen. Many of them manage to hide under their masks so brilliantly that they are hardly recognisable. Still, we wait in vain for a standout glamorous moment like we last saw from actors like Jared Leto in HOUSE OF GUCCI.
Nice, nicer, LICORICE PIZZA.
The overall story is entertaining and gives us some nice moments. It is very dialogue-heavy and not based much on pure imagery, but that in itself is not so bad. We are presented with a likeable youth story that can be categorised as coming of age in the 70s and carries us lively and harmoniously through the film. The story immediately brings back memories of films such as FERRIS BUELLER’S DAY OFF or THE BREAKFAST CLUB, which are set about 10 years later in their plot, but still radiate a similar grace.
Conclusion
But one thing must be said in conclusion: All these aforementioned aspects describing LICORICE PIZZA are quite nice and respectable, but not much more. The film runs along exhilaratingly and presents us again and again with some charming scenes with nice acting performances, a sweet romance and beguiling images, which are carried by the appropriate music. Unfortunately, however, a unique selling point and the power to excite are entirely lacking. For such a mediocre production, which doesn’t hurt but doesn’t arouse any passions either, 133 minutes of play are simply too long. So my advice is: go to the cinema and have a nice time, but don’t expect a mind-blowing film that will completely enrich your cinema year. It is not impossible, however, that generations who lived through the period shown will possibly find a lot more personal highlights than I did.
How did you like the movie?
Originaltitel | Licorice Pizza |
Kinostart | 27.01.2022 |
Länge | ca. 133 Minuten |
Produktionsland | USA | Kanada |
Genre | Komödie | Drama | Romanze | Coming of Age |
Verleih | Universal Pictures |
FSK | unbekannt |
Regie | Paul Thomas Anderson |
Drehbuch | Paul Thomas Anderson |
Produzierende | Paul Thomas Anderson | Jason Cloth | Aaron L. Gilbert | Daniel Lupi | Susan McNamara | Sara Murphy | JoAnne Sellar | Adam Somner |
Musik | Jonny Greenwood |
Kamera | Paul Thomas Anderson | Michael Bauman |
Schnitt | Andy Jurgensen |
Besetzung | Rolle |
Alana Haim | Alana Kane |
Cooper Hoffman | Gary Valentine |
Sean Penn | Jack Holden |
Tom Waits | Rex Blau |
Bradley Cooper | Jon Peters |
Benny Safdie | Joel Wachs |
Skyler Gisondo | Lance |
Mary Elizabeth Ellis | Mama Anita |
John Michael Higgins | Jerry Frick |
Christine Ebersole | Lucy Doolittle |
Harriet Sansom Harris | Mary Grady |
Maya Rudolph | Gale |
John C. Reilly | Fred Gwynne |
Joseph Cross | Matthew |
Wie hat Dir der Film gefallen?
Hinterlasse einen Kommentar