Pitbull ist eine polnische Serie, die im Jahr 2005 erstmalig ausgestrahlt wurde und in dokumentarischer Form die alltägliche Polizeiarbeit betrachtet. Mittelpunkt der Serie ist unter anderem Andrzej Grabowski, der in allen 31 Episoden zu sehen ist und als Kommissar tätig wird. Er gehört zu den bekannteren Shootingstars in Polen, dem Land, welches einen generell eher kleinen und unbedeutenden Filmmarkt zu bieten hat. Dennoch hat Grabowski in rund 120 Filmen und Serien mitgewirkt und so ist es nicht verwunderlich, dass sich sein Weg und der des hiesigen Regisseurs, Patryk Vega, bereits zuvor im Film BAD BOY gekreuzt haben. Als damaliger Serienheld ist es nämlich auch seine Aufgabe, im Mittelpunkt dieses Films zu stehen, der sich schließlich weit ab von einer dokumentarischen Erzählung entwickelt. Als Deuteragonisten sehen wir Przemyslaw Bluszcz, der mit einem recht ähnlichen Erfahrungsschatz aufwarten kann und sich derzeitig schon im nächsten Filmprojekt befindet.
Wie für Patryk Vega üblich, beschäftigt er sich als Autorenfilmer mit politischen und gesellschaftlichen Problematiken, die die jüngere polnische Historie geprägt haben. Auf den ersten Blick ist dieser Aspekt in PITBULL – EXODUS nur schwer auffindbar, doch bezieht sich der hiesige Spielfilm wohl im weitesten Sinne auf Andrzej Kolikowski, auch Pershing genannt, der lange Zeit Anführer der kriminellen Vereinigung Pruszkow-Gang war. Diese galt als polnische Mafia, die sich dem illegalen Waffenbesitz, der Dokumentenfälschung, der Gründung einer Vereinigung bewaffneter Art sowie vor allem Morden, Drogenschmuggel und Erpressungen schuldig gemacht haben. Heute sitzt wohl die gesamte Gang hinter Gittern. Andrzej Kolikowski wurde indes 1999 von einem der Gang-Mitglieder kaltblütig ermordet. Der Film konzentriert sich dabei nicht direkt auf Andrzej Kolikowski, sondern einen seiner Handlanger, der als Bombenbauer und Entführer tätig war.
Darum geht es…
Nos hatte einen schweren Start ins Leben. Seine Mutter betrieb im eigenen Zuhause ein illegales Bordell, in welchem eben auch das Kinderzimmer als Vergnügungsort herhielt, so dass Nos darum bitten musste endlich einmal schlafen gehen zu können. Das Leben bessert sich auch im Prozess des Erwachsenwerdens nicht, doch als er stark genug wurde, wehrte er sich mit aller Gewalt. Frühzeitig entdeckte er zudem die Faszination von Sprengstoff für sich, die er immer mehr vertiefte und sich selbst immer größere Herausforderungen in der Herstellung von Bomben stellte. Eine Mülltonne, ein Auto, ein Schuppen und schließlich sogar ganze Appartements wurden dabei regelrecht vernichtet. Als eines Tages eine Gruppe Jugendlicher in sein Haus einbricht und mehrere Millionen Złoty stiehlt, ist ihnen nicht bewusst, wen sie gerade ausrauben. Nur wenig später stehen die Jungs vor der Aufgabe so schnell wie möglich, so viel Geld wie möglich zu stehlen – buchstäblich stehlen sie um ihr Leben.
Rezension
Nach den sehr ungewöhnlichen und Kulturschockartigen Filmen BAD BOY und SMALL WORLD, die Patryk Vega zuletzt international vermarkten konnte, scheint er nun neue Wege gehen zu wollen. PITBULL – EXODUS hebt sich teilweise extrem von den beiden genannten Werken ab und könnte glatt von einem anderen Regisseur stammen. Während Vega zwar zuvor auch Spielfilme produzierte, hatten diese doch stets einen Hauch von dokumentarischer Erzählung, welche hier nahezu gänzlich verschwindet. Dennoch gibt es ein eindeutiges Merkmal, welches den Film unverkennbar zu einem Vega-Produkt macht: eine drastische Erzählung mit übertrieben heftiger Gewalt, die sich auf dem schmalen Grad zwischen ungeschönter Realität und ekelerregender Brutalität bewegt.
Gegliedert in drei verschiedene Kapitel (A Son of Evil, Enslavement und Exodus), die in ihren Titeln einen biblischen Bezug aufnehmen und an das 2. Buch Mose erinnern, welches sich mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten beschäftigt und sowohl über die zehn Plagen als auch die zehn Gebote berichtet. Ein inhaltlicher Bezug ist dabei jedoch nur mittels einer sehr großzügigen Auslegung herzuleiten. Vielmehr erzählt der erste Abschnitt über die Entwicklung der Figur Nos von der Jugend bis hin zu seiner großen Karriere als Attentäter. Dieser Teil wird weitestgehend als Rückblinde gezeigt, die von der Figur selbst kommentiert wird. Das zweite Kapitel führt die erwähnte Jugendtruppe ein und entwickelt den zentralen Konflikt des Films. Der letzte Abschnitt entwickelt natürlich vor allem ein großes Finale.
Explosive Stimmung
Zugutehalten muss man PITBULL – EXODUS auf jeden Fall, dass er zu großen Teilen auf eher handgemachte Effekte und dementsprechend Explosionen setzt und nur in den wirklich großen Ausartungen auf digitale Visualisierungen umsteigt. Dies ist qualitativ deutlich zu unterscheiden. Auch der Soundtrack ist grundsätzlich gut gewählt, da er einen sehr treibenden Charakter hat und zudem sehr wuchtig und massiv erscheint und damit die sowohl die Spannung als auch die Angst schürt. Gleichzeitig muss jedoch auch erwähnt werden, dass diese Musik scheinbar den gesamten Film dominiert und daher hinten raus eher nervig wirkt und dementsprechend auch an Wirkung verliert. In der Kamera setzt Vega zumeist auf sehr viele und schnelle Schnitte sowie teilweise recht unruhige Bilder, die zwar ebenfalls das Tempo schüren, aber zudem auch visuell unattraktiv wirken.
Tempo ist tatsächlich ein wichtiges Stichwort, denn Vega brettert ganz schön durch die gesamte Geschichte durch. Er erzählt eine komplette Lebensgeschichte erschreckend detailliert in gerade einmal 20 Minuten Spieldauer und nimmt auch in der restlichen Story kein bisschen Pacing heraus. Somit wird das Publikum völlig zu gebombt mit Informationen, welche gut und gerne auch für fünf Filme gereicht hätten. Gleichzeitig wirkt es fast so als ob Vega unbedingt eine sadistische Ader ausleben muss, denn der massive Gewaltanteil geht teilweise weit über das erträgliche hinaus. Auch wenn manche Szenen in BAD BOY und SMALL WORLD dies noch toppten, so wäre die mutmaßliche FSK 16, die der Film wohl kriegen wird, absolut nicht gerechtfertigt.
Völlig abgebrannt
Schauspielerisch gibt es nicht so viel zu erwarten, da fast alle Figuren mit sehr starren Mienen agieren und ein Großteil des Casts wirkt, als wäre er gerade frisch aus der Mucki-Bude abgecasht wurden. Unzählige Darstellende treten mit so einem breiten Kreuz auf, dass die Bewegungsfreiheit doch sehr eingeschränkt wirkt und daher nicht nur das mimische nahezu komplett eingefroren wird, sondern auch Gestiken und der Einsatz des Körpers nur sehr bedingt Einfluss finden. Die Krönung ist schließlich eine Frau, die im Film selbst eigentlich keine wesentliche Rolle einnimmt, aber letztlich doch immer wieder auftaucht und durchs Bild torkelt, als wenn sie soeben einen Laster Drogen geplündert hätte. Dies ist natürlich weniger der schauspielerischen Fähigkeit als vielmehr dem absurden Drehbuch an dieser Stelle zuzuschreiben.
Tatsächlich ist das Drehbuch auch das größte Problem im Film, denn es wirkt ziemlich wirr und sprunghaft und scheint lange Zeit nicht so recht zu wissen, wo die Geschichte hinführen soll. Das schlimmste daran ist, dass zwar am Ende ein Bogen erkennbar ist, aber das Finale in seiner Umsetzung unglaublich schwächelt und viele Momente bietet, die einfach nur Kopfschütteln hervorriefen. Der Bezug zur Serie Pitbull wird im Prinzip durch den Einsatz von Andrzej Grabowski als Jacek Goc geschaffen, der sich nun in Spielfilmlänge auf einen konkreten und massiven Fall konzentriert. Der Bezug zur realen Mafia, auf der die Idee wohl beruhen könnte, ist für Unwissende keineswegs erahnbar.
Fazit
Ich bin somit leider recht enttäuscht. Patryk Vega hat mit seinen vorherigen Filmen zwar keine totalen Meisterleistungen erbracht, auch wenn BAD BOY es sogar in mein Jahresranking geschafft hat, aber dennoch die massiv blutige Brutalität mit einem ernstzunehmenden realen Background versehen, der die schrecklichen Taten oftmals rechtfertigte. Hier hingegen scheint das Erfolgsrezept des gnadenlosen Sadismus nicht zu funktionieren, weil eben die nötige Relevanz fehlt. Für einen klassischen Actionstreifen oder Krimi fehlt zudem jegliche Art der Unterhaltung, weshalb PITBULL – EXODUS streng genommen in kein konkretes Filmgenre einordbar ist. Tatsächlich muss ich feststellen, dass am Ende wohl die Effekte das Beste am Film sind und mich sonst weder Schauspiel noch Musikgestaltung noch der Inhalt überzeugen konnten. Schade und ich hoffe, Vega findet im nächsten Film wieder zurück zu seinem eigentlich recht spannenden Stil.
Eine explodierende Tonne, ein explodierendes Auto, eine explodierende Hütte, ein explodierendes Appartement – was könnte man eigentlich noch in die Luft sprengen? Ach, wie wäre es mit einer Bar, in der Menschen sind? So oder so ähnlich könnte es in Patryk Vegas Kopf vorgegangen sein als er das Drehbuch zu PITBULL – EXODUS schrieb, welcher auf der gleichnamigen Krimi-Dokuserie aus den Nullerjahren beruht und sich nun einem ganz speziellen Fall intensiv widmet. Während Vega zuletzt mit zwar äußerst brutalen, gleichzeitig aber aussagekräftigen Filmen überzeugen konnte, die die jüngere polnische Historie regelrecht dekonstruiert haben, scheint er nun einmal etwas anderes machen zu wollen und lässt jegliche Aussagekraft in diesem Film einfach weg.
Stattdessen bekommen wir einen Actioner, der sich gar nicht als solcher schimpfen dürfte, der, mangels guten Schauspiels, einer interessanten Story und jeglichem Unterhaltungswert, eher aussieht, als würde er schlichtweg dafür da sein dem Regisseur die Möglichkeit zu bieten eine besorgniserregende Liebe zur gnadenlosen Brutalität auszuleben. Wo ich zuletzt Vega noch gelobt habe, bleibt nun nur noch ein verärgertes Kopfschütteln und ein erschreckend hoher Body Count.
Pitbull is a Polish series that was first broadcast in 2005 and looks at everyday police work in documentary form. One of the series’ central characters is Andrzej Grabowski, who appears in all 31 episodes and acts as a police inspector. He is one of the better-known shooting stars in Poland, the country that has a generally rather small and insignificant film market to offer. Nevertheless, Grabowski has appeared in around 120 films and series, so it is not surprising that his path and that of the local director, Patryk Vega, have crossed before in the film BAD BOY. As a serial hero at the time, it is in fact also his task to be at the centre of this film, which ultimately develops far from a documentary narrative. As the deuteragonist we see Przemyslaw Bluszcz, who can boast a rather similar wealth of experience and is currently already in the next film project.
As usual for Patryk Vega, as an auteur filmmaker he deals with political and social problems that have shaped recent Polish history. At first glance, this aspect is difficult to find in PITBULL – EXODUS, but the feature film here probably refers in the broadest sense to Andrzej Kolikowski, also known as Pershing, who was the leader of the Pruszkow Gang criminal organisation for a long time. This was considered a Polish mafia, guilty of illegal possession of weapons, forging documents, founding an association of an armed nature, and above all murders, drug smuggling and extortion. Today, the entire gang is probably behind bars. Andrzej Kolikowski, meanwhile, was murdered in cold blood by one of the gang members in 1999. The film does not focus directly on Andrzej Kolikowski, but on one of his henchmen who was a bomb maker and kidnapper.
That’s the story about
Nos had a difficult start in life. His mother ran an illegal brothel in her own home, in which the children’s room was also used as a place of pleasure, so that Nos had to ask to be able to go to sleep at last. Life did not improve in the process of growing up, but when he became strong enough, he fought back with all his might. Early on, he also discovered a fascination with explosives, which he deepened more and more, setting himself ever greater challenges in making bombs. A dustbin, a car, a shed and finally even whole flats were literally destroyed in the process. One day, when a group of youths break into his house and steal several million złoty, they are unaware of who they have just robbed. Only a little later, the boys are faced with the task of stealing as much money as quickly as possible – literally stealing for their lives.
Review
After the very unusual and culture-shocking films BAD BOY and SMALL WORLD, which Patryk Vega was recently able to market internationally, he now seems to want to break new ground. PITBULL – EXODUS is in part extremely different from the two aforementioned works and could easily have been made by a different director. While Vega has also produced feature films before, they always had a hint of documentary narration, which disappears almost completely here. Nevertheless, there is one clear characteristic that makes the film unmistakably a Vega product: a drastic narrative with exaggerated violence that treads the fine line between unadorned reality and nauseating brutality.
Divided into three different chapters (A Son of Evil, Enslavement and Exodus), the titles refer to the Bible and are reminiscent of the second book of Moses, which deals with the exodus of the Israelites from Egypt and reports on both the ten plagues and the ten commandments. However, a reference to the content can only be derived by means of a very generous interpretation. Rather, the first section tells about the development of the character Nos from his youth to his great career as an assassin. This part is largely shown as a flashback, commented on by the character himself. The second chapter introduces the aforementioned youth squad and develops the central conflict of the film. The last section, of course, mainly develops a grand finale.
Explosive mood
In any case, PITBULL – EXODUS has to be given credit for the fact that it relies to a large extent on rather handmade effects and corresponding explosions and only switches to digital visualisations in the really big episodes. This is clearly distinguishable in terms of quality. The soundtrack is also basically well chosen, as it has a very driving character and also seems very massive and massive, thus fuelling both the tension and the fear. At the same time, however, it must be mentioned that this music seems to dominate the entire film and therefore seems rather annoying at the end and accordingly loses its effect. In the camera, Vega mostly relies on very many and fast cuts as well as sometimes rather unsteady images, which also fuel the pace, but also seem visually unattractive.
Pace is indeed an important keyword, because Vega crashes through the entire story quite nicely. He tells a complete life story in frightening detail in just 20 minutes of playing time and doesn’t take out a bit of pacing in the rest of the story either. Thus, the audience is completely bombarded with information that would have been enough for five films. At the same time, it almost seems as if Vega has to live out a sadistic streak, because the massive amount of violence sometimes goes far beyond what is bearable. Even if some scenes in BAD BOY and SMALL WORLD topped this, the presumed FSK 16, which the film will probably get, would not be justified at all.
Completely burnt down
There is not much to expect in terms of acting, as almost all the characters act with very rigid facial expressions and a large part of the cast looks as if they have just been cast off from the gym. Countless actors appear with such a wide cross that the freedom of movement seems very limited and therefore not only the facial expressions are almost completely frozen, but also gestures and the use of the body only have a very limited influence. Finally, the crowning glory is a woman who doesn’t actually play a significant role in the film itself, but who ultimately appears again and again and staggers through the picture as if she had just looted a truck full of drugs. Of course, this is less due to acting ability than to the absurd script at this point.
In fact, the script is also the biggest problem in the film, as it seems rather muddled and erratic and doesn’t quite seem to know where the story is going for a long time. The worst thing about it is that while there is a discernible arc at the end, the finale is incredibly weak in its execution and offers many moments that just made you shake your head. The reference to the Pitbull series is basically created by the use of Andrzej Grabowski as Jacek Goc, who now focuses on a concrete and massive case in feature length. The reference to the real Mafia, on which the idea might well be based, is by no means guessable for the uninformed.
Conclusion
I am therefore unfortunately quite disappointed. Patryk Vega may not have achieved total masterpieces with his previous films, even though BAD BOY even made it into my annual ranking, but he nevertheless provided the massively bloody brutality with a serious real-life background that often justified the horrific acts. Here, on the other hand, the successful recipe of merciless sadism doesn’t seem to work, precisely because the necessary relevance is missing. For a classic action flick or thriller, any kind of entertainment is also missing, which is why PITBULL – EXODUS, strictly speaking, cannot be classified in any concrete film genre. In fact, I have to conclude that in the end the effects are probably the best thing about the film and otherwise neither the acting nor the music design nor the content could convince me. It’s a pity and I hope Vega will find his way back to his actually quite exciting style in the next film.
Originaltitel | Pitbull |
Kinostart | 18.11.2021 |
Länge | ca. 113 Minuten |
Produktionsland | Polen |
Genre | Action | Krimi | Drama |
Verleih | Kinostar |
FSK | unbekannt |
Regie | Patryk Vega |
Drehbuch | Patryk Vega |
Produzierende | Patryk Vega | Artur Zgadzaj |
Musik | Lukasz Targosz |
Kamera | Norbert Modrzejewski |
Schnitt | Tomasz Widarski |
Schauspieler:in | Rolle |
Andrzej Grabowski | Jacek Goc |
Przemyslaw Bluszcz | Nos |
Jan Blachowicz | Michal |
Tomasz Dedek | Pershing |
Sebastian Dela | Jarek |
Jan Hrynkiewicz | Sobol |
Justyna Karlowska | Renata |
Michal Karmowski | Masa |
Julia Michalewska | Sandra |
Aneta Zajac | Mutter des jungen Nos |
Damian Bialas | junger Nos |
Dawid Czuprynski | Rafal |
Natan Golebiewski | Daro |
Dominik Gorbaczynski | Kurczak |
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