FilmkritikIn Kürze
Originaltitel: Bad Boy
Kinostart: 05.03.2020

FSK 18

FSK 18 ©FSK

Länge: ca. 135 Minuten
Produktionsland: Polen
Regie: Patryk Vega
Schauspieler:innen: Antoni Królikowski | Maciej Stuhr | Katarzyna Zawadzka
Genre: Thriller | Action | Drama
Verleih: Kinostar

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar

Polen und Hooligans! Eingefleischten Fußballfans klingeln jetzt schon die Ohren, denn dies ist ein heikles Thema. Die polnischen „Fans“ werden als die gewaltbereitesten der Welt betrachtet und erregen damit regelmäßig die Aufmerksamkeit der internationalen Medien. So stehen sich zum Beispiel die Fangemeinden der beiden Krakauer Klubs Wisła und Cracovia in inniger Feindschaft gegenüber, wobei es schon lange nicht mehr nur um Fußball geht. Die Hooligan-Szene im Hintergrund ist laut Zeit.de zu einer regelrechten organisierten Kriminalitätsbande angewachsen. Regelmäßig finden Messer, Macheten und selbstgebaute Waffen ihren Einsatz. Und nicht nur dass, seit einigen Jahren haben die gewalttätigen Fans sogar das Sagen in ihrem Club Wisła Krakau übernommen und schleusen stets weiter ihre Fangemeinschaft in den Vorstand ein.

Warum erzähle ich nun von Krakauer Fußballclubs, wo es doch später im Film scheinbar um den Sportclub KP Unia Racibórz aus der vierten Liga Polens geht? Weil dieser Verein wohl eher als harmloses Beispiel gewählt wurde, um nicht den Zorn entsprechender Fans der Szene auf sich zu ziehen. Sprich der Film versucht vermutlich die wahren Hintergründe des Vereins Wisła Krakau zu erzählen und bedient sich zum eigenen Schutz einer unauffälligen Alternative. Doch ist es gerechtfertigt aus Angst vor der Tyrannei Krakaus den Namen von KP Unia Racibórz in die Schande zu ziehen?

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar

Darum geht es…

Doch wer ist eigentlich der „BAD BOY“? Gemeint ist damit Pawel, der seit frühster Kindheit der Gesinnung seines Vaters folgt und dem Verein KP Unia Racibórz seine Treue geschworen hat. Sein älterer Bruder Piotr hingegen hat sich ein richtiges Leben aufgebaut und ist als rechtschaffener Polizist das komplette Gegenteil seines gewalttätigen Bruders geworden. Pawel führt die Fan- und Hooliganszene des Vereins an und entwickelt den Plan den Vorsitz des Vereins zu übernehmen, um daraufhin diesen zum besten Club der Welt zu machen. Um dieses Vorhaben jedoch auch umsetzen zu können sind zwei Dinge nötig: Geld und Macht. Das eine holt sich die Szene durch Überfälle und verstärkten Drogenhandel und das andere durch aggressive Brutalität gegen Vereins- und Vorstandsmitglieder.

Während Pawel sein Unternehmen ungehindert voran treibt, ist auch Piotr in die Geschehnisse verwickelt, muss jedoch als Gesetzeshüter eben jene Szene bekämpfen. Um die Hooligangruppierung von Innen heraus zu zerstören, schleust die Polizei die Anwältin Ola ein, die mit ihren Kenntnissen dafür sorgt, dass Pawel mit seinem Plan Erfolg hat und gleichzeitig Beweise sammelt für all die Verbrechen der Gruppierung. Viele unvorhergesehene Ereignisse führen schließlich sogar zu einem noch größeren Zwist, der beide Brüder und plötzlich gerät alles außer Kontrolle.

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Rezension

Was für ein heftiger Film! Mit einem dramatisch aggressiven Auftakt beginnend, schafft es Patryk Vega die Spannung stets noch weiter zu steigern und immer wieder zu toppen. Es bleibt gar keine Zeit auch nur im Ansatz einmal langweilig zu werden. Doch fangen wir etwas gemächlicher an, denn BAD BOY ist schon aufreibend genug.

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar

Der Film eröffnet mit einer Szene, in der eine Fangruppe sich in einem Zug befindet, während die andere davorsteht und diesen beginnt mit Steinen und Flaschen zu bewerfen. Dabei kommt es sogleich zu Verletzten. Damit ist der Zuschauer schon von der ersten Sekunde an mitten im Filmgeschehen verankert. Dies jedoch stellte nur ein Rückblick dar, der die Grundlagen für die Entwicklung der beiden Protagonisten darstellen soll. Diese Grundaggressivität Pawels wird damit von Anfang an recht deutlich erläutert und entwickelt sich zudem im weiteren Verlauf absolut schlüssig.

Spannend in jeder Sekunde

Im Folgenden findet die Handlung 15 Jahre später statt und erstmalig werden die Protagonisten so richtig vorgestellt und eingeführt, ohne jedoch an Bildsprache zu sparen. Eine wirklich fantastische Inszenierung ist es, als sich zwei verfeindete Hooligan-Gruppen auf einem abgeschlagenen Platz gegenüber stehen, die Regeln der gleich folgenden Prügelei sind mit der Nichtbenutzung von Waffen ebenso abgesteckt, wie auch dass eine der Parteien mit freiem Oberkörper anzutreten hat. Dieser Moment bekommt schon einen deutlichen Charakter eines offiziellen Wettkampfsports in dem sich zwei Teams gegenüberstehen. Plötzlich kommt aus dem Nichts ein Rentner auf dem Fahrrad und fährt völlig gelassen durch die spalierstehenden Gruppierungen. Ein göttliches Bild.

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar

Durch viele sehr harte Cuts werden extreme Stimmungsschwankungen erzeugt und damit in kürzester Zeit auch die Handlungsschwerpunkte gewechselt, ohne jedoch jemals von dem grundliegenden roten Faden abzuweichen. Im Prinzip entwickeln sich zwei Geschichten parallel – die eines jeden Bruders. Den wesentlichen Fokus erhält jedoch die Hooligan-Geschichte, welche zudem auch den größeren Thrill ausmacht. Die Frage ist sogar stellbar, ob die Verbrechensbekämpfung überhaupt notwendig gewesen wäre für die Handlung, da diese weitestgehend keine wirkliche Rolle spielt und den Film nicht weiter dramatisiert. Andererseits bietet der Part stets einen angenehmen Kontrast nach wirklich aufreibenden Bildern, die den Zuschauer gleich mehrfach arg zusammenzucken lassen.

Schauspielerisch weitestgehend hervorragend

Doch nicht nur dass, vielmehr entwickelt der Hauptdarsteller schon eine regelrechte Angst im Zuschauer, welche Grausamkeit sich dieser Charakter als nächstes einfallen lässt, um seinem endgültigen Ziel letztlich näher zu kommen. Die Brutalität steuert die Emotionen der Zuschauer in vollem Umfang und lässt kaum eine andere Entscheidung zu als diese umfassend zu missachten. Die Darstellung dieser Figur durch Antoni Królikowski ist dabei herausragend gelungen und trotz der wenigen Filmerfahrung, die er bisher gesammelt hat, hat mich das darstellende Spiel vollends in seinen Bann gerissen.

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar

Neben der Gestalt des Pawel ist jedoch auch die der Anwältin, gespielt von Katarzyna Zawadzka, lobend zu erwähnen. Auch sie hat mit BAD BOY und IN MEINEM KOPF EIN UNIVERSUM gerade mal zwei größere Produktionen in ihrer Vita aufzuweisen. Dennoch durchlebt sie im hiesigen Film einen vollständigen Charakterwandel, der zu jedem Zeitpunkt glaubhaft wirkt und zeitgleich fassungslos macht und am Glauben an die Menschheit rüttelt. Die zwei Extrema der Persönlichkeitsebenen der Figur werden vor allem im Konflikt zwischen dem alltäglichen Anwalt-Dasein und der davon abweichenden sexuellen Sehnsucht genial dargestellt.

Schrecklich und doch faszinierend 

BAD BOY weiß stets zu verblüffen und zu verschrecken. Trotz eigentlich recht ausschweifender Spieldauer vergeht die Zeit doch wie im Fluge, was nicht zuletzt daraus resultiert, dass die Stimmung zu jedem Zeitpunkt angespannt ist und der Film kaum Luft zum Atmen lässt. Ein schrecklicher Ausbruch der Emotionalität folgt auf den Anderen. Zudem hat mich das Ende kein bisschen enttäuscht und damit das Werk exzellent abgerundet. Zwar ist dem Film auch das geringe Budget teilweise anzumerken, welches sich vor allem visuell in einer eher tristen und unspektakulären Farbgebung wiederspiegelt, doch bleibt dies tatsächlich mein einziger größerer Kritikpunkt und ist daher eher zu vernachlässigen. Dennoch sei noch einmal gesagt, dass dieser Film absolut nichts für schwache Nerven ist und meiner Ansicht die Qualität eines vergleichbaren HOOLIGANS um weites übersteigt.

„Atemlos durch die Nacht“ bekommt bei diesem Film eine völlig neue Bedeutung, denn dieses Werk schafft es gleich mehrfach den Magen des Zuschauers, um sich selbst drehen zu lassen. Die ausgewogene Mischung aus psychischer sowie auch realer Gewalt macht BAD BOY zu keiner leicht verträglichen Kost, sondern vielmehr zu einem üblen, aber auch genialen Werk der polnischen Filmkunst. Mit einigen leichten Ähnlichkeiten zum Film HOOLIGANS schafft es Regisseur Patryk Vega doch eine völlig neue Richtung der Berichterstattung über die Hooligan-Szene einzuschlagen und die Dramatik der polnischen Fußballkultur äußerst präzise auf den Punkt zu bringen. Gleichzeitig bietet der Film wohl ein Sprungbrett für zwei der Hauptdarsteller auf die großen Bühnen der Kinolandschaft, denn mit ihren sehr intensiven und konzentrierten Darstellungen den Figuren dürften so einige Filmstudios auf die Beiden aufmerksam werden.

Bad Boy

Bad Boy ©2020 Kinostar