Gorehounds dürften bei dem Namen Ryûhei Kitamura sofort hellhörig werden. Wenn es etwas gibt, das sich durch das filmische Schaffen des japanischen Regisseurs und Drehbuchautors wie ein roter Faden zieht, dann ist es der Hang zu ausufernden Gewaltszenen, die oftmals weit über den Härtegrad konventioneller Horrorfilme hinausgehen. Aufgrund der expliziten Darstellung blutiger Schauwerte in seinen meist im Horrorgenre angesiedelten Filmen, kam es in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass die Gewaltexzesse des Filmemachers entweder geschnitten auf dem deutschen Markt erschienen (NO ONE LIVES), nach ihrer Veröffentlichung auf dem Index landeten (VERSUS) oder in ihrer ungekürzten Version lediglich mit einem SPIO/JK-Siegel (THE MIDNIGHT MEAT TRAIN) eine Freigabe erhielten. Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V. (kurz: SPIO) ist für Filmverleihe die zweite Anlaufstelle nach der Freiwilligen Selbstkontrolle (kurz: FSK), wenn diese eine Jugendfreigabe ablehnt, um einem Film unter Berücksichtigung bestimmter Auflagen und Regeln doch noch eine Veröffentlichung in Deutschland zu gewähren. Eben jenes Schicksal musste nun auch Kitamuras neuester Horror-Streich THE PRICE WE PAY erfahren. Mit dieser Ankündigung sollte zumindest einmal jede Menge Gore und Splatter gesichert sein – doch wie sieht es mit allem anderen aus?
Darum geht es
Ein klassischer Fall von “zur falschen Zeit am falschen Ort”. Eigentlich war die junge Grace (Gigi Zumbado) gerade dabei, ihr Leben nach einem harten Schicksalsschlag wieder in geordnete Bahnen zu lenken, als sie sich plötzlich inmitten eines Raubüberfalls wiederfindet und prompt als Geisel genommen wird. Der Überfall durch den ehemaligen Soldaten Cody (Stephen Dorff) und seinen Komplizen (u.a. Taner Zagarino und Emile Hirsch) lief alles andere als geplant, hinterlässt einen blutigen Tatort und mit ihm auch eine weiträumig angelegte Polizeifahndung. Zuflucht finden die Flüchtigen samt ihrer verunsicherten Geisel auf einem abgelegenen Hof, der bis auf den Teenager Danny (Tyler Sanders) auf den ersten Blick unbewohnt scheint. Doch mit dem späteren Eintreffen weiterer Familienmitglieder, spitzt sich die sowieso schon angespannte Lage weiter zu, denn Dannys Familie kostet die Abgeschiedenheit ihres Zuhauses auf eine ganz spezielle Art und Weise aus – und die Neuankömmlinge bieten sich als perfekte Opfer für ihren überaus perfiden, sadistischen Nebenerwerb an!
Rezension
Wenn er nicht gerade auf die kreativen Ideen eines fähigen Geschichtenerzählers wie Clive Barker aufbauen kann, der im Falle der spannenden Schlachtplatte THE MIDNIGHT MEAT TRAIN nicht nur die als Vorlage dienende Kurzgeschichte verfasste, sondern darüber hinaus auch noch am Schreibprozess des Drehbuchs beteiligt war, hat Ryûhei Kitamura in seinen brutalen Machwerken in den seltensten Fällen etwas Interessantes zu erzählen. Nachdem es in seinem 2012 erschienen Horrorthriller NO ONE LIVES bereits einer Gruppe Verbrecher an den Kragen ging, recycelt er das damals schon eher dürftige Konzept in THE PRICE WE PAY erneut und lässt die Bösen so lange die Bösen sein, bis etwas noch viel Böseres auf der Bildfläche erscheint. Blöd nur, dass sich Kitamura abgesehen von den zeigefreudigen Ausweidungen seiner Protagonist*innen, kein bisschen für das Innenleben seiner Figuren zu interessieren scheint. Diese Gleichgültigkeit resultiert in einem Sammelsurium an eindimensionalen Stereotypen, angeführt von einem blassen, dem Schema-F des Horroreinmaleins entsprungenen Final Girls umringt von nervigen Unsympathen.
Eine recht dröge Angelegenheit! Nachdem gleich zu Beginn ein mysteriöser Killer angeteasert wird, der sich dann jedoch für lange Zeit wieder aus dem Staub macht, befindet sich die Verbrecherbande zunächst auf der Flucht, misstraut sich gegenseitig und plaudert nebenbei über allerhand uninteressanten Verbrecher-Kram, ehe das Schlussdrittel immerhin in Sachen blutiger Schauwerte einen ordentlichen Gang zulegt. Als Spielwiese für ein breites Spektrum an Grausamkeiten hat sich THE PRICE WE PAY für die wohl einfallsloseste Art der selbstzweckhaften Gewalt entschieden – dem Torture-Porn. Während sich wirklich schockierende Filme expliziter Bilder bedienen, um ihren aufwühlenden Themen Ausdruck zu verleihen, verhält es sich in Ryûhei Kitamuras Horror-Gurke komplett diametral. Die gesamte Geschichte und mit ihr auch jede einzelne Figur dient einzig und alleine dem Zweck, diverse Gewaltspitzen lose miteinander zu verknüpfen. Dabei sind die meist praktischen Effekte selten überzeugend, oft unfreiwillig komisch oder einfach nur lieblos in Szene gesetzt. Eine Schockwirkung bleibt aus – und der Unterhaltungswert gleich mit.
Wenn nicht einmal der Gore stimmt…
Nun ist die Herangehensweise des Zielpublikums an einen Film dieser Art natürlich eine andere als bei anspruchsvolleren Werken. Doch wenn nicht einmal die Gewaltszenen eine Sichtung rechtfertigen, bleibt nun mal nur noch das ganze filmische Drumherum – das besteht aus oberflächlichen Figuren, einem quasi nicht vorhandenen Plot, schwachen Darsteller*innen, wie dem längst in den Tiefen des B-Movie-Sumpfes verschollenen Stephen Dorff, und einem stümperhaften, unkoordinierten Schnittgewitter voller Anschlussfehler. Mit einer Nettolaufzeit von knapp 81 Minuten ist THE PRICE WE PAY immerhin angenehm kurz geraten und hält für hartnäckige Zuschauer*innen, die bis zum Schluss dranbleiben, einen zugegebenermaßen unglaublich spaßigen und extrem blutigen letzten Kill parat, der aber trotz all seiner sehenswerten Eigenschaften nicht für die vorangegangenen zähen Ereignisse entschädigt. Wer in dessen Genuss kommen will, muss dafür zunächst einen altbackenen, spannungsarmen Horrorthriller über sich ergehen lassen – aber wie es der Titel schon sagt: Das ist der Preis, den wir zahlen…
Fazit
Für Freund*innen von beinharten Horrorfilmen hat THE PRICE WE PAY trotz des reißerischen SPIO/JK-Siegels zu wenig Gesplatter zu bieten und für echte Filminteressierte ist er schlicht und ergreifend kein guter Film. Während Ryûhei Kitamura in den frühen 2010ern noch für durchgestylte Horrorunterhaltung stand, erreicht der japanische Regisseur nach verschiedenen missglückten Filmen mit THE PRICE WE PAY seinen bisherigen Tiefpunkt.
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