Regiedebüts beweisen immer wieder das Potenzial zu unerwarteten Meisterwerken, denn gerade junge Filmteams sind noch voller Ideenreichtum und Engagement. SCHLECHTE HELDEN ist ein Studentenabschlussfilm der Regisseure David Grimaud, Andreas Klinger und David-Jonas Frei, die mittels Crowdfunding die nötigen finanziellen Mittel zusammengetragen haben, um das Projekt in bester Manier zu entwickeln. Wie David Grimauld in einem ausführlichen Vorabinterview meinte, waren die Finanzen dennoch recht knapp gestrickt. Laut Startnext wurden etwas mehr als 3.000 Euro generiert. Andere Quellen hingegen offenbaren ein geschätztes Gesamtbudget von 130.000 Euro, welches womöglich mit Zuschüssen der FilmArche sowie von Blue Arc Production erklärt werden kann.[1] Der Schweizer David-Jonas Frei, der zuvor auf den Theaterbühnen Europas zu Hause war, hat neben der Regie auch die Produktion, das Drehbuch und die Hauptrolle im hiesigen Film übernommen.
Darum geht es
Finn führt ein traumhaftes Leben auf dem Land. Noch immer wohnt er im Elternhaus, studiert, hat ein eigenes Lama und hängt gerne mit seinem besten Kumpel ab. Doch das unbeschwerte Leben endet abrupt, als der Slacker plötzlich seinen Studienplatz verliert und kurz darauf die Chemiefirma seines Vaters in die Luft jagt. Das lassen sich seine Eltern nicht gefallen und setzen ihn kurzerhand auf die Straße. Doch die schlimmste Strafe ist, dass sein Lama Beethoven an den nächsten Metzger verkauft wurde, der angewiesen ist, dieses zu schlachten. Finn und Nico müssen auf eine Rettungsmission gehen, die einige abenteuerliche Hürden mit sich bringt. Zur Hilfe kommen ihnen Lea und Kimi, doch werden die Vier noch rechtzeitig kommen, um Beethovens Schicksal abwenden zu können?
Rezension
SCHLECHTE HELDEN eröffnet im Stile einer deutschen Serienfolge der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. In einem schnellen Zusammenschnitt, unterlegt mit einem musikalischen Abklatsch, der an diverse Tiersendungen erinnert, sehen wir die unterschiedlichsten zentralen Handlungsorte, bekommen die Hauptfiguren vorgestellt und werden mit der Stimme der Sprecherlegende Joachim Kerzel, der unter anderem Jack Nicholson, Dustin Hoffman, Jean Reno und Anthony Hopkins synchronisierte, in die Geschichte eingeführt. Tragischerweise wird dabei vorgegriffen und wir erfahren durch die Blume, was uns in den kommenden 15 Minuten so alles erwarten wird, wodurch ein holpriger Startschuss vorprogrammiert ist.
Wer es vor dem Film noch nicht wusste, wird recht schnell erkennen, dass dem Filmteam ein eher kleines Produktionsbudget zur Verfügung stand, denn bereits frühzeitig treffen wir auf erste digitale Einfügungen, die fernab des heutigen Filmstandards liegen. Fraglich bleibt dabei einzig, ob die diskutable Visualisierung einer Explosion und derer Folgen gewollt überspitzt wurde, in dem Bewusstsein nicht die Qualität einer etablierten VFX-Firma bieten zu können, oder tatsächlich auf mangelnden Fähigkeiten beruht. Auch in anderen Szenen sehen wir immer wieder, wie Grafiken auf das überraschend hochwertige Kamerabild nachträglich drübergelegt wurden und leider nie so recht eins werden mit dem Hintergrund. Die äußerst wertigen Aufnahmen lassen sich hingegen durch eine professionelle Ausstattung der Firma ARRI erklären, die führend auf dem Markt der Filmtechnik ist und deren Unterstützung regelrecht als Coup für die Produktion betrachtet werden kann. Sogar mehrere ansehnliche Drohnenshots tauchen im Verlauf des Werkes auf.
Die Lümmel von der ersten Bank
Abseits davon ist jedoch deutlich erkennbar, dass viele Szenen nach Lehrbuch angelegt sind und vor allem Innen- und Nachtaufnahmen lassen deutlich die Setaufbauten, die sich rund um das gezeigte Bild platzieren, erahnen. Nicht ungewöhnlich ist natürlich die Nutzung von künstlichen Lichtquellen bei der Filmproduktion, hier jedoch finden diese recht häufig und vor allem für das Publikum sichtbar Anwendung. So werden Nachtsequenzen teilweise mit blauem Licht ausgestattet in der Annahme, eine natürliche Farbgebung damit zu erzeugen. Dem ist leider nicht so. Angesichts der überzogenen Anwendung solcher technischen Makel kann jedoch in Betracht gezogen werden, dass das Regieteam mit SCHLECHTE HELDEN eher eine Persiflage auf Slackerkomödien entwickeln wollte, da solche Genreverspottungen häufig bewusst auf kinematografische Mängel setzen.
Leider jedoch weist der Streifen nicht nur in technischen Fragen einige erhebliche Probleme auf, sondern muss auch in der Dramaturgie und den schauspielerischen Darbietungen einige Abstriche hinnehmen. Trotz eines Casts, der für einen Abschlussfilm überraschen stark besetzt ist, ist es gerade einmal die junge Österreicherin Valerie Bast, die mit ein wenig Natürlichkeit punkten kann. Da es fast schon Methode hat, dass die darstellenden Darbietungen hölzern, distanziert und unnahbar wirken, ist nicht auszuschließen, dass hier strikt nach einem gefühlt nicht vorhandenen Drehbuch vorgegangen wurde. Überinszenierte Interaktionen erwecken den Eindruck, einem Theaterstück beizuwohnen, nicht aber Menschen in realen Situationen zu beobachten. Das wohl Anstrengendste daran ist, den Personen zuschauen zu müssen, wie sie zwanghaft vermeiden zu blinzeln, während sie das gefühlt 17. Mal „Alter“ in nur fünf Minuten rufen. Womöglich sorgt gerade dieser Punkt dafür, dass Menschlichkeit vergeblich gesucht werden muss.
Lama oder Lammbock?
Genremäßig konnte das Team sich wohl nicht so richtig entscheiden, weshalb wir eine Möchtegernkomödie erhalten, die auf flache Gags und ausbleibende Pointen setzt und stattdessen versucht, in Richtung Roadtrip Krimi mit lammbockesken Ideen abzudriften. Anspannung, Angst, Hilflosigkeit oder gar Mut sind von den Schauspielenden deutlich inszeniert und kommen daher nicht beim Publikum an. Stattdessen verfällt der Film in eine seltsame Form der Lethargie, da bereits nach rund der Hälfte der gesamten Spieldauer alle wesentlichen Plotpoints auf den Tisch gelegt wurden und daraufhin die Story sich von Szene zu Szene schleppt, ohne unerwartete Wendungen oder ansehnliche Inszenierungen zu bieten. Selbst der Payoff dümpelt vor sich hin und versucht nur noch irgendwie das Ziel zu erreichen. Wie zudem an dieser Review deutlich erkennbar, dient das untertitelgebende Lama lediglich als MacGuffin.
Fazit
In der heutigen Sprache würde man SCHLECHTE HELDEN als cringe bezeichnen, da immer ein wenig das Gefühl da ist, dass man als zuschauende Person im falschen Film ist. Nichts ist so richtig stimmig und ausgewogen. Auch wenn die Bilder Potenzial haben, so werden sie doch im Schnitt wieder verhunzt, insbesondere da jede neue Szenerie auch einen neuen Score mit sich bringt und daher keine Symbiose der einzelnen Sequenzen möglich ist. Die entscheidende abschließende Frage ist nun: Was kann man von einem Studierendenfilm erwarten? Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Bewertung ohne einen „Studentenbonus“ und damit im direkten Vergleich mit der Profiliga stattfindet. Um das Ganze jedoch ein wenig zu entschärfen, sei gesagt, dass Studierende häufig noch Einflüsse ihrer Dozenten widerspiegeln. Die Hoffnung ist daher groß, dass künftige eigene Projekte auch eine eigene Identität entwickeln und damit nicht im Allerlei der deutschen TV-Produktionen untergehen.
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Quelle
[1] Schlechte Helden oder ein Lama namens Beethoven, IMDb, imdb.com, abgerufen am 11.07.2022
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