Originaltitel: For Sama
Kinostart: 05.03.2020
Länge: ca. 95 Minuten
Produktionsland: Vereinigtes Königreich
Regie: Waad al-Kateab | Edward Watts
Genre: Dokumentation
Verleih: Filmperlen
Als Teil einer glücklichen Familie, hat die junge Waad Al-Kateab 2016 angefangen Dokumentationen zu drehen. Die Marketing-Studentin gilt dabei eher als Quereinsteigerin, weshalb FÜR SAMA ihr erster Langspielfilm ist. Ihre Berichte erreichten jedoch schon vor diesem Werk viele Menschen und erzielten mit knapp 500 Millionen Klicke einen riesigen Erfolg.
All das klingt nach einem wirklich gelungenen und einfachen Karrierebeginn. Doch wenn dieser eine Sache nicht war, dann einfach, denn ihre Dokumentarfilme handeln von Syrien, spezieller noch Aleppo. Als gebürtige Syrierin begann sie 2011 die Proteste gegen das Assad-Regime zu erfassen und mit ihrem Handy oder ihrer Kamera festzuhalten. Eigentlich wollte sie nur ihre Beobachtungen und das Grauen vor Ort einfangen, woraus sich nun jedoch durch die Mithilfe des Regisseurs Edward Watts ein wichtiger Film ergeben hat. Dieser besteht ausschließlich aus realen Aufnahmen der Zeit zwischen 2011 und 2016 und fängt die puren und ungeschönten Eindrücke des dortigen Krieges, aber eben auch Lebens ein.
Der Syrienkrieg
Doch was geschieht dort eigentlich? Wer kämpft gegen wen und warum?
Das ist gar nicht so einfach in wenigen Sätzen zu erklären, denn nach fast 10-jähriger Auseinandersetzung haben sich mittlerweile viele verschiedene Parteien in den Krieg eingemischt, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Angefangen hat es jedoch mit einer eher simplen Demonstration friedlicher Bürger, die gegen die Verhaftung von Kindern protestierten und bei der mehrere Menschen getötet wurden. Es folgten Proteste, die wiederum viele Tote forderten. Die Auseinandersetzungen spitzten sich immer weiter zu, bis das Militär des Landes unter der Führung des Präsidenten Baschar al-Assad mit strikter Waffengewalt agierte.
Das Streben nach der Demokratisierung Syriens rückte für die Opposition des Landes immer weiter in unerreichbare Entfernung, während der Kampf verschiedener Organisationen aus religiösen und ethnischen Gründen in den Mittelpunkt rückte. Bis heute dauern die Auseinandersetzungen an, in denen die Mächteverhältnisse immer wieder wechseln und zunehmend von außen geprägt sind. Nach offiziellen Zahlen gab es im März 2018 rund 355.000 Tote und weiter über zwei Millionen Verletzte. Wer weitere Informationen sucht kann sich zum Beispiel auf http://www.syriahr.com/en/ weiterführend belesen. Dies ist eine Seite, die nach eigenen Aussagen nicht von der Regierung Syriens betrieben wird und als inoffizielle Organisation die Menschenrechte in Syrien beobachtet.
Darum geht es in FÜR SAMA
Die junge Waad al-Kateab lebt in Aleppo, wo aktuell der Ausnahmezustand herrscht. Mitten in diesem katastrophalen Umfeld engagiert sie sich mit einer Gruppe von Freunden in Krankenstationen, um Verletzte vor dem sicheren Tod zu schützen. Dabei muss sie viel Leid erfahren und erleben, kommt aber auch mit Glück und Freude und vor allem Liebe in Berührung. Sie heiratet einen Arzt und gebiert ein Kind namens Sama. Diese Aufzeichnung der Ereignisse, die Guten, wie auch die Schlechten, sollen eine Erinnerung und zugleich auch ein Liebesbrief für ihre Tochter sein, die hoffentlich niemals mit all diesem Terror konfrontiert wird. Irgendwann wird sie vor die elementare Frage gestellt: bleiben und helfen sowie den Kampf für Freiheit weiterführen oder fliehen und ihr Kind retten und schützen?
Rezension
Schon vorweggenommen kann ich sagen, dass mich selten eine Dokumentation so emotional gepackt hat wie diese Hommage an Aleppo, die gegen jede Erwartung viel mehr eine Liebesgeschichte zeigt als eine dramatische Krisenstory bestehend aus Leid und Angst. Nichts desto trotz werden diese Elemente kein bisschen vernachlässigt, denn schon die tragische Musik zu Beginn, die während einer kurzen Vorgeschichte spielt, weist auf die kommende Tragik hin, die immer wieder ungeschönt und vermutlich ungeschnitten gezeigt wird. Die Gräueltaten sind gerade für uns, die solche Problematiken nur aus den Medien kennen, teilweise unfassbar und unerträglich. Es ist fast unvorstellbar diese tagtäglich zu erleben, immer in der Ungewissheit, was morgen sein wird.
Doch dann wiederum zeigt uns die Protagonistin, dass die Anschläge und Schießereien zum Alltag dazu gehören und den Menschen nicht mal mehr richtig Angst machen. Während es Bomben regnet schlendern einige Menschen durch die Straßen als wäre nichts und genießen fast schon ihren Tag. Auch Waad al-Kateab lebt ihr Leben, erfreut sich an ihrer Familie, ihrem gemeinsamen Haus, ihren Pflanzen und denkt nicht eine Sekunde darüber nach zu fliehen, denn es ist schließlich ihre Heimat.
Der Inhalt zählt
Für Sama besteht einzig und allein aus realen Handkameraaufnahmen, gespickt mit einigen wenigen Drohnenflügen. Diese realen Momente werden daher auch unverfälscht an den Zuschauer vermittelt und spielen daher mehr mit den verschiedensten Gefühlsregungen als es ein inszeniertes Werk je könnte. Diese gezeigten kleinen, fast schon alltäglichen Erlebnisse schaffen eine emotionale Tiefe. Es gibt zudem keinen Grund eine Bewertung der Kameraführung, Motivwahl oder sonstigen stilistischen Mitteln abzugeben, da hierbei stets bedacht werden muss, dass es sich hierbei um reale Aufnahmen aus einem Krisengebiet handelt. Vielmehr ist es lobenswert, dass im Angesicht solch prekärer Ereignisse solche Aufnahmen festgehalten wurden und nun der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
In einer höchst emotionalen Dokumentation werden zum einen tiefgreifende Einblicke in das Leben syrischer Rebellen geboten und zum Anderen Aufklärungsversuche geboten, wie die Geschehnisse im streng umkämpften Gebiet Syriens zu Stande kamen und wie sich die Revolte entwickelten. Gleichzeitig wird ein sehr persönlicher Eindruck geboten, der dem internationalen Publikum möglicherweise einen Verständnisansatz bieten kann, warum viele der Familien, die in eben jenen Krisengebieten leben, dort ausharren und ihr altes Leben nicht aufgeben wollen. Der Film bietet sowohl Aufklärung als auch Einblicke, die echter wohl kaum sein könnten. Bestehend aus persönlichen Aufnahmen der Regisseurin Waad al-Kateab schafft es FÜR SAMA zeitgleich eine Liebesbotschaft zu zeigen, als auch ein dramatische und erschreckende Wiederspiegelung der Realität, die für uns kaum vorstellbar erscheint.