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My Two Voices

My Two Voices ©Courtesy of Rayon Verde

Kanada ist als ein äußerst tolerantes Land weltweit bekannt und wird stets für seine Einwanderungspolitik gelobt. Zuletzt hat gerade das neue Regierungsbündnis in Deutschland bekräftigt, dass man sich an eben jener Strategie orientieren möchte. Immigranten bringen stets neues Wissen, neue Technologien, neue Ansätze und spannende Kulturen mit sich. Dies kann, wenn es geschickt genutzt wird, sehr förderlich für ein Land sein. Ganz zu schweigen davon sind Immigranten natürlich auch potentielle Arbeitskräfte. Kanada hat dies erkannt und im Jahr 2021 mehr als 400.000 Menschen ins Land gelassen. Die Auswahl der Immigranten erfolgt nach einem Punktesystem, in welches verschiedene Kriterien wie das Alter, höchster Bildungsabschluss, Sprachkenntnisse oder mögliche Arbeitsangebote einfließen.[1] Regisseurin Lina Rodriguez hat sich mit eben jener Thematik in MY TWO VOICES auseinandergesetzt.

Darum geht es…

Ana Garay Kostic, Claudia Montoya und Marinela Piedrahita haben alle drei eine Sache gemeinsam. Sie alle sind Lateinamerikanerinnen, die irgendwann nach Kanada eingewandert sind und dort ein neues Leben angefangen haben. Sie alle erzählen von ihren Erlebnissen mit verschiedenen Themenschwerpunkten sowie ihrem derzeitigen Leben.

Rezension

Unmittelbar und ohne jede Vorwarnung startet der Film mit seinen ersten Bildern. Kein Vorspann, keine Namen, keine einleitenden Worte. MY TWO VOICES ist eine Dokumentation der gänzlich anderen Art. Sie zeigt uns das Leben dreier unterschiedlicher Immigrantinnen, obwohl „zeigt“ da wohl etwas weit gegriffen ist. Tatsächlich sehen wir lange Zeit nämlich nur Gräser, Hände und Haare. Die Kamera hält lange Zeit auf nichts anderes drauf. Teilweise mehrere Minuten sehen wir Close-Ups, die uns fast nichts verraten und viel eher wirken, als wolle man die Erzählungen einfach nur willkürlich mit irgendwelchen Bildern unterlegen. Es scheint keinerlei Verbindung zwischen Gezeigtem und gesprochenem zu geben. Immer wieder sehen wir Hände, die simpelste Tätigkeiten, wie das Graben in der Erde oder das Lenken eines Autos, verrichten.

My Two Voices

My Two Voices ©Courtesy of Rayon Verde

Der Monolog ist das prägende Element in dieser Dokumentation. Über die gesamte Spieldauer referieren die drei Protagonistinnen über ihre Vergangenheit und über verschiedenste Herausforderungen, die sie zu meistern hatten. Wesentlich dabei ist immer wieder die Sprache, die sich als problematisch herausstellt. Auch, weil Schulungen nicht finanziert werden können, um die englische Sprache zu vertiefen.

Nichts zu sehen, doch viel zu verstehen

Erst sehr spät im Film, es ist schon mehr als eine halbe Stunde vergangen, bekommen wir erstmalig Kamerashots zu sehen, die gewisse Situationen von weiter weg zeigen und sogar ein wenig Dynamik in die Story reinbringen. Noch eine ganze Ecke später sehen wir sogar hin und wieder die referierenden Menschen und ihre Familien. Erst ab diesem Zeitpunkt schafft es die Dokumentation, eine gewisse Persönlichkeit aufzubauen und eine Verbindung zwischen Publikum und Protagonistinnen zu erzeugen. Da wir vorher keinen visuellen Eindruck haben, mit wem wir es überhaupt zu tun haben, ist es äußerst schwer, der Handlung zu folgen. Gleichzeitig ist dies aber auch ein geschickt gewähltes Element, um die Zuschauenden völlig vorurteilsfrei an die Handlung heranzuführen und das Publikum einzig und allein auf die Sache an sich konzentrieren zu lassen.

My Two Voices

My Two Voices ©Courtesy of Rayon Verde

Die Bilder sind zudem auf 16mm gedreht, was auch deutlich visuell erkennbar ist. Nicht nur, dass wir unsere geliebten nostalgischen Bildfehler zurück auf die Leinwand bekommen, auch die Körnigkeit des Bildes ist deutlich charmanter als die vielen Hochglanzproduktionen der heutigen Zeit und passt bestens zu der inhaltlichen Erzählung. Dennoch gestalten sich die Bilder als sehr distanziert und unnahbar für das Publikum, da es einfach schwer ist, eine persönliche Bindung zu den Personen aufzubauen, die wir über weite Teile des Films nicht zu sehen bekommen. Nicht selten transportieren diese den Charakter eines Stilllebens und gleichen somit eher einem Kunstwerk, als das daraus ein Film entsteht. Tatsächlich könnten wir auch genauso gut ein Hörbuch des Films genießen und würden wohl kaum einen Unterschied im Charakter wahrnehmen. Ob das für den Film spricht, bleibt jedem selbstüberlassen.

Fazit

MY TWO VOICES ist somit eine Dokumentation, mit der ich leider nur wenig anfangen konnte. Sie hat mich weder informativ vorangebracht, noch habe ich ein besonderes Erlebnis von Bildern oder Tönen erleben dürfen. Auch wenn die Thematik seine Reize hat und es bestimmt viele spannende Storys von Menschen gibt, die ähnlich schwierige Zeiten durchgemacht haben, so bietet mir MY TWO VOICES leider keinen nennenswerten Grund, um eine wirkliche Empfehlung auszusprechen.

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Quellen:

[1] Kanadas Einwanderungspolitik / Harte Auswahl, weiche Landung, abgerufen am 16.01.2022

Es ist schier unbegreiflich, wie viele Dokumentationen es in der heutigen Zeit gibt. Angesichts dieser Bandbreite und der Menge an Inhalten, die abgedeckt werden, ist es geradezu ein Wettkampf geworden, vor allem visuell aus der Masse herauszustechen. MY TWO VOICES schafft dies durchaus, wenn auch auf eine eher unerwartete Art. Statt immer tollere und opulentere Bilder zu präsentieren, setzt diese Dokumentation über die Immigration von lateinamerikanischen Frauen nach Kanada auf pure Einfachheit und leider auch Belanglosigkeit. Während die Bilder nämlich nur Nahaufnahmen, zumeist von Händen, die einer bestimmten Tätigkeit nachgehen, zeigen und jeglicher visuelle Anspruch nicht vorhanden ist, bekommen wir gleichzeitig einen geradezu ununterbrochenen Monolog der drei Frauen zu hören, bei dem das Publikum jede kleine Atempause dankend annimmt. Es ist schwer, dem gesamten Film auf Dauer zu folgen, und das Einschlafpotential ist äußerst hoch. Zudem sind die Geschichten nett, aber für eine internationale Präsentation leider zu bedeutungslos.

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My Two Voices

My Two Voices ©Courtesy of Rayon Verde

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My Two Voices ©Courtesy of Rayon Verde

Canada is known worldwide as an extremely tolerant country and is always praised for its immigration policy. Most recently, the new government alliance in Germany has affirmed that they want to follow this same strategy. Immigrants always bring with them new knowledge, new technologies, new approaches and exciting cultures. This can be very beneficial for a country if used skilfully. Not to mention, of course, immigrants are also potential workers. Canada has recognised this and allowed more than 400,000 people into the country in 2021. Immigrants are selected according to a points system that takes into account various criteria such as age, highest level of education, language skills or possible job offers.[1] Director Lina Rodriguez has dealt with this very issue in MY TWO VOICES.

This is what it is about…

Ana Garay Kostic, Claudia Montoya and Marinela Piedrahita all have one thing in common. They are all Latin American women who immigrated to Canada at some point and started a new life there. They all talk about their experiences with different themes as well as their current lives.

Review

Immediately and without any warning, the film starts with its first images. No opening credits, no names, no introductory words. MY TWO VOICES is a documentary of a completely different kind. It shows us the lives of three different immigrant women, although “shows” is probably a bit of a stretch. In fact, for a long time we only see grass, hands and hair. For a long time, the camera doesn’t look at anything else. Sometimes we see close-ups for several minutes, which tell us almost nothing and seem much more as if the narratives were simply underlaid with random images. There seems to be no connection between what is shown and what is spoken. Again and again we see hands performing the simplest of tasks, such as digging in the earth or steering a car.

The monologue is the defining element of this documentary. Over the entire duration of the film, the three protagonists talk about their past and the various challenges they had to overcome. The language, which turns out to be problematic, is always an essential element. Also because training courses cannot be financed to deepen the English language.

Nothing to see, but much to understand

Only very late in the film, more than half an hour has passed, do we get to see camera shots for the first time, which show certain situations from further away and even bring a little dynamism into the story. A whole corner later, we even see the people giving the talks and their families from time to time. Only at this point does the documentary manage to build up a certain personality and create a connection between the audience and the protagonists. Since we have no visual impression beforehand of who we are dealing with at all, it is extremely difficult to follow the plot. At the same time, however, this is a cleverly chosen element to introduce the audience to the plot without any preconceptions and to let the audience concentrate solely on the matter at hand.

The images are also shot on 16mm, which is also clearly visually apparent. Not only do we get our beloved nostalgic image blemishes back on screen, but the graininess of the image is much more charming than the many glossy productions of today and fits the content narrative perfectly. Nevertheless, the images are very distant and unapproachable for the audience, as it is simply difficult to build up a personal connection to the characters, whom we do not get to see for large parts of the film. Not infrequently, they convey the character of a still life and thus resemble a work of art rather than a film. In fact, we could just as well enjoy an audio book of the film and would hardly notice a difference in character. Whether this speaks in favour of the film is up to each individual.

Conclusion

MY TWO VOICES is thus a documentary that I unfortunately could do little with. It neither advanced me in an informative way, nor did I get a special experience of images or sounds. Even though the subject matter has its charms and there are certainly many exciting stories of people who have gone through similarly difficult times, MY TWO VOICES unfortunately offers me no noteworthy reason to give it a real recommendation.

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Source:

[1] Kanadas Einwanderungspolitik / Harte Auswahl, weiche Landung, abgerufen am 16.01.2022

Originaltitel Mis dos voces
Kinostart Berlinale Forum
Länge ca. 68 Minuten
Produktionsland Kanada
Genre Dokumentation
Verleih unbekannt
FSK unbekannt

Regie Lina Rodriguez
Drehbuch Lina Rodriguez
Produzierende Lina Rodriguez | Brad Deane
Kamera Alejandro Coronado
Schnitt Lina Rodriguez | Brad Deane

Besetzung
Ana Garay Kostic
Claudia Montoya
Marinela Piedrahita

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