Eingeschlossen von hohen Mauern erwacht Idilia in einer alten Burgruine. Für die junge Frau beginnt fortan nicht nur ein nervenzehrender Kampf ums Überleben, sondern auch eine fiebrige Suche nach den eigenen Erinnerungen …
Rezension
Lose dient die sagenhafte Geschichte Idilia Dubbs als Aufhänger der gemeinsamen Regiearbeit von Konstantin Korenchuk und Simon Pilarski, die aus dem angeblichen, lang zurückliegenden Schicksal der jungen Frau einen eigenwilligen Genremix kreiert. Einen Historienfilm, der sich seiner historischen Komponente nur oberflächlich bedient, eine Romanze, die sich dem Kitsch und der märchenhaften Tragödie verschreibt und einen Überlebenskampf, dessen dramatische Thrill- bishin zu Horrorelemente sich selten wirkungsvoll entfalten können.
Mittendrin lastet die größte Aufmerksamkeit auf Lea van Acken (KREUZWEG, SLØBORN), die in der Hauptrolle der Idilia gleich zwei Versionen ihrer Figur spielt: eine, die vom Liebesglück erfasst und sich trotz ihrer Verlobung mit einem anderen Mann, auf eine verbotene Romanze mit dem von Eric Kabongo dargestellten Caven einlässt und eine, die isoliert und um Verstand und Erinnerungen ringend, auf dem Grund einer Burgruine festsitzt, – beide porträtiert mit entschlossenem Willen. Fieberhaft und mittels Tagebucheinträgen versucht die Protagonistin, ihre letzten Erinnerungen zu rekonstruieren, welche ihren konstruktartigen Aufbau auf die Gestalt der Erzählung übertragen.
Es war einmal im Mittelrheintal
Simpel entwirft sich anhand der Schriften der zweite Handlungsstrang, der Zeit und Figuren außerhalb der verlassenen Burgruine festhält und dem mehrtägigen Überlebenskampf dabei mehrfach in die Stimmung grätscht. Schnell sind dort große Konflikte etabliert, welche von einer schädlichen Beziehung und dem Kampf um Emanzipation bis zur rassistischen Völkerschau reichen. Gerecht wird der Film keinem dieser nur holzschnittartig angerissenen Themen, die sich wie grobe Bauklötze um die Klischees verarbeitende Liebesgeschichte setzen. Jene beginnt bald die kaum ausgearbeiteten Geschehnisse zu überragen und in ihrem naiv-verträumten (Wieder-)Aufblühen zum inneren Kraftquell für die Eingeschlossene zu werden.
Zumindest legt das die Verfassung van Ackens gewandter Figur nahe, die zwischen totaler Erschöpfung und Einfallsreichtum, ersten Halluzinationen und geistiger wie körperlicher Höchstleistung schwankt. Ihre Selbstgespräche mit Schildkröte Dave, verbissene Fluchtversuche und aus Versorgungsnot entstehende Survival-Skills betten sich häufig in eine unruhige Inszenierung, die im Versuch, die Bedrohung der gegenwärtigen Situation und die Orientierungslosigkeit der Hauptfigur durch technische Spielereien, mit Soundeffekten und Zeitlupen zu verschärfen, oft das Gegenteil erreicht. Die verbleibenden Anteile einer durchaus klaustrophobischen Atmosphäre fegt dann oft das nächste Flashback fort.
In eigenwillig stilisierten Aufnahmen, die den Geschehnissen (alp-)traum- wie märchenhafte Facetten verleihen, entwickeln sich beide Handlungsfäden schematisch bis zur unausweichlichen Verknüpfung. Tiefgründig sind deren Fortentwicklungen selten, Zwischentöne in den Figurenzeichnungen rar gesät und Momente der Suspense im Ringen mit effektvoller Musik oder anderen Effekte häufig unterlegen. Eine eigene Identität mag die Geschichte dabei selten entwickeln, so wie der Ort des Geschehens, der viel eher als das ursprüngliche Mittelrhein-Gebiet, eine vom restlichen Teil der Welt abgeschottete Märchenumgebung zu zeigen scheint. Welche Wirkung die Prämisse der Sage in einem kammerspielartigen Kurzfilm statt in einem mit wenig profilierten Figuren und Dialogen ausgeschmückten, knapp hundert minütigen Langfilm hätte entfalten können, liegt tief in der alten Burgruine begraben.
Fazit
Einsamer Überlebenskampf trifft tragische Liebesgeschichte in einem sein historisches Setting nur spärlich nutzender und die sagenhafte Ausgangslage nur oberflächlich ausschmückender Debütfilm. Denn so tief wie die Hauptfigur in der Ruine eingeschlossen ist, so tief wagt sich der Film an keine seiner Geschehnisse und Figuren. Ein mit eigenwilligen Handwerk und stilisierter Atmosphäre umgesetzter, sich mitunter selbst ausbremsender Genremix, dessen interessanten Ansätze selten das hohe Burggemäuer des Dramas überwinden.
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Originaltitel | 4 Tage bis zur Ewigkeit |
Kinostart | 27.4.2023 |
Länge: | 102 minuten |
Produktionsland | Germany |
Genre: | Drama | Historie |
Regie | Konstantin Korenchuk | Simon Pilarski |
Cast | Lea van Acken, Eric Kabongo, André Hennicke, Carsten Strauch, Reiner Wagner, Dieter Rupp, Deryl Kenfack, Helmut Rieker |
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