Originaltitel: Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Kinostart: 05.08.2021
Länge: ca. 176 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Regie: Dominik Graf
Schauspieler:innen: Tom Schilling | Saskia Rosendahl | Albrecht Schuch
Genre: Drama
Verleih: DCM Filmdistribution
Erich Kästner zählt noch heute zu einem der populärsten Kinderbuchautoren der deutschen Geschichte. 1899 geboren, erlebte er gleich beide Weltkriege hautnah mit und litt unter der Macht des Naziregimes. Als Gegner des Nationalsozialismus, war er jedoch einer der wenigen Schriftsteller, der in Deutschland verblieb und der Einzige, der bei der Verbrennung seiner eigenen Bücher dabei war. Eins seiner Werke war der Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“, welcher vom Germanisten Dr. phil. Jakob Fabian erzählt. Tatsächlich trägt das Buch erst seit 2013 den Titel „Der Gang vor die Hunde“, als schließlich auch ein finales Kapitel hinzugefügt wurde, welches aus Sorge einer möglichen Zensur lange Zeit nicht aufgenommen wurde. Bereits 1980 wurde eine Verfilmung des Werks veröffentlicht, welche unter der Regie von Wolf Gremm entstand und mit Hans Petter Hallwachs und Hermann Lause in den Hauptrollen besetzt wurde.
Mit dem hiesigen Film bekommen wir nicht nur ein historisch wertvolles Werk in neu aufgelegter Fassung zu sehen, sondern gibt sich hier die gegenwärtige deutsche Schauspielelite zudem die Klinke in die Hand. So ist es insbesondere Albrecht Schuch auf dem alle Neugier liegt, nachdem er zuletzt mit BERLIN ALEXANDERPLATZ und SYSTEMSPRENGER zwei unglaublich brillante Rollen inszeniert hat und es somit in kürzester Zeit geschafft hat sich zu einer deutschen Schauspielikone zu entwickeln. Tom Schilling, der auf einer vergleichbaren Wolke schwebt, hat bereits mit Saskia Rosendahl zusammen in WERK OHNE AUTOR gespielt und dort eine überragende Leistung aufgezeigt, die schließlich auch mit der Nominierung für Oscars in den Kategorien „Bester fremdsprachiger Film“ und „Beste Kamera“ gewürdigt wurde.
Darum geht es…
Der Film orientiert sich ziemlich exakt an der Buchvorlage und spielt im Juni 1931 in Berlin, wo Jakob Fabian als Germanist sich sein Geld als Reklametexter verdient, bis er schließlich einer Entlassungswelle zum Opfer fällt. Während er viel mit seinem besten Freund Labude um die Häuser zieht und die Abende auskostet, lernt Jakob eines Tages in einem Kabarett die junge und selbstbewusste Cornelia Battenberg kennen, woraufhin sich eine leidenschaftliche Romanze zwischen beiden entwickelt. Diese jedoch wird bald überschattet von den Karrierebestreben der Schauspielerin und Juristin, die sich für ihre berufliche Entwicklung auf eine Affäre mit dem Filmproduzenten Makart einlässt und damit Jakob ordentlich vor den Kopf stößt. Auch bei Labude läuft es nicht rosig. Er wird kurz vor seiner Hochzeit von seiner Verlobten betrogen und wird zudem Opfer eines intriganten Scherzes, welcher alles verändern wird.
Rezension
FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE ist ein sehr ungewöhnliches Werk deutscher Filmkultur. Tatsächlich wirken viele Elemente des Films so, als würde man alles dafür geben hier die filmische Qualität aufbringen zu wollen, um garantiert eine Oscarnominierung einheimsen zu können. Schon die Eröffnungssequenz wartet mit einem beeindruckenden Oneshot auf, der einmal durch eine Berliner U-Bahnstation hindurchführt und erst dann dem Protagonisten folgt. Durchaus ein sehr frühes visuelles Highlight, welches sofort die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, letztlich jedoch etwas bedeutungslos im Raum steht und keinerlei Auswirkungen auf den eigentlichen Film hat. Zudem ist das Bild in klassischer Form auf 4:3 getrimmt und in ein eher mattes und farbloses Licht getaucht, welches klar verdeutlichen soll, dass es sich hierbei um eine Handlung dreht, die in der Vergangenheit, im Jahr 1931, spielt.
Tatsächlich jedoch sind dies eher die Stilmittel, die uns den Eindruck verschaffen, als letztlich das, was wir wirklich auf der Leinwand zu sehen bekommen. Ähnlich wie schon beim Film BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL, wirkt die Art des Umgangs und der Kommunikation, das Setting und das Schauspiel deutlich moderner und schafft daher nicht die Atmosphäre dieser Zeit aufkommen zu lassen. Insbesondere auch die Einbindung von Splitscreens, sprunghafte Schnitte und weiteren visuellen Spielereien wirken nicht so recht passend und sehr gewollt.
Besser zu viel als zu wenig – oder doch nicht?
Verschiedene Off- bzw. Erzählerstimmen wirken auf den Film ein, als würden sie Regie- bzw. Drehbuchanweisungen geben und stellen offensichtlich eine Parallele zum gleichnamigen Buch her. Ob hiermit verdeutlicht werden sollte, dass eine extreme Nähe zum Buch geschaffen wurde, bleibt jedoch unklar, da die Einbindungen in der Regel keine wirkliche Bewandtnis haben und nur das noch einmal erläutern, was wir ohnehin schon auf der Leinwand zu sehen bekommen haben. Zudem sind die Dialoge geprägt von einer Art literarischem Singsang, welcher eine etwas abgehobene und nicht mehr weltliche Normalität erzeugt.
Es dauert recht lange, bis die Geschichte klare Formen annimmt und eine eindeutige Story daraus erkennbar wird, die vor allem durch die Romanze und die Krisen des Protagonisten und seines Freundes geprägt ist. Diese wesentliche Handlung ist jedoch gar nicht so leicht herauszusehen, da sich FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE immer wieder in unnützen Nebenerzählungen verstrickt und damit die klare Linie immer wieder aus dem Fokus rutscht. Tatsächlich kommt sogar der Eindruck auf, dass sich das Produktionsteam nicht so recht entscheiden konnte, welcher der drei Geschichten (des Protagonisten, des Deuteragonisten oder der Love Interest) die eigentlich zentrale sein sollte.
Die deutsche Schauspielelite am Set
Tatsächlich ist es vor allem der Cast, der die Geschichte am Leben hält. Das Zusammenspiel von Tom Schilling und Saskia Rosendahl funktioniert perfekt und beide harmonieren fantastisch, womit einfach eine Grundvoraussetzung für romantische Darstellungen gegeben ist. Albrecht Schuch hingegen fällt etwas ab und markiert im gewissen Sinne einen Außenseiter, schafft es aber dennoch seiner Rolle beeindruckend viel Leben einzuhauchen und diese fast noch interessanter zu gestalten, als es Schilling möglich ist, der letztlich doch wieder nur sich selbst spielt und weniger die Figur. Jedenfalls kommt die Art der Rolleninszenierung doch sehr bekannt vor.
Fazit
Letztlich bekommen wir also ein umfangreiches Genrepotpourri, in welchem die Handlung sehr breit gefächert wird und kaum eine Idee auslässt. Dies wird dann noch untermalt von spielerischen Bild- und Soundeffekten, die das Geschehen völlig aus der Zeit fallen lassen und fast schon, wie eine Zwangsbewerbung für große Preise wirken. Eben jenes macht den Film jedoch etwas unattraktiv, ganz zu schweigen davon, dass rund drei Stunden Film einfach zu lang sind für eine Handlung, die außer unzähliger Nebenstränge nicht viel zu bieten hat und uns ziellos durch das Jahr 1931 wabern lässt. Auch wenn Tom Schilling und Albrecht Schuch wieder einmal brillieren und insbesondere Letzter erneut eine völlig neue, wenn auch deutlich bodenständigere Seite von sich zeigt, bleibt die Ausgangsmasse doch etwas eintönig.
Versucht Regisseur Dominik Graf hier etwa den diesjährigen deutschen Kandidaten für die nächste Oscarverleihung zu präsentieren? Tatsächlich wirkt es so, als hätte es beim Dreh eine Checkliste gegeben, die genau dies bewirken sollte. Neben unzähligen spielerischen Darstellungen, abwechslungsreichen Schnitten, experimenteller Soundgestaltung und vielfältiger Art der Bildgestaltung, bekommen wir zudem einen hervorragenden Cast zu sehen, welcher besonders in den Hauptrollen alle Sympathien auf seine Seite zieht. Doch tatsächlich ist dies alles ein wenig zu viel des Guten. Nicht nur, dass drei Stunden Film bei gerade einmal rund 250 Seiten Buchvorlage einfach viel zu viel sind und sich die Geschichte immer wieder in belanglosen Nebenstorys verstrickt, auch fehlt der große Höhepunkt, auf den die Handlung hinarbeiten könnte und lässt uns letztlich mit einem trostlosen Ende im Stich, auch wenn damit natürlich eine gute Nähe zur Buchvorlage geschaffen wurde. Tatsächlich wollte man hier wohl einfach zu viel – etwas weniger von allem, wäre wohl deutlich besser gewesen und hätte mich wohl deutlich mehr begeistern können.
Original title: Fabian: Going to the Dogs
Cinema release: 05.08.2021
Length: approx. 176 minutes
Country of production: Germany
Director: Dominik Graf
Actors: Tom Schilling | Saskia Rosendahl | Albrecht Schuch
Genre: Drama
Distributor: DCM Filmdistribution
Erich Kästner is still one of the most popular children’s authors in German history. Born in 1899, he experienced both world wars at first hand and suffered under the power of the Nazi regime. As an opponent of National Socialism, however, he was one of the few writers who remained in Germany and the only one who was present at the burning of his own books. One of his works was the novel “Fabian. Die Geschichte eines Moralisten”, which tells of the Germanist Dr. phil. Jakob Fabian. In fact, the book has only had the title “Der Gang vor die Hunde” since 2013, when a final chapter was finally added, which was not included for a long time out of concern about possible censorship. A film version of the work was released as early as 1980, which was directed by Wolf Gremm and starred Hans Petter Hallwachs and Hermann Lause.
With this film, we not only get to see a historically valuable work in a new version, but also the current German acting elite. In particular, it is Albrecht Schuch who is the focus of curiosity, having recently directed two unbelievably brilliant roles in BERLIN ALEXANDERPLATZ and SYSTEMSPRENGER and thus managed to develop into a German acting icon in a very short time. Tom Schilling, who is floating on a comparable cloud, has already co-starred with Saskia Rosendahl in WERK OHNE AUTOR, where he put in an outstanding performance that was eventually recognised with nominations for Oscars in the categories “Best Foreign Language Film” and “Best Cinematography”.
That’s the story about
The film follows the book pretty closely and is set in Berlin in June 1931, where Jakob Fabian, a Germanist, earns his living as an advertising copywriter until he finally falls victim to a wave of layoffs. While he spends a lot of time with his best friend Labude, enjoying the evenings, Jakob meets the young and self-confident Cornelia Battenberg one day in a cabaret, whereupon a passionate romance develops between the two. However, this is soon overshadowed by the career aspirations of the actress and lawyer, who embarks on an affair with the film producer Makart for the sake of her professional development and thus really upsets Jakob. Things are not going well for Labude either. He is betrayed by his fiancée shortly before his wedding and also becomes the victim of a scheming joke that will change everything.
Review
FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE is a very unusual work of German film culture. In fact, many elements of the film seem as if they are doing everything they can to muster the cinematic quality to guarantee an Oscar nomination. The opening sequence already features an impressive oneshot that leads through a Berlin underground station and only then follows the protagonist. Definitely a very early visual highlight, which immediately draws attention, but ultimately stands somewhat meaninglessly in space and has no impact on the actual film. In addition, the image is trimmed to 4:3 in classic form and bathed in a rather dull and colourless light, which is clearly intended to make clear that this is a plot set in the past, in 1931.
In fact, however, these are more the stylistic devices that give us the impression than what we actually get to see on the screen. Similar to the film BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL, the way of dealing and communicating, the setting and the acting seem much more modern and therefore fail to create the atmosphere of that time. In particular, the integration of split screens, jumpy cuts and other visual gimmicks do not seem quite appropriate and very intentional.
Better too much than too little – or is it?
Various off-screen or narratorial voices affect the film as if they were giving stage directions or script directions and obviously establish a parallel to the book of the same name. However, it remains unclear whether this is meant to make clear that an extreme proximity to the book has been created, since the insertions usually have no real meaning and only explain once again what we have already seen on the screen. Moreover, the dialogues are characterised by a kind of literary singsong, which creates a somewhat detached and no longer worldly normality.
It takes quite a long time for the story to take on clear forms and for a distinct storyline to become discernible from it, which is primarily characterised by the romance and the crises of the protagonist and his friend. However, this essential plot is not at all easy to see out, as FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE keeps getting tangled up in useless sub-narratives and thus the clear line keeps slipping out of focus. In fact, one gets the impression that the production team could not quite decide which of the three stories (of the protagonist, the deuteragonist or the love interest) should actually be the central one.
German acting elite on set
In fact, it is above all the cast that keeps the story alive. The interplay between Tom Schilling and Saskia Rosendahl works perfectly and both harmonise fantastically, which is simply a basic prerequisite for romantic portrayals. Albrecht Schuch, on the other hand, falls a little short and marks an outsider in a certain sense, but still manages to breathe an impressive amount of life into his role and make it almost more interesting than it is possible for Schilling, who ultimately plays only himself again and less the character. In any case, the way the roles are staged seems very familiar.
Conclusion
In the end, we get an extensive genre potpourri in which the plot is very broad and hardly leaves out an idea. This is then underpinned by playful visual and sound effects that make the action seem completely out of time and almost like a forced application for major prizes. However, this is what makes the film somewhat unattractive, not to mention the fact that around three hours of film are simply too long for a plot that doesn’t have much to offer apart from countless subplots and leaves us wandering aimlessly through the year 1931. Even though Tom Schilling and Albrecht Schuch shine once again and the latter in particular once again shows a completely new, albeit clearly more down-to-earth side of himself, the initial mass remains somewhat monotonous.
Schauspieler:in | Rolle |
Tom Schilling | Jakob Fabian |
Saskia Rosendahl | Cornelia Battenberg |
Albrecht Schuch | Stephan Labude |
Meret Becker | Irene Moll |
Michael Wittenborn | Judicial Council Labude |
Petra Kalkutschke | Mrs. Fabian |
Elmar Gutmann | Mr. Fabian |
Aljoscha Stadelmann | Producer Makart |
Anne Bennent | Baroness Ruth Reiter |
Eva Medusa Gühne | Mrs. Hohfeld |
Luise Aschenbrenner | Kulp |
Julia Blankenburg | |
Thomas Dehler | Detective Inspector Donath |
Damian Thüne | Kriminalassistent |
https://youtu.be/yg4jzMf6uzk
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