Rezension
Vergangener und gegenwärtiger Schmerz überlagert und überschneidet sich in Jesse Eisenbergs tragikomischer Mischung aus Buddy-Comedy und Familiendrama. Unter der heiteren Oberfläche von A REAL PAIN wiegt das titelgebende Thema seiner zweiten Regiearbeit so schwer, dass es das fragile dramaturgische Gerüst beinahe überlastet. Nicht nur David (Eisenberg) hat zu kämpfen, um mit seinem impulsiven Cousin Benji (Kieran Culkin) während einer gemeinsamen Reise zurechtzukommen. Auch die empathische Story ringt spürbar damit, die von den beiden Protagonisten verkörperten gegensätzlichen Ansätze von Trauerbewältigung und sozialer Interaktion in Einklang zu bringen.
Die scheinbare Offenheit der Inszenierung gegenüber Abweichungen von angepasstem Verhalten und Fühlen relativiert die unterschwellige dramatische Definition einer psychosozialen Norm. David wird unterschwellig als „normal“ etabliert, zumindest normal im Sinne eines gesellschaftlich angebrachten, vernünftigen Verhaltens. Im Gegensatz zu seiner zurückhaltenden Position in der Reisegruppe, mit der Benji und er den Großteil des Films verbringen, steht David im narrativen Fokus. Überangepasst, übervorsichtig und überängstlich ist der Familienvater das Gegenteil seines impulsiven, labilen Cousins. Dessen lässige Haltung sowie intuitive Integration in soziale Sphären und unerwartete Situationen verbirgt eine zutiefst verunsicherte Persönlichkeit.

A Real Pain ©2024 SEARCHLIGHT PICTURES
Dasselbe gilt für seinen David, der auf seine eigene Art negative Gefühle wie Angst, Trauer und Verzweiflung zu verbergen gelernt hat. Genau jene Emotionen weckt ihre gemeinsame Reise nach Polen. Dort wollen sie durch einen Besuch in der Heimatstadt ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter eine Verbindung zu ihren jüdischen Vorfahren aufbauen. Je näher die Tour mit ihrer bunt gemischten Reisegruppe unter der Führung des warmherzigen James (Will Sharpe) dem ehemaligen Familienheim kommt , desto deutlicher wird Benjis innerer Aufruhr. Den will er anders als David nicht mit Psychopharmaka unterdrücken
Fazit
Zwar wirkt die Analogie zwischen historischem und persönlichem Trauma etwas gestelzt, doch Jesse Eisenbergs symbolische Geschwistergeschichte liefert dennoch eine unterhaltsame Ausnahme vom medizinischen Mantra, wonach jegliche emotionale oder mentale Abweichung eliminiert werden muss. Die erzwungene psychosoziale und psychiatrische Assimilation mit dem faschistischen Fanatismus der wiederaufgearbeiteten Geschichte in Verbindung zu bringen, traut sich der Regisseur und Drehbuchautor indes wenig überraschend nicht. Die lichten Kamerabilder und der leichtherzige Soundtrack unterstreichen die optimistischen Aspekte melancholischen Story. Jene erinnert in ihren besten Momenten an die Allgegenwärtigkeit emotionaler Abstumpfung und befreiende Wirkung des Bruchs mit erstickender Etikette.
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Originaltitel | A Real Pain |
Kinostart | 1.11.2024 |
Länge: | 90 minuten |
Produktionsland | Poland |
Genre: | Komödie | Drama |
Regie | Jesse Eisenberg |
Executive Producer | Ryan Heller | Michael Bloom | Jennifer Westin | Kevin Kelly |
Producer | Ali Herting | Emma Stone | Dave McCary | Jennifer Semler | Jesse Eisenberg | Ewa Puszczyńska |
Kamera | Michał Dymek |
Visual Effects | Yuval Levy |
Cast | Jesse Eisenberg, Kieran Culkin, Will Sharpe, Jennifer Grey, Kurt Egyiawan, Liza Sadovy, Daniel Oreskes, Ellora Torchia, Banner Eisenberg, Olha Bosova, Jakub Gąsowski, Piotr Czarniecki, Krzysztof Jaszczak, Marek Kasprzyk, Jakub Pruski |
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