Review Fakten + Credits


Rezension

Umsichtig wie die Hauptfigur streift die Kamera zu Beginn des Films durch die nächtlichen Gassen des vietnamesischen Viertels. Es ist eine zögerliche Rückkehr der Frau in ihre Heimat, ein Auskundschaften, ein Vertrautmachen mit der Vergangenheit. Die verlassenen Straßen bei Nacht werden den lebhaften Erinnerungen kaum gerecht. Viel Raum für nostalgische Gefühl bietet Pham Ngọc Lâns eindringliches Spielfilmdebüt allerdings ohnehin nicht. Zu schnell ist Mrs. Nguyện samt zerbrochener Urne und kulleräugigen Äffchen mitten im Leben ihrer Nichte und deren Freund gestrandet.

Cu Li Never Cries Filmstill

Cu Li Never Cries ©2024 Cadence Studio

Anders als die Erzählung des Films kann sich die Beziehung zwischen der verwitweten Frau und ihrer Nichte keineswegs störungsfrei entwickeln. Unsanft prallen die grundverschiedenen Lebensrealitäten und Vorstellungen der Figuren aufeinander. Quang hat sich längst ein eigenes Leben mit Freund, Arbeit und ihrem Hobby als Tanzlehrerin aufgebaut, Mrs. Nguyện sieht in ihr aber immer noch das kleine Mädchen, das sie einst gehütet hat. Von der daraus resultierenden Unruhe zwischen den Figuren lassen sich die Schwarz-Weiß-Aufnahmen nur selten beirren. Sie erkunden die miteinander agierenden und dennoch einsamen Charaktere mit der malerischen Geduld, die Shi Liang bereits in vorherigen Kurzfilmen anklingen ließ.

In the Mood for Love

Licht und Schatten betonen wiederholt Sehnsüchte und Widerwillen der Figuren und sind verführerische Komplizen der unaufgeregten wie stimmungsvollen Bilder. Es gibt Momente, da wollen sich die Charaktere in diesen am liebsten gehen lassen, – taumeln, träumen oder tanzen. Doch ihre Sorgen werden sie nicht los. Parallel zeichnen sich die Lebenseinstellungen, Anfang und Ende einer Ehe, das Festsitzen in und das Loslösen von patriarchalen Strukturen, Einsamkeit und Zweisamkeit. Und die Suche nach einer Person, die zuhört, den Gegenüber wahrnimmt, einfach da ist. So wie das vom Aussterben bedrohte Tierchen, das in mehrerlei Hinsicht zum Spiegel und Interaktionspartner der Figuren wird.

Cu Li Never Cries Filmstill

Cu Li Never Cries ©2024 Cadence Studio

Bevor der Film jedes seiner Motive und Konfliktfelder eingehend und zur Genüge bearbeiten kann, ist die Hälfte davon schon wieder dem Augenwinkel entflohen. Es bleiben eine Handvoll Liebes- und Sehnsuchtsgeschichten, in denen eine Hochzeit, kein Happy End bedeuten muss. Sondern nur den nachdenklichen Zwischenhalt einer Beziehungsentwicklung, die auch nach dem Abspann weitergehen wird. Einen melancholischen Ausblick darauf geben die letzten Momente des Films: schiefes Singen, keine Küsse, betretenes Schweigen.

 

Fazit

In gelegentlich hypnotischen Bildern lässt Shi Liangs monochromes Langfilmdebüt CU LI NEVER CRIES seine Figuren wandeln, ohne dem ansehnlichen Schwarzweiß hemmungslos zu verfallen. Vergangenheit und Gegenwart treffen nicht nur in der kleinen Familienzusammenführung, sondern auch in den einzelnen Charakteren aufeinander. Eine Auseinandersetzung mit deren gegensätzlich scheinenden Beziehungen und Erfahrungen stößt der Film zwar an, treibt anschließend aber bis zur bittersüßen Schlussnote vor sich hin.

 

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Review Fakten + Credits


Originaltitel Cu Li Không Bao Giờ Khóc
Kinostart 20.2.2024
Länge: 93 minuten
Produktionsland France
Genre: Drama | Komödie | Liebesfilm
Regie Phạm Ngọc Lân
Producer Nghiêm Quỳnh Trang | Trần Thị Bích Ngọc | Su Ching Teh | Lai Weijie | Claire Lajoumard | Bradley Liew | Bianca Balbuena | Verona Meier
Kamera Nguyen Vinh Phuc | Linh Dan Nguyen Phan | Vũ Hoàng Triều
Cast Minh-Châu, Ha-Phuong, Ngô Xuân An, Hoàng-Hà, Cao Sang, Tâm Anh, Thương Tín, Thanh Hiền, Van Thai Nguyen, Kieu-Trinh, Phí-Linh, Quôc-Tuân

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