Punk ist tot! So heißt es auf jeden Fall! Doch was ist Punk? Und ist Punk wirklich tot? Punk war in den 1970ern eine Gegenbewegung, englische Jugendliche waren genervt von ihren spießigen Eltern und von der Kultur, die ihr Land mitgebracht hat. Aus Wut und Verzweiflung wurde eine Bewegung geschaffen, von der jeder ein Teil sein konnte, um Teil einer Punkband zu sein, musste man kein*e virtuose*r Musiker*in sein, jeder konnte sich eine Gitarre umhängen und mit einfachen Power-Chords kraftvolle Songs schreiben. Die ersten Bands wie „Sex Pistols“ oder „The Clash“ haben sich mit Songs wie „Anarchy in the UK“ oder „I fought the law“ einen Namen in der Szene gemacht und viele Nachahmer gefunden. Die Punk-Welle sollte später über die USA einbrechen, wodurch sich Bands wie „NOFX“ oder „Bad Religion“ gegründet haben, die teilweise heute noch aktiv sind.
Genau in dieser Szene fühlt sich die Hauptfigur in Adam Rehmeiers neustem Film DINNER IN AMERICA zuhause. Es handelt sich bei diesem Film um Adam Rehmeiers sechste Regiearbeit, sein bekanntestes und gleichzeitig kontroversestes Werk, dürfte BUNNY GAME sein, ein Film, in dem eine Prostituierte von einem Trucker entführt und gefoltert wird. Durch die Härte, die der Film mit sich bringt, wurde er in Deutschland nicht veröffentlicht. Ob DINNER IN AMERICA eine ähnliche Drastik mitbringt, könnt ihr in folgendem Text erfahren.
Darum geht es…
Simon (Kyle Gallner) versucht sich über Wasser zu halten. Der junge Punk hat kaum noch Geld, und nimmt deswegen an Medikamentenstudien teil, er ist sich für nichts zu schade. Da er keine feste Bleibe hat, lässt Simon gerne seinen Charme spielen, um bei jungen Frauen unterzukommen. Als er gerade wieder bei einer spießigen Familie am Abendbrottisch sitzt, wirft er ein Auge auf die Mutter und beginnt nach dem Essen mit ihr zu flirten. Als die anderen das mitbekommen wird er aus dem Haus gejagt, worauf der Pyromane dieses in Brand steckt. Auf der Flucht vor der Polizei trifft Simon auf die etwas seltsame Patty (Emily Skeggs). Sie hat gerade ihren Job in der örtlichen Tierhandlung verloren und sitzt niedergeschlagen im Innenhof. Auch sie verfällt Simon sofort, allerdings strahlt auch Patty eine gewisse Faszination auf den jungen Punker aus. So lässt sie ihn in ihr Haus und Simon beginnt die Familie umzukrempeln.
Rezension
Auf den ersten Blick könnte DINNER IN AMERICA wie eine ganz normale Coming-of-Age-Komödie wirken. Zwei ungleiche Figuren treffen aufeinander, verlieben sich, The End. Adam Rehmeiers Film bringt aber wesentlich mehr mit und bricht mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer*innen. Der Film beginnt mit einem völlig zugedröhnten Simon, der gerade einen Medikamententest hinter sich gebracht hat, man beobachtet einen sabbernden jungen Mann, dem es kaum gelingt, eine Gabel gerade zu halten. Im Hintergrund hören wir wummernde Bässe, die mit den Bildern brechen und uns einen Einblick in das Seelenleben des jungen Mannes geben. Trotz der friedlichen und behüteten Welt, in der er lebt, ist er voller Schmerz, voller Wut auf die Welt, er ekelt sich vor den Menschen, die sich durchs Leben treiben lassen. Obwohl er im ersten Moment wie ein asozialer Prolet wirkt, steckt in Simon ein tief verwurzelter Gerechtigkeitssinn, den er auch mit unkonventionellen Methoden umsetzt.
Ihm gegenüber steht Patty. Sie kommt zwar ebenfalls aus einem sehr behüteten Elternhaus, ist aber das komplette Gegenteil zu Simon. Bei Patty handelt es sich um einen sehr ruhigen und introvertierten Charakter, sie lässt Mobbing und andere Gemeinheiten einfach über sich ergehen. Da sie von den meisten Mitmenschen als eine schwache und bemitleidenswerte Figur wahrgenommen wird, wird sie zu einem Spielball der Gesellschaft. Mittlerweile hat sie ihr Leid akzeptiert und versucht einfach nicht aufzufallen. Als sie mit der Musik der Punkband Psyops in Berührung kommt, sorgen die harten und energetischen Songs für die ersten Risse in der Fassade der jungen Frau, eine Fassade die später von Simon gänzlich eingerissen werden soll.
Ungewöhnlich, aber liebenswert.
Gerade in den Momenten, in denen beide Figuren miteinander interagieren spielt DINNER IN AMERICA seine Stärken aus. Obwohl es sich bei Kyle Gallner und Emily Skeggs um etwas unbekanntere Schauspieler*innen handelt, schaffen sie es die Zuschauer*innen mit den großartigen Verkörperungen ihrer Figuren voll und ganz in den Bann zu ziehen. Allerdings benötigt man etwas Zeit, um sich an die ungewöhnlichen Figuren zu gewöhnen. Gerade zu beginn wirken sie sehr überzeichnet, je länger man sie begleitet, desto mehr wachsen sie einem doch ans Herz, auch wenn Simon ein Haus angezündet hat. Beide Charaktere helfen dem/der Gegenüber bei der Metamorphose zu einer besseren und vor allem glücklicheren Person, ohne den/die andere bewusst verändern zu wollen.
Diese Veränderung zeigt sich nicht nur im Verhalten der Figuren, die komplette Inszenierung des Films verändert sich im Laufe der Zeit. Gerade zu Beginn fühlt es sich an, als würde man sich auf stürmischer See befinden und mit ganzer Kraft dafür arbeiten müssen, nicht ins kalte Meer zu fallen. Je länger der Film andauert und desto besser sich Patty und Simon kennen lernen, desto ruhiger wird die See, man beginnt die Reise zu genießen und verbucht auch den Sturm als eine wertvolle Erfahrung.
Witze voller Bedeutung
Wie man oben lesen kann, lebt der Film insbesondere vom den beiden sehr gut geschriebenen Hauptfiguren. Darüber hinaus schafft es Adam Rehmeier den Film mit einem sehr schrulligen Humor zu versehen, der teilweise an die Filme von Wes Anderson erinnern. So beobachten wir Patty dabei, wie sie immer wieder versucht einen Basketball in den Korb zu werfen, der an der Garage hängt, es will ihr aber einfach nicht gelingen. Der Humor entsteht hier durch eine sehr lange Einstellung und dem rigorosen Scheitern. Zu solchen skurrilen Szenen kommt es immer wieder, allerdings werden hier nie Witze für einen einfachen Lacher etabliert, sie haben auch immer eine zweite Ebene. Die Basketballszene wird später erneut aufgegriffen und diesmal soll Patty der Treffer gelingen, wir sehen dadurch die Weiterentwicklung der jungen Frau.
Fazit
DINNER IN AMERICA ist eine etwas ungewöhnliche Coming-of-Age Geschichte, die, wenn man sich drauf einlässt, einen sehr großen Mehrwert mitbringt. Der Einstieg in den Film kann sich als etwas steinig erweisen, wenn man dann aber auf dem Weg bleibt, wird man für die Mühen belohnt. Der Film ist voller Bedeutung, und entführt uns in die Welt zweier ungleicher Figuren, die sich beide zu besseren Menschen machen. Insbesondere das Schauspiel von Emily Skeggs und Kyle Gallner ist dabei sehr positiv hervorzuheben, in wenigen Filmen des Genres hat man bisher zwei Hauptfiguren gesehen, die eine so einnehmende Chemie miteinander hatten.
Simon (Kyle Gallner) ist der Sänger einer Punkband und versucht sich finanziell irgendwie über Wasser zu halten. Seine Masche: er lässt seinen Charme spielen, um für ein paar Nächte bei den Töchtern wohlhabender Familien zu übernachten, als er Patty (Emily Skeggs) kennen lernt, hätte er nicht damit gerechnet, dass sich sein Leben für immer ändern würde.
Adam Rehmeiers neuster Film ist ein wilder Ritt, der einen schwierigen Einstieg bietet, sobald man sich auf die Handlung einlässt, allerdings ungemein belohnt. Anfangs strahlt der Film, durch unruhige Bilder und schnelle Songs, die innere Wut von Simon aus, mit fortlaufender Handlung wird die Reise immer entspannter und wir lernen sowohl Simon als auch Patty kennen. Beide Figuren fühlen sich an wie zwei Puzzleteile, für die die andere Person ein wichtiger Teil im Leben ist. Eine sehr ruhige und introvertierte Frau, die von niemandem ernst genommen wird und ein extrovertierter und bedrohlicher Punk, der auch nicht vor Gewalt zurückschreckt.
Sie schaffen es von ihrem Gegenüber zu lernen und werden so zu glücklicheren Menschen, die ihren Platz finden. Der Film lebt von der großartigen Chemie zwischen Kyle Gallner und Emily Skeggs, selten hat man in Coming-of-Age-Filmen ein Paar gesehen, zwischen dem eine solche leidenschaftliche Spannung zu spüren ist. Darüber hinaus bringt DINNER IN AMERICA einen sehr schrulligen Humor mit, der teilweise an die Filme von Wes Anderson erinnert, nicht zuletzt wegen der sehr ungewöhnlichen Figuren und ihrem unberechenbaren Verhalten.
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Originaltitel | Dinner in America |
DVD/Blu-ray – Release | 31.03.2022 |
Länge | ca. 106 Minuten |
Produktionsland | USA |
Genre | Komödie | Drama | Musikfilm |
Verleih | Koch Films |
FSK |
Regie | Adam Rhemeier |
Drehbuch | Adam Rehmeier |
Produzierende | Bull Blumenthal | Stephen Braun | Brett Brewer | Scott Carmel | John Covert | Michael Dunaway | Eric B. Fleischman | Jorge Garcia Castro | Karl Herrmann | David Hunter | Robert Kravis | Brandon Lichtenstein | Hannah Marks | Duncan Montgomery | Lucy Moroukian | Sean King O’Grady | Ross Putman | Haroon Saleem | Kerem Sanga | Michael Segal | Jack Selby | Sam Slater | Bill Stertz | Ben Stiller | Greta Villigran | Marcus Villigran | Katherine Waddell | Nicholas Weinstock | Monte Zajicek |
Musik | John Swihart |
Kamera | Jean-Philippe Bernier |
Schnitt | Adam Rehmeier |
Besetzung | Rolle |
Kyle Gallner | Simon |
Yancey Fuqua | Male Nurse |
Jennifer Kincer | Female Nurse |
Hannah Marks | Beth |
Ricky Wayne | Dr. Joy |
Lea Thompson | Betty |
Nick Chinlund | Bill |
Sean Rogers | Bobby |
Emily Skeggs | Patty |
Nico Greetham | Derrick |
Lukas Jacob | Brandon |
Sidi Henderson | Mr. Hanley |
Robert Skrok | Man in Alley |
Lena Drake | Gina |
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