Review Kurzkritik Fakten + Credits
Jedes neue Medium bringt neue Idole hervor. Durch das Kino haben wir zu den großen Stars aus Hollywood aufgeschaut und uns das prunkvolle Leben der Schauspieler*innen gewünscht. Irgendwann wurde uns durch Medien, wie die Schallplatte oder CD, der Zugang zur Musik erleichtert, plötzlich waren es die Popstars, zu denen wir aufgeschaut haben. Junge Mädchen sind ihren Stars nachgereist und bei einem Blick auf Ihre Vorbilder reihenweise in Ohnmacht gefallen. Heute sind es nicht mehr die Filmstars, oder die Popstars, die von Teenagern angeschmachtet werden, es sind Influencer*innen, die ihr scheinbar ganz normales Leben auf Social Media teilen. Sie leben davon ihren Fans auf Instagram, TikTok und Co. Produkte zu empfehlen, von Unternehmen, die sich durch die Authentizität und die Followerschaft der lebendig gewordenen Werbeflächen neue Absatzmärkte erhoffen.
In der Dokumentation GIRL GANG begleitet die Dokumentarfilmerin Susanne Regina Meures ein junges Mädchen, dass durch ihre Identität auf Social Media immer erfolgreicher wird. Für die Regisseurin ist es nicht der erste Film, in dem sie popkulturelle Elemente mit gesellschaftlichen Themen verknüpft, so hat sie in RAVING IRAN zwei iranische DJs begleitet, die ihre Leidenschaft nicht aufgeben wollen und so irgendwann aus ihrer Heimat fliehen müssen. In ihrem zweiten Film SAUDI RUNAWAY steht eine saudische Frau im Fokus, der Film dokumentiert dabei ihre Flucht anhand eigener Handyaufnahmen.
Darum geht es…
Auch bei GIRL GANG stehen wieder eine junge Frau und ihr Handy im Mittelpunkt. Über drei Jahre hat die Regisseurin die aufstrebende Influencerin Leonie “Leoobalys” und ihre Eltern begleitet. Wir sehen das Mädchen erstmalig im Alter von 14 Jahren und mit einer Followerschaft von einer halben Millionen Menschen. Im Gegensatz zu vielen anderen Social Media Stars, besteht das Management von Leoobalys aus ihrem Vater Andreas und ihrer Mutter Sani, sie versuchen die besten Deals für ihre Tochter auszuhandeln und sie vor windigen Marketing-Firmen, sowie Hass aus dem Netz zu schützen. Währenddessen sehen sich die beiden mit einer pubertierenden Teenagerin konfrontiert, die gerade bei Termindruck gegen die Vorgaben ihrer Eltern rebelliert.
Neben Leonie und ihrer Familie bietet der Film einen Einblick in die Welt eines Fans. Melanie lebt für Leoobalys, sie ist einer der größten Fans von Leonie. Anders als die Influencerin wohnt Melanie nicht in der Großstadt, sondern in einem kleinen Dorf in Bayern, gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Katzen. Sie betreibt eine Fanseite für Leoobalys und träumt davon ebenfalls auf Social Media wahrgenommen zu werden.
Rezension
Eine Erzählerinnen-Stimme berichtet uns von einem jungen Mädchen in der großen Stadt, im Hintergrund hören wie Chöre, es scheint fast so, als würden wir ein Märchen sehen, in dessen Mittelpunkt eine Prinzessin steht. So beginnt GIRL GANG und setzt scheinbar einen Kontrast zur eigentlichen Geschichte, dennoch fühlt sich der Film wie ein modernes Märchen an. Die Erzählerin berichtet von einem kleinen schwarzen Spiegel, den das Mädchen von ihren Eltern geschenkt bekommen hat. Bei der schwarzen reflektierenden Fläche handelt es sich um den ausgeschalteten Bildschirm des Smartphones, der das Leben der Familie für immer verändern sollte.
Im Film bekommen wir einen eindringlichen Blick in ein etwas anderes Familienunternehmen, alles ist auf den Erfolg von Leonie ausgerichtet, jeden Tag muss das Mädchen neben der Schule erneut für Social Media abliefern. Die Kamera ist dabei immer sehr dicht am Geschehen und wir sehen in Ausschnitten die neue Normalität der Familie. GIRL GANG kommt dabei ohne große Erklärungen oder Texte aus dem Off aus, wir werden stattdessen zu stillen Beobachter*innen in einer fremden Welt. Susanne Regina Meures gelingen dabei einige sehr geschickte Aufnahmen, die uns vor Augen führen, wie die junge Influencerin funktioniert. Wo wir in einem Moment eine genervte Teenagerin sehen, wird sie zu einer strahlenden und lebensfrohen Person, sobald die Kamera des Handys auf sie gerichtet ist. Sie wird so zu einer immer frohen, scheinbar perfekten Person, deren Lebensrealität auch ihre Fans erreichen wollen. In der Dokumentation sehen wir allerdings, wie das Leben der Familie wirklich aussieht und mit wie viel Druck sie zurechtkommen müssen.
Ein neutraler Blick in eine Fremde Welt
Meures bleibt dabei zu einem großen Teil neutral und will mit ihren Bildern die Wirklichkeit präsentieren, die Regisseurin verfolgt keinen aufklärerischen Ansatz, wie sie selbst berichtet. Dennoch werden die Bilder in GIRL GANG immer wieder mit sehr emotionalisierter Musik unterlegt, die es einem sehr schwer machen eine neutrale Sichtweise zu bewahren. Nichtsdestotrotz bietet der Film zu einem großen Teil wahrhaftige Einblicke in die Welt der Influencerin und da gehören neben dem Glanz und Glamour auch negative Aspekte dazu. Direkt zu Beginn wird Leonie mit einer Influencer Agentur konfrontiert, in der Leonie als „wichtige Ware“ gehandelt wird. Vor der Agentur wird sie zu einer Werbefigur und es wird ihr jegliche Menschlichkeit genommen, trotzdem wird von ihr verlangt menschlicher, authentischer zu sein.
Besonders interessant wird der Film durch die weitere Perspektive, die Melanie, also Leoobalys größter Fan, mitbringt. Wir sehen so auf der einen Seite das wahre Leben der Influencerin, eine echte Person, mit den echten Problemen einer pubertierenden Teenagerin. Auf der anderen Seite steht Leonie, die nur das Bild wahrnimmt, was die Influencerin nach außen spiegelt. Es fallen Sätze wie „Leos Leben ist perfekt“ und Melanie fühlt sich allein gelassen, als Leonie nicht auf ihre Nachrichten reagiert. Sie sieht in Leonie eine Freundin, eine Person, die für sie da ist. Diese Ebene verdeutlicht uns, warum die Social Media Stars eine so große Rolle für Unternehmen spielen. Die Fans sehen sich selbst in ihnen wieder und tun alles, um so zu sein wie ihre Idole, sie wollen dieselben Kleider tragen, dasselbe Make-Up benutzen und dieselben Orte bereisen.
Fazit:
GIRL GANG ist eine sehr sehenswerte Dokumentation, über das Leben und Schaffen einer jungen Influencerin. Wir bekommen einen ungeschönt neutralen Blick in die Welt von Leoobalys und ihren Eltern/ihrem Management. Der Film will nicht belehren, sondern präsentieren, sodass die Zuschauer*innen sich ein eigenes Bild machen können. Auch wenn der Einsatz der Musik teilweise manipulativ wirkt, entsteht hier kein negatives Bild über die Welt der Sozialen Medien. Insbesondere durch die Fan-Perspektive ergibt sich ein sehr umfängliches Bild darüber, was es heißt, als Teenagerin mitten in der Öffentlichkeit zu stehen.
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