Originaltitel: Harriet
Kinostart: ursprünglich 09.04.2020 – neuer Termin unbekannt
Länge: ca. 135 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Kasi Lemmons
Schauspieler:innen: Cynthia Erivo | Leslie Odom Jr. | Joe Alwyn
Genre: Biografie | Drama
Verleiher: Universal Pictures Germany
Abspannszenen: 1
Das Sklaventum ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Erstmals dokumentiert wurde diese in den Hochkulturen des Altertums und praktiziert in Mesopotamien, Ägypten und Palästina. Nach Amerika kam die menschenunwürdige Form der Besitzansprüche vor allem im 16. Jahrhundert, zu Beginn der Kolonialisierung des Kontinents. Als in Amerika die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben wurde gab es fast 500.000 Sklaven und die Zahl stieg in den Folgejahren weiter an. Während der Norden sich zwar schrittweise von eben jenem Missbrauch von Menschen befreite, stieg der Bedarf im Süden zunehmend, sodass Mitte des 19. Jahrhunderts sogar mehr als vier Millionen Menschen in diesen Zuständen leben mussten.
Ich höre nicht mit meiner Arbeit auf, nur weil es weit weg ist.
Das offizielle Ende der Sklaverei war 1865, doch war dies mehr ein Austausch von Begrifflichkeiten, da noch viele Jahrzehnte große Zahlen von Afroamerikanern zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Es gab unterschiedliche Formen der Tätigkeiten, welche auszuführen waren – so wurden Frauen zumeist eher für die Hausarbeit herangezogen, während Männer sich um Reparaturen, Feldarbeiten und allgemein handwerkliche Tätigkeiten kümmerten. Dabei galt das Prinzip: machst du deine Arbeit und hältst dich an die Regeln, so geschieht dir nichts – weigerst du dich jedoch, so warten Bestrafung und Folter. Auf diese Art und Weise machte man sich derer gefügig. Abgesehen davon wurden jedoch auch Sklaven teilweise noch deutlich härter missbraucht – sowohl sexuell als auch zur Belustigung der „reichen weißen Bevölkerung“.
Darum geht es…
Die Geschichte von HARRIET – DER WEG IN DIE FREIHEIT handelt von Harriet Tubman, geborene Araminta Ross, welche Anfang des 19. Jahrhunderts geborenen ist und am 10. März 1913 verstarb, die einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung von der Sklaverei geleistet hat. Bis etwa zu ihrem 29. Lebensjahr lebte sie selbst in Sklaverei, konnte dieser jedoch entfliehen. Im gleichen Jahr trat sie der Underground Railroad Hilfsorganisation bei. Diese war eine Zusammensetzung multikultureller Interessen mit dem Bestreben sich gegen die Sklaverei zu stellen. Um diese zu bekämpfen retten Mitglieder Sklaven aus den Südstaaten, in dem sie diese heimlich über geheime Routen in den Norden führten, wo die Sklaverei bereits weitestgehend abgeschafft war. Insgesamt wurden auf diese Weise über 100.000 Menschen befreit.
Harriet selbst trug dazu erheblich bei, in dem sie 70 Afroamerikaner in 19 Touren rettete und dabei nicht nur ihre eigene Familie vor dem Terror der „Weißen“ schützte. Dies geschah unter dem Decknamen „Moses“. Nach all ihren Rettungen begann der Bürgerkrieg, in dem sie ebenfalls mitwirkte. Bis zu ihrem Tod versuchte Sie das Leben von afroamerikanischen Mitbürgern zu verbessern, wobei ihr jedoch immer wieder massiv Steine in den Weg gelegt wurden. Dennoch ging sie als Legende in die Geschichte ein und hat daher völlig zurecht die Ehrung mittels eines solchen biografischen Films vollkommen verdient.
Rezension
Dieses Historien-Drama ist eine spannende und interessante Aufarbeitung der Geschichte und zeigt die Sklaverei, so bildlich sie auch aus unzähligen Produktionen bekannt zu sein scheint, noch einmal aus einem völlig neuen Blickwinkel. Hierbei wird die Biografie der Protagonistin zu Gunsten des Spielfilms etwas vernachlässigt und die Detailverliebtheit für einzelne Entwicklung deutlich mehr fokussiert. So bezieht sich das Werk vor allem auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg und damit die Rettung der Sklaven aus den Fängen ihrer Besitzer. Doch ist dies nicht so dramatisch, da der Film auch gar nicht den Anschein erwecken will vor allem biografisch orientiert zu sein.
Der Zuschauer wird einen ständigen Roadtrip aus Angst und Hoffnung mitgenommen, der ihn in eine schreckliche Welt der unwürdigen Lebensqualitäten mitnimmt, sich dabei jedoch noch deutlich zurück hält mit offensiver visueller Darstellung dortiger Problematiken. Es wird vielmehr ein grundlegender Gesamteindruck geschaffen, der von Beginn an negativ ausgerichtet ist und dem Publikum vor allem akustisch in kürzester Zeit die Dramatik verdeutlichen soll. So wird viel mit typischen sogenannten Worksongs der Afroamerikaner sowie Spirituals gearbeitet. Der Song „Stand Up“ wurde dieses Jahr sogar mit einer Nominierung bei den Oscars geehrt, auch wenn die letztliche Auszeichnung ausblieb. Hier ein Auszug aus dem Song, performed by Cynthia Erivo:
[embedyt] https://www.youtube.com/watch?v=sn19xvfoXvk[/embedyt]Hauptdarstellerin und Story im harmonischen Einklang
Neben der bewegenden Musik ist es jedoch vor allem die Story, die ruhig und bestimmend erzählt, den Zuschauer mitreißt. Zwar wird scheinbar etwas viel Zeit mit der Einführung der Figuren vergeudet, doch gleicht sich dies geschickt aus mit der etwas Rahmensprengenden Gesamtlänge des Werks. Somit kann gesagt werden, dass sich für nahezu alle Abschnitte des Lebens der Protagonistin ausreichend Zeit genommen wurde, auch wenn vor allem die Jahre ab dem Bürgerkrieg deutlich in den Hintergrund rücken und nur bruchstückhaft angedeutet werden.
Insbesondere die Hauptdarstellerin Cynthia Erivo durchlebt dabei einen herben Figurenwandel, den sie dennoch schafft, herausragend darzustellen. Sie schafft es dabei glaubhaft aus einer schwachen, fast schon erbärmlich hilflosen Figur eine starke Rechtekämpferin zu formen, die nichts erschüttern kann und welche zurecht den anerkennenden Respekt einfordert, der ihr zusteht. Es fällt dabei leicht ihren Leidensweg mit zu durchleben. Durch häufiges Stirnrunzeln, traurige Augen und dennoch einen starken Willen der in einem ungebändigten Gesicht seinen Ausdruck findet schafft sie es den Film im Alleingang zu einer emotionalen Achterbahnfahrt umzufunktionieren.
Eure Schwester hat uns verlassen um mit dem Freund der Schwarzen mit zu gehen. Dem Engel des Todes.
Entsprechend der dargestellten Zeit und Lokalität ist HARRIET – DER WEG IN DIE FREIHEIT natürlich auch sehr kirchlich geprägt und begründet viel im Gottesglauben der Protagonistin. Glücklicherweise wird dies nur erzählerisch aufgegriffen nicht jedoch visuell so umgesetzt, dass daraus eine absurde spirituelle Geschichte entstehen würde, wie es zum Beispiel in BREAKTHROUGH der Fall ist.
Kommerziell unnötige Aufarbeitung
Ein größeres Problem, dass hier leider eine Rolle spielt ist die recht ungenaue Wahrnehmbarkeit der Zeit. Es gibt zwar mehrere im Dialog angedeutete Eckdaten, die dem Publikum ein grobes Gefühl geben, wo man sich ungefähr in der Geschichte derzeitig aufhalten könnte mit der Erzählung, doch ist es nur schwer abzuschätzen welche Strapazen die Hauptfigur durchleben musste, da weder Länge des Wegs noch Dauer exakt terminiert werden. Dieser Eindruck wäre jedoch für ein umfassenderes Verständnis sehr wünschenswert gewesen. Außerdem ist die leichte Abweichung aus der biografischen Entwicklung hin zu einem Verfolgungsdrama ein eher suboptimales Mittel, mit dem offenbar das Ziel verfolgt wurde der Konsumgesellschaft einen angemessenen Happen Unterhaltung hinzuwerfen.
Dennoch hat es der Film geschafft mich rundum abzuholen und mich in die schwierige Welt der Harriet hinzuversetzen nicht zuletzt jedoch – und ich muss es einfach noch mal erwähnen und betonen – wegen der wirklich starken Musikauswahl und Komposition von Terence Blanchard, der zuletzt auch schon bei BLACKKKLANSMAN sein Können zeigte. Zudem ist es fast schon unvorstellbar, dass dies Erivos erste Hauptrolle in einem Film ist, da sie diese mit solcher Bravour vorgetragen hat, dass sie glatt als langjährige professionelle Schauspielerin durchgehen würde.
Dieser durchweg dramatisch angehauchte Film über eine wichtige Figur der amerikanischen Geschichte im Hinblick auf die Bekämpfung der Sklaverei, würde es wohl schon ohne jegliche Hinzufuhr von erzählerischen Mitteln, schaffen das Publikum in Spannung und Neugier zu hüllen. Dennoch wird diese herzergreifende und heroische Hommage an Harriet Tubman insbesondere durch die ebenso treffende und präzise eingebettete musikalische Untermalung noch weiter aufgewertet und bietet nur recht selten die Gelegenheit einmal durchzuatmen. Zwar kämpft das biografisch angelehnte Werk auch mit einigen konsumwirksamen Mitteln um dem Zuschauer zusätzlichen Unterhaltungswert zu bieten, der an sich wohl kaum notwendig gewesen wäre, doch wird auch rechtzeitig der Bogen wieder zur eigentlich wichtigen Handlungsfolge zurück geschlagen. Lobenswert hierbei ist die überaus starke Hauptdarstellerin Cynthia Erivo, die hiermit ihr Hauptrollendebüt gibt und damit keinen Zweifel an ihren ausgezeichneten Qualitäten bietet.