Bereits 2020 berichtete ich von dem Film ENFANT TERRIBLE, der bei Kritikern große Wellen geschlagen hat, welcher jedoch meiner Ansicht nach nur ein abscheuliches Bild eines noch abscheulicheren Mannes präsentiert. Die Rede ist von Rainer Werner Fassbinder, der 1982 verstarb und trotzdem bis heute zu einem der ungewöhnlichsten Regisseure aus Deutschland zählt. 1972 war Fassbinders Film DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT bei der Berlinale für den goldenen Bären nominiert. Nun eröffnete am 10.02.2022 der Film PETER VON KANT die diesjährige Berlinale und ringt ebenfalls im Wettbewerb um eine heiß begehrte Auszeichnung. Dieser Film zeichnet ein Remake des früheren Fassbinder Films mit einer neuen Figurenkonstellation. In der Hauptrolle sehen wir Denis Ménochet, der nicht unbedingt zu den gängigsten Gesichtern des internationalen Kinos zählt, aber dennoch immer wieder in großen Filmen wie zuletzt THE FRENCH DISPATCH oder als Perrier LaPadite in INGLOURIOUS BASTERDS.
Darum geht es…
Köln, 1972. Peter von Kant ist ein äußerst umtriebiger, vierzigjähriger Mann, der sowohl erfolgreicher Regisseur als auch leidenschaftlicher Liebhaber ist. In seiner sehr luxuriösen und großzügigen Wohnung lebt er zusammen mit dem dürren Karl, der als Assistent dafür zuständig ist, die Gedanken von Kant schriftlich festzuhalten, aber sich auch darum kümmert, dass es dem Cineasten an nichts fehlt. Teilweise wird Karl regelrecht als wertloser Bediensteter behandelt und lässt dennoch diese Schmach über sich ergehen. Dennoch wird es für ihn unerträglich, als Peter den jungen Schauspieler Amir kennen lernt, mit welchem er sogleich eine innige Beziehung eingeht, die sowohl beruflicher Natur als auch privater ist. Der anfangs zögerliche Amir erkennt natürlich seine Chance, dadurch eine große Karriere zu starten und nutzt sie sofort.
Rezension
Diese Besprechung entsteht ohne Kenntnis des Originalfilms DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT.
Endlich bekommen wir mal wieder ein Kammerspiel, denn davon gibt es leider viel zu wenige. Dies mag daran liegen, dass die Strukturen solcher Werke sich häufig sehr ähneln und die Möglichkeiten in einem einzigen Raum oder einer Wohnung hinsichtlich mitreißender Handlungsstränge auch häufig begrenzt sind. Der Grundgedanke des Films PETER VON KANT ist dabei tatsächlich einmal eine nette Abwechslung, denn die immer gleichen eskalierenden Komödien werden auch irgendwann langweilig. Doch so viel anders ist die Story dann auch wieder nicht, denn statt einer eskalierenden Comedyperformance erhalten wir nun ein eskalierendes Drama. Dieses ist jedoch geprägt von zwei recht ausführlichen und sinnlichen Tänzen, ausschweifenden Dialogen und einer sexuellen Spannung, die stets allgegenwertig scheint.
Sehr schnell wird klar, dass ähnlich wie schon ENFANT TERRIBLE dieser Film eine absolute Hommage an Rainer Werner Fassbinder darstellen soll, denn Hauptdarsteller Denis Ménochet, den kaum wiederzuerkennen ist in seinem Auftreten, verkörpert ein absolutes Ebenbild dieser Regieikone. Die Figur PETER VON KANT ist ebenfalls ein massiver Trinker, ist Drogen nicht abgeneigt, ergibt sich stets seiner sexuellen Lust und ist dabei kaum wählerisch und tritt als äußerst anziehend und zugleich unerträglich exzentrisch auf. All diese Facetten präsentiert uns Ménochet wunderbar. Gleichzeitig gehören solche Figurenbilder auf der Kinoleinwand verboten, denn sie leben eine absurde Clanstruktur vor, die aus mehreren Perspektiven als Verachtungswert zu bezeichnen ist. Dafür reicht schon ein Blick auf den Umgang mit Karl, gespielt von Stefan Crepon, welcher zuletzt in der beliebten Serie LUPIN zu sehen war. Es ist beschämend, wie ein Mensch wie Dreck behandelt wird und dies auch noch vom Publikum gefeiert werden soll.
Fassbinders Erbe
Crepon hat jedoch eine meisterhafte Darbietung präsentiert. Obwohl er nur als kleine Nebenfigur fungiert, die nicht einen Satz zu sprechen bekommt und stets auf das Bitterste nieder gemacht wird, präsentiert uns der Franzose eine deutlich affektvollere Figur, als es der Protagonist ist. Das Publikum kann regelrecht mitleiden mit seiner Person, und in seinem Blick sind unfassbar viele Emotionen abzuleiten, die eine ganz eigene und umfassende Geschichte über ihn erzählt. Kurioserweise sieht er ein wenig aus wie ein dürrer Rami Malek und steht in seinem Auftreten der Darstellung Maleks als Freddie Mercury in BOHEMIAN RHAPSODY in nichts nach.
Sehr auffällig wirkt die Art des Sprechens von Ménochet, der seine Sätze stets laut und in hohem Tempo beginnt und diese immer weiter abklingen lässt und zum Schluss eines Satzes auch das Tempo herausnimmt. Dieser Stil zieht sich durch den gesamten Film hindurch. Etwas kurios scheint auch, dass die Dialoge zumeist in französischer Sprache sind – es ist ja auch ein französischer Film – gelegentlich jedoch auch ins Deutsche wechseln. Insbesondere ist dies verwirrend, wo die Handlung doch in Köln stattfindet und sogar die Mutter, gespielt von Hanna Schygulla, der Hauptfigur nur in Deutsch zu kommunizieren scheint. Diese hat im Übrigen auch schon im Originalfilm mitgewirkt und einige weitere Produktionen mit Fassbinder realisiert. Darüber hinaus gibt es teilweise größere Zeitsprünge, die keinerlei Erwähnung finden und daher gelegentlich sogar verpasst werden können.
Fazit
Wie ich bereits durchklingen lies, kann ich unkontrollierbaren, drogenabhängigen, stets fordernden Exzentrikern nicht abgewinnen, da diese oftmals zu den unangenehmsten Persönlichkeiten einer Gesellschaft gehören. Dies spiegelt sich auch hier deutlich wider, weshalb ich mit PETER VON KANT leider zu keiner zeit sympathisieren konnte und zu dieser Figur eine tiefe Abneigung hege. Zudem bilden sich an manchen Stellen einige unlogische Entwicklungen (so bezeichnet sich die Filmtochter als 14 Jahre alt, macht gleichzeitig aber den Eindruck einer 27-Jährigen). Es gibt durchaus einige Szenen, wie eben die Tanzsequenzen, die mir recht gut gefallen haben, auch wenn sie aus einem nicht erkennbaren Grund nicht in Gänze ausgekostet werden, sondern stets vor Ende einen Abbruch finden. PETER VON KANT ist somit ein ganz klassischer Liebling der Kritiker und passt genau in die Schablone eines Berlinalefilms, der das Festival eröffnet. Ich war nicht gelangweilt, aber empfehlen würde ich das Werk nur Leuten, die schon einmal einen Fassbinder-Film gesehen haben.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Back in 2020, I reported on the film ENFANT TERRIBLE, which made big waves with critics, but which, in my opinion, only presents a hideous picture of an even more hideous man. We are talking about Rainer Werner Fassbinder, who died in 1982 but is still one of the most unusual directors from Germany. In 1972 Fassbinder’s film DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT was nominated for the Golden Bear at the Berlinale. Now, on 10 February 2022, the film PETER VON KANT opened this year’s Berlinale and is also vying for a much-coveted award in competition. This film draws a remake of the earlier Fassbinder film with a new constellation of characters. In the leading role we see Denis Ménochet, who is not necessarily one of the most common faces in international cinema, but who nevertheless appears time and again in great films such as most recently THE FRENCH DISPATCH or as Perrier LaPadite in INGLOURIOUS BASTERDS.
This is what it’s all about…
Cologne, 1972. Peter von Kant is an extremely busy forty-year-old man who is both a successful director and a passionate lover. In his very luxurious and spacious flat he lives together with the scrawny Karl, who as an assistant is responsible for recording Kant’s thoughts in writing, but also makes sure that the cineaste wants for nothing. At times, Karl is downright treated as a worthless servant, and yet he puts up with this ignominy. Nevertheless, it becomes unbearable for him when Peter meets the young actor Amir, with whom he immediately enters into an intimate relationship that is both professional and private. Amir, who is hesitant at first, naturally recognises his chance to launch a great career and seizes it immediately.
Review
This review is written without any knowledge of the original film DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT.
At last we get another chamber drama, as there are unfortunately far too few of them. This may be due to the fact that the structures of such works are often very similar and the possibilities in a single room or flat are also often limited in terms of rousing plot lines. The basic idea of the film PETER VON KANT is actually a nice change, because the same old escalating comedies also get boring at some point. But the story is not that much different, because instead of an escalating comedy performance we now get an escalating drama. However, this is characterised by two quite extensive and sensual dances, debauched dialogues and a sexual tension that always seems omnipresent.
It quickly becomes clear that, like ENFANT TERRIBLE, this film is an absolute homage to Rainer Werner Fassbinder, for the leading actor Denis Ménochet, who is almost unrecognisable in his appearance, embodies an absolute image of this iconic director. The character PETER VON KANT is also a massive drinker, is not averse to drugs, always surrenders to his sexual lust and is hardly choosy and appears as extremely attractive and at the same time unbearably eccentric. Ménochet presents all these facets to us wonderfully. At the same time, such character portrayals belong banned on the cinema screen, because they exemplify an absurd clan structure that can be described as contemptible from several perspectives. Just one look at the way Karl, played by Stefan Crepon, who was last seen in the popular series LUPIN, is treated is enough to prove this. It is shameful how a human being is treated like dirt and this is also to be celebrated by the audience.
Fassbinder’s legacy
Crepon, however, presented a masterful performance. Although he only functions as a minor supporting character who does not get to speak a single sentence and is always put down in the most bitter way, the Frenchman presents us with a much more affecting figure than the protagonist is. The audience can literally sympathise with his character, and an incredible amount of emotion can be derived from his gaze, which tells a very unique and comprehensive story about him. Curiously, he looks a bit like a scrawny Rami Malek and is on a par with Malek’s portrayal as Freddie Mercury in BOHEMIAN RHAPSODY.
Very striking is the way Ménochet speaks, always starting his sentences loudly and at a high tempo and letting them decay more and more and also taking the tempo out at the end of a sentence. This style runs through the entire film. It also seems somewhat curious that the dialogue is mostly in French – it is, after all, a French film – but occasionally switches to German. This is particularly confusing since the action takes place in Cologne and even the mother, played by Hanna Schygulla, of the main character seems to communicate only in German. Incidentally, she also worked in the original film and made several other productions with Fassbinder. In addition, there are sometimes major jumps in time that are not mentioned at all and can therefore occasionally even be missed.
Conclusion
As I have already let it be known, I cannot stand uncontrollable, drug-addicted, ever-demanding eccentrics, as they are often among the most unpleasant personalities in a society. This is also clearly reflected here, which is why I unfortunately could not sympathise with PETER VON KANT at any time and have a deep dislike for this character. In addition, there are some illogical developments in places (for example, the film’s daughter describes herself as 14 years old, but at the same time gives the impression of being 27). There are certainly some scenes, such as the dance sequences, that I liked quite a bit, even if for some unknown reason they are not savoured in their entirety, but always come to a halt before the end. PETER VON KANT is thus a classic darling of the critics and fits perfectly into the template of a Berlinale film that opens the festival. I wasn’t bored, but I would only recommend it to people who have already seen a Fassbinder film.
How did you like the movie?
Originaltitel | Peter von Kant |
Berlinale – Release | 10.02.2022 |
Berlinale – Sektion | Wettbewerb |
Länge | ca. 90 Minuten |
Produktionsland | Frankreich |
Genre | Drama |
Verleih | unbekannt |
FSK | unbekannt |
Regie | François Ozon |
Drehbuch | François Ozon |
Produzierende | François Ozon |
Musik | Clément Ducol |
Kamera | Manuel Dacosse |
Schnitt | David Bertrand |
Besetzung | Rolle |
Denis Ménochet | Peter von Kant |
Isabelle Adjani | Sidonie |
Khalil Ben Gharbia | Amir |
Hanna Schygulla | Rosemarie |
Stefan Crepon | Karl |
Aminthe Audiard | Gabrielle |
Wie hat Dir der Film gefallen?
Hinterlasse einen Kommentar