Review Fakten + Credits


Rezension

HAVOC hätte inhaltlich viele Zutaten, um sich in die Netflix-Galerie an bedeutungslosen Actiontiteln einzureihen: einen von der Vergangenheit und seinen familiären Problemen gezeichneten Cop, eindimensionale Verbrechersyndikate, konstruierte Verschwörungen, überhaupt zu viele Bruchteile generischen Thrillerkinos, die nie richtig ausgearbeitet werden. HAVOC hat aber auch Gareth Evans hinter der Kamera, der mit den indonesischen Action-Spektakeln THE RAID I und THE RAID II für Furore im Genre sorgte, und dem es auch hier gelingt, Netflix‘ aktuellsten Streaming-Thriller handwerklich aus der Bedeutungslosigkeit zu hieven.

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Viele der Figuren jener Neuerscheinung zeigen sich als Archetypen anderer, bekannter Genrefilme und ihre Konflikte häufig nur als Wegbereiter für die von langer Hand geplanten Actionsequenzen. Wenn letztere sich jedoch einmal so brachial und energisch entfalten können wie nun im neusten Film des walisischen Filmemachers, dann geht die dynamische inszenierte Produktion auf Abstand zu den zahlreichen gesichtslosen und zerschnitten aufbereiteten (Eigen-)Produktionen, die den Schlund des Streamingdienstes im beinah monatlichen Takt, Anfang des Jahres etwa in Form von Cameron Diaz‘ Comeback BACK IN ACTION, verlassen.

Zu groß für den Handybildschirm

Als hartgesottener und zynischer Cop, der am Tatort mit einem Bleistift hinterm Ohr geklemmt erscheint und Schießereien in Gedanken rekonstruieren kann, kämpft sich Tom Hardy in HAVOC durch die kriminelle Unterwelt. Durch diese jagen ihn gleich mehrere Parteien, aber auch, wie es seine Rolle als angeschlagener Polizist förmlich verlangt, die eigene Vergangenheit. Zerrüttete Antihelden-Facetten fügen sich organisch in die vielerlei korrupte Welt und die überwiegend bei Nacht ihre Düsternis ausspielende Atmosphäre ein. Die Aufwühlung in den Figuren weicht jedoch spätestens in einer Handvoll Actionszenen der Verwüstung durch den Kugelhagel, und damit Evans unbestreitbarer Kerndisziplin.

Tom Hardy als Cop schießt mit einem Maschinengewehr

Havoc ©2025 Netflix

HAVOC hangelt sich vielleicht nicht von Actionszene zu Actionszene, lebt aber von eben diesen. In rauen Choreographien und der unverwechselbaren Hommage ans Hongkonger Heroic Bloodshed zerbersten Körper, sprudelt das Blut und treibt der Soundtrack die Figuren durch kompromisslose, überzogene Schusswechsel. Dynamische Kamerafahrten und die grafische Gewalt entwickeln schon nach wenigen Momenten mehr Wucht als viele seelenarme Pendants anderer Streaming-Produktionen. Evans Action ist gewohnt körperlich, vielleicht etwas zu gefällig orchestriert, aber eigentlich zu schade für die kleinen Bildschirme, auf die sie bei den allermeisten Zuschauer*innen gebannt sein wird.

Donnern, Drogen und Dämonen

Auf knapp über 90 Minuten, exklusive Abspann, komprimiert der THE RAID-Regisseur seine blutgetränkte Neo-Noir-Odysee nicht nur auf eine überschaubare Laufzeit, seine Geschichte zudem auf einen recht abgesteckten Handlungsraum. Diesen (über-)füllt er mit unterschiedlichsten schablonenhaften Zwielichtern, versteift sich aber selten auf das kanonenfutterartige Beiwerk. Für stereotype Schraffuren braucht es diese ohnehin nicht, dafür reicht Hardys Hauptcharakter und etwa dessen Interaktion mit seiner jüngeren Kollegin. Dass jene wie auch andere weibliche Figuren nicht nur die Rolle stummer Nebenakteurinnen übernimmt, lässt immerhin eine Weiterentwicklung gegenüber Genrevorbildern aus den 80ern erkennen.

Jessi Mei Li als Polizistin mit gezogener Waffe

Havoc ©2025 Netflix

Was die Figuren, deren Beziehungen und Gewissenskonflikte über Entfremdung, Schuld und den Missbrauch von Macht zu erzählen haben, wird von den stilistischen Schießereien hingegen auch vierzig Jahre später noch souverän an die Seite gedrängt. Forciert wird ein aufreibendes Spiel Auge um Auge, – um wessen Auge scheint in der stets unter effekthascherischer Spannung stehenden Handlung in manchen Momenten beinah egal. Evans jedenfalls bedient das pathetische Genregerippe munter weiter, schmückt es aber aus, wie kaum ein anderer Streamingbereich.

Fazit

Gareth Evans neuste Gewaltspirale dreht sich um prototypische Figurenanstriche und ein fades Best-of an beliebigen Trademarks krimineller Untergrundgeschichten, aber auch um souveräne Actionsequenzen, die das Markenzeichen des Regisseurs durchaus bestätigen und gerade innerhalb des sonst so trägen Netflix-Kosmos erkennbare Fußstapfen hinterlassen.

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Originaltitel Havoc
Kinostart 25.4.2025
Länge: 105 minuten
Produktionsland United Kingdom
Genre: Action | Krimi | Thriller
Regie Gareth Evans
Producer Sarah Dibsdall | Gareth Evans | Aram Tertzakian | Tom Hardy | Ed Talfan
Kamera Matt Flannery
Musik Tyler Bates
Cast Tom Hardy, Jessie Mei Li, Timothy Olyphant, Forest Whitaker, Justin Cornwell, Quelin Sepulveda, Luis Guzmán, Sunny Pang, 楊雁雁, Michelle Waterson-Gomez, Jim Caesar, Xelia Mendes-Jones, Lockhart Ogilvie, Richard Harrington, Serhat Metin, Gordon Alexander, John Cummins, Megan Lockhurst, Jade Ogugua, Jack Morris

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