Review
aus dem Programm der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin
„Schließt euren Laden!“ und „Sind euch die Opfer scheißegal?“ zählen zu den täglichen Botschaften, die Sono (Rino Tsuneishi) jeden Morgen von dem Rollladen ihres kleinen Restaurants kratzt. Das Lokal führt sie gemeinsam mit ihrem Mann Hiro (Toshizo Fujiwara), in der Küche und an der Bar arbeiten straffällig gewordene Jugendliche und Erwachsene, an die die Plakate ebenso adressiert sind. Einer von ihnen ist der achtzehnjährige Yuto (Daiki Ido), der seine neue Arbeit gerade erst angetreten hat. Ihm, aber auch den Menschen, die das Resozialisierungsprojekt aufgebaut haben und führen, folgt Toshizo Fujiwaras Beitrag zum diesjährigen Berlinale Panorama.
Am Tresen und darüber hinaus übernimmt die Kamera eine unaufdringliche Beobachterrolle, die eine eindringliche Ausarbeitung der Protagonist*innen in launischer Beiläufigkeit zusehends erschwert. Das Auge, welches sie dabei auf das zentrale Umfeld wirft, bemüht sich um eine empathische und differenzierte Annäherung, ist in seinen Einsichten in den rudimentären Alltag, Reue und Rückfälle der Figuren jedoch kaum tiefgründig oder durchweg konsequent. Wie bei Yuto, an dessen konfliktgeladenen Kern, abgekapselt von festigenden Familien- und Freundesstrukturen, und dessen verschlossene aber auch toxische Verhaltensmuster sich der Film nur zurückhaltend herantastet.

The Longing © Toshizo Produce
Warmes Essen, laues Kino
Ungelenk in den Vordergrund drängt sich neben den Alltagsskizzen vor allem die Geschichte des Restaurantbesitzers und seiner Frau, die einen bisher unerfüllten Wunsch hegen. Wie fast alle anderen weiblich gelesenen Figuren des Films charakterisiert sich auch Sono in erster Linie über jenen Kinderwunsch, andere Frauen über das Kinderkriegen im Allgemeinen. Die Sehnsucht nach einem Kind erweist sich im Laufe des Films nicht nur als irritierend hartnäckiger Fokusverlust inklusive problematischem Höhepunkt einer Abtreibungsgeschichte, sondern zudem als erschreckend einseitiger Figurenaufbau.
Ihr Mann und Yuto erhalten ein paar wenige Facetten mehr ohne in steifen Gesprächsabfolgen über oberflächliche Vergangenheitseinblicke hinauszureichen. In der sprunghaften Geschichte, die sich dramaturgisch einiges an Zeit, inhaltlich aber wenig an Tiefe nimmt, sind die zentralen, ja titelgebenden Sehnsüchte und Verlangen schon verglommen, bevor sie sich in Form nachhaltiger Aufarbeitungen, einer Suche nach Ursachen und systemischen Symptomen, die die jungen Leute erst ins Gefängnis und die Maßnahme führten, überhaupt erst richtig hätten entfalten können.
Fazit
Über die Maßnahmen der Resozialisierung, die Zukunft des jungen Yuto und die des Projekts hat Toshizo Fujiawaras THE LONGING irgendwann erstaunlich wenig Eingehendes zu erzählen. Keine organischen Figurenporträt oder tiefgreifende Inenneinsichten. Nur ein paar sprunghafte, philosophische Hüllen, die im Dampf des frisch zubereiteten Okonomiyaki zügig dahinschwinden.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Originaltitel | ミックスモダン |
Kinostart | 15.2.2025 |
Länge: | 104 minuten |
Produktionsland | Japan |
Genre: | Drama |
Regie | Toshizo Fujiwara |
Executive Producer | Mariko Fujiwara |
Producer | Toshizo Fujiwara |
Kamera | Mamoru Gomi |
Cast | Daiki Ido, Toshizo Fujiwara, Rino Tsuneishi, Sasha, 藤田朋子, 津嘉山正種, 川平慈英, 二階堂智, 佐々木優子, Shintaro Yogi |
Wie hat Dir der Film gefallen?
Hinterlasse einen Kommentar