FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
Originaltitel: El Último Traje
Kinostart: aktueller Starttermin: unbekannt
Länge: ca. 86 Minuten
Produktionsland: Argentinien | Spanien
Regie: Pablo Solarz
Schauspieler:innen: Miguel Angel Sola | Ángela Molina | Natalia Verbeke
Genre: Drama
Verleiher: Kairos Filmverleih

Das letzte Geschenk

Das letzte Geschenk ©Kairos Filmverleih

Pablo Solarz ist ein argentinischer Drehbuchautor und Filmregisseur mit jüdischer Abstammung, dessen Film UN NOVIO PARA MI MUJER ein großer Kassenerfolg wurde und zu einer der erfolgreichsten Produktionen des argentinischen Kinos wurde. 2011 feierte er dann sein Regiedebüt mit JUNTOS PARA SIEMPRE, nun gefolgt von DAS LETZTE GESCHENK, welcher ebenfalls unter seiner Regiearbeit entstand. Während das Werk hierzulande noch nicht einmal gestartet ist, lief es in Argentinien bereits Anfang 2018 und wurde bereits im Oktober 2017 beim Busan Festival gezeigt.

Solarz Intention hinter diesem Film ist die Überwindung des Hasses in Menschen, die negativ durch die Geschichte, insbesondere des Krieges geprägt sind. Er selbst hat diesen nämlich in seiner Familie, vor allem durch seinen Großvater, zu spüren bekommen, denn ein umfassendes Schweigen breitete sich bei ihm zu Hause aus sobald die Themen Polen und Zweiter Weltkrieg im Raum schwebten. Persönliche Vorurteile und offene Wunden einer lang vergangenen Zeit haben ihn inspiriert eine Geschichte zu kreieren, die mit eben jenen Problemen aufräumt und den Menschen zeigen soll, dass die Vergangenheit nicht unbedingt ein Ausdruck für die Gegenwart sein muss.

Darum geht es…

Der 88-jährige Abraham ist für seine restliche Familie zu einer Last geworden. Sie wollen ihn in ein Altersheim stecken. Doch auch Abraham verliert zunehmend das Interesse an einem harmonischen Familienleben, denn wenn sich ein kleines bisschen Liebe durch die Enkelkinder erst durch ein nagelneues Smartphone erkauft werden muss, verliert der Begriff Familie gänzlich an Wert. Also fasst der Rentner einen Plan, den er eigentlich schon sein ganzes Leben hegt. Er macht sich klammheimlich auf den Weg einen alten Freund zu besuchen, denn dieses Ziel verfolgt er bereits sein ganzes Leben. Doch lebt dieser nicht drei Straßen weiter, sondern irgendwo in Polen. Es erwartet ihn eine abenteuerliche Reise über den halben Planeten mit einigen kaum überwindbaren Hindernissen vor Augen. Wird Abraham seinen alten Freund wiederfinden nach all den Jahren?

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Rezension

Ruhig und doch irgendwie herzlich findet der Auftakt zu diesem Drama statt und wird vor allem anfangs noch von einigen sympathischen Schmunzelmomenten begleitet. Dabei wird nicht viel Zeit für die Vorgeschichte verbraten, sondern dahingehend nur ein grober Umriss geliefert, um die Motive des Protagonisten zu veranschaulichen. Der darauffolgende Roadtrip bleibt dennoch lange nicht so ganz nachvollziehbar, da lange verborgen wird, was das eigentliche Ziel der Reise ist. Dies wird tatsächlich erst in den letzten paar Minuten so richtig deutlich. Doch ist dieses Wissen keineswegs notwendig, um das Werk genießen zu können. Viele Alltagssituationen, entstanden aus zufälligen und eigentlich unliebsamen Begegnungen zeigen liebevolle Menschlichkeit und Zusammengehörigkeit, die zeitgemäß wichtiger kaum sein könnte.

Das letzte Geschenk

Das letzte Geschenk ©Kairos Filmverleih

Die Story entwickelt sich dabei gradlinig und ohne groß vom zentralen roten Faden abzuschweifen. Dennoch gibt es immer wieder kurze Rückblicke in die Geschichte, in denen Kindheitserinnerungen der Hauptfigur visualisiert werden, bezugslos dem Zuschauer jedoch keine wichtigen Informationen liefern. Der gesamte Film und die Dramaturgie bauen sich auf die letzte Station des Roadtrips auf und entfesseln erst dort die gesamte Kraft, die zuvor mühsam aufgebaut wurde und zeitweise etwas an Tempo vermissen ließ. Dennoch schafft es DAS LETZTE GESCHENK, eine Verbindung zum Zuschauer aufzubauen, die das Interesse am Film hochhält. Dies wird wohl am ehesten dadurch erreicht, dass der Protagonist als griesgrämige, unsoziale und kauzige Figur darstellt, die immer wieder auf Menschen trifft, die das genaue Gegenteil verkörpern und damit einen charmanten Kontrast bilden. Hierbei entstehen durchaus Assoziationen zum schwedischen EIN MANN NAMENS OVE.

Das letzte Geschenk

Das letzte Geschenk ©Kairos Filmverleih

Herzlich und kautzig zugleich

Herausragend schön und gleichzeitig verstörend wird der Hass eines Mannes gegenüber einem ganzen Land verdeutlicht, als Abraham an einem deutschen Bahnhof umsteigen muss und sich gezielt auf Kleidungsstücken fortbewegt, um auf jeden Fall die Berührung des „feindlichen“ Bodens zu vermeiden. So absurd diese menschliche Einstellung scheinen mag, so nachvollziehbar wird diese präsentiert und daraus folgend erreicht, dass der Zuschauer Verständnis für diese Situation aufbringen kann. Herzlich, liebevoll und dennoch sachlich und unverblümt hat Pablo Solarz die Geschichte inszeniert.

Dennoch gibt es auch einige kleine Kritikpunkte. So wird, wenn auch nur sehr kurz, eine Familiengeschichte aufgebaut, die im Gesamtverlauf völlig vernachlässigt wird und auch nie wieder eine Rolle spielt. Zudem gibt es einige Entscheidungen, Handlungsverläufe und Geschehnisse, die etwas überflüssig sind für die zentrale Entwicklung und teilweise einfach nicht so ganz zu Ende gedacht scheinen. Diese Problemchen sind jedoch marginal und fallen daher kaum ins Gewicht.

Das letzte Geschenk

Das letzte Geschenk ©Kairos Filmverleih

DAS LETZTE GESCHENK bleibt dennoch eine charmante und emotionale Geschichte, wie ein Mensch am Ende seines Lebens eine Vergangenheit aufarbeitet, die ihn nachhaltig gestört hat und damit zur Erkenntnis gelangt, dass Vorurteile und Hassbotschaften nicht immer gerechtfertigt sind. Dennoch wird ein kommerzieller Erfolg eher gering ausfallen, da der ruhige und farblose Verlauf sowie die Ähnlichkeit zu anderen Werken seiner Art doch etwas abschreckend wirken könnte. Mir jedoch ist der Film eine Empfehlung wert!

Mit dem Wunsch sowohl die eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten als auch zum Überdenken der festeingefahren Lebensansichten vieler Menschen anzuregen, hat Pablo Solarz mit diesem Film ein sanftes, ruhiges und unspektakuläres Drama geschaffen, welches durch gelegentliche schwarzhumorige Ansätze einen schönen Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit schafft. Dabei steht die Charakterentwicklung des Protagonisten im Mittelpunkt der gesamten Handlung und weckt sicher auch in dem ein oder anderen Zuschauer Überlegungsansätze für die persönliche Lebenseinstellung. Abgerundet durch einen äußerst emotionalen, tränenrührenden Schluss, der zwar vorhersehbar, aber dennoch ergreifend wirkt, ist dies ein wichtiges Werk der Aufarbeitung jüdischer Vergangenheitsbewältigung.

Das letzte Geschenk

Das letzte Geschenk ©Kairos Filmverleih