Rezension
Vor zwei Jahren lief die Verfilmung Claire Keegons Kurzgeschichte Foster unter dem Titel THE QUIET GIRL in der Berlinale Sektion Generation, 2024 eröffnete eine Spielfilmadaption ihres Romans SMALL THINGS LIKE THESE die 74. Internationalen Filmfestpiele von Berlin. Gewidmet hat sich dem historischen Stoff der belgische Regisseur und Drehbuchautor Tim Mielant, der dem Alltag des von Oscar-Anwärter Cillian Murphy gespielten Kohlearbeiter Bill Furlong in von Ruß und Winterwetter trüben Bildern folgt.
Bill hat fünf Töchter, arbeitet hart und wird an den bevorstehenden Weihnachtstagen von Gedanken an seine Vergangenheit eingeholt. Schmerzliche Erinnerungsfetzen an die Zeit mit seiner Mutter und missglückte Weihnachtsgeschenke mischen sich unter die schnörkellosen Alltagsaufnahmen der Gegenwart, in denen zunächst nur lose Beobachtungen weitere Kernthemen der Geschichte vermuten lassen. In Rückblenden versucht der Film Ursachen der Zurückhaltung und Nachdenklichkeit des Familienvaters zu erkunden und gibt der Geschichte des einzelnen Kohlearbeiters damit Vorrang vor den weitreichenderen historischen Ereignissen, welche die irische Schriftstellerin in ihrer Novelle aufarbeitet.
Wie das Klosterheim, in welches Bill nur widerwillig Eintritt gewährt wird, verschließt sich auch der Film lang vor dem, was mit den eingewiesenen Mädchen und jungen Frauen hinter verschlossenen Toren geschieht. Gewidmet ist der Film zwar all jenen, die in Magdalenenklöstern Ausbeutung und Gewalt erfahren haben, zentral sind deren Charaktere und Schicksale, wie das der zwangseingelieferten schwangeren Sarah, aber nie. Raum zur Entfaltung erhält am ehesten das einschüchternde Klostersetting, in welchem einschnürende und schwelende Dialoge statt die Hintergründe einzelner Figuren auszuführen, die Grenzen zum Kammerspiel-Horror austasten.
Bills oft passive Beobachterperspektive, die sich ebenfalls in den Vergangenheitsschnipseln spiegelt, bleibt bis zum Ende Dreh- und Angelpunkt der unaufgeregten Romanverfilmung und mit ihr ebenfalls die Perspektive weiterer Bewohner*innen der tradierten und korrupten Kleinstadtstrukturen. Darin erweisen sich die übergriffigen “Besserungsmaßnahmen” und Ausbeutung der als gefallene Mädchen bezeichneten Insassinnen als Teil kollektiver Verschwiegenheit. Zu groß und mächtig ist der Einfluss von Religion und Geld, der auch die moralischen Konflikte und Abwägungen der Hauptfigur maßgeblich mitbestimmt. Bevor der Film diese Konflikte und Missstände jedoch aufbrechen und die Perspektive wirksam für die Betroffenen öffnen kann, läuft ganz abrupt der Abspann.
Fazit
Wenn Bill sich nach der Arbeit die schmutzigen Hände schrubbt, dann mag er noch viel mehr loswerden als bloß den Kohlestaub von seiner Haut. Die schmerzlichen Erinnerungen an seine Kindheit zum Beispiel, oder das, was er in Ausschnitten aus dem naheliegenden Heim seiner treuen Kundinnen mitbekommt. Ersteres rückt die zerbrechlich dargestellte männliche Hauptfigur in den Vordergrund und findet sensible Auseinandersetzungen in der Gegenwart. Diese fehlt letzterem und somit der noch dringlicheren Perspektive der Frauen nachwirkend.
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Originaltitel | Small Things Like These |
Kinostart | 1.11.2024 |
Länge: | 99 minuten |
Produktionsland | Belgium |
Genre: | Drama |
Regie | Tim Mielants |
Executive Producer | Michael Joe | Kevin Halloran | Ben Affleck |
Producer | Susan Mullen | Gitte Nuyens | Sasha Veneziano | Bert Van Dael | Alan Moloney | Catherine Magee | Drew Vinton | Jeff Robinov | Matt Damon | Cillian Murphy |
Kamera | Frank van den Eeden |
Visual Effects | Jelmen Palsterman |
Musik | Senjan Jansen |
Cast | Cillian Murphy, Emily Watson, Michelle Fairley, Eileen Walsh, Zara Devlin, Clare Dunne, Helen Behan, Ella Cannon |
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