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Originaltitel: La Dolce Vita
Kinostart: 22.06.1960
Blu-ray-Release 29.07.2021

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 174 Minuten
Produktionsland: Italien | Frankreich
Regie: Federico Fellini
Schauspieler:innen: Marcello Mastroianni | Anita Ekberg | Anouk Aimée
Genre: Drama | Komödie
Verleih: StudioCanal Deutschland

Das süße Leben

Das süße Leben – La Dolce Vita ©StudioCanal Deutschland

Nach Tätigkeiten als Journalist und Karikaturist begann Federico Fellini als Filmemacher im Italienischen Neorealismus, erst an Seiten von Größen wie Roberto Rossellini und später als eigenständiger Regisseur. Binnen weniger Jahre entwuchs er der neorealistischen Strömung und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Autorenfilmer des 20. Jahrhundert. Als solcher gilt Fellini bis heute, als ein Meister der Groteske und als Meister seines Fachs, dessen Filme insgesamt vier Mal mit einem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet worden waren, so oft wie bisher kein anderer Regisseur in dieser Kategorie.

Stanley Kubrick nannte den Fellinis DIE MÜẞIGGÄNGER einst als einen seiner Lieblingsfilme, David Lynch schwärmte von der Atmosphäre und der Einzigartigkeit seiner Filme, und Martin Scorsese bezeichnete ihn als einen der wenigen Filmemacher, die die Art des Sehens und die Art, die Kunstform Film zu erfahren, total verändert haben. Fellinis 100. Geburtstag wurde nun zum Anlass genommen, einen seiner ganz großen Klassiker in neuem Gewand auferstehen zu lassen.

Nach anfänglichen Entwicklungs- und Produktionsschwierigkeiten entstand Ende der 1950er Jahre einer der herausragendsten Filme des italienischen Kinos und auch darüber hinaus. Trotz Finanzierungsproblemen, Uneinigkeiten hinter den Kulissen und Über- und Umarbeitungsphasen des Drehbuches wurde Fellinis berüchtigtes Meisterwerk DAS SÜẞE LEBEN 1960 zum großen Kassenschlager. Noch im selben Jahr wurde der Film bei den Filmfestspielen von Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, und bis heute hat er nichts von seiner Ausstrahlung verloren.

Das süße Leben

Das süße Leben – La Dolce Vita ©StudioCanal Deutschland

Es ist sicherlich schon viel geschrieben und viel über diesen Film gesagt worden. An neuen Lorbeeren ist auch wahrscheinlich nichts mehr zu ergänzen, – aber dennoch soll die Neuveröffentlichung des Streifens kurz Anlass geben, DAS SÜẞE LEBEN im frischen Format einer Special-Edition mit Booklet und zusätzlicher Dokumentation noch einmal Revue passieren zu lassen.

Darum geht es…

Marcello ist ein Boulevardjournalist und lässt sich durch das verführerische, aber sinnentleerte Leben der italienischen High Society treiben. Nachts durchstreift er die Stadt, ist immer da anzutreffen, wo es Trubel gibt und liebäugelt mit den Frauen. Vor dem Hintergrund einer prunkvollen und faszinierenden Welt wird Marcello zunehmend mit deren Rissen und Trugbildern konfrontiert …

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Rezension

In DAS SÜẞE LEBEN treffen unter anderem Fellinis Ursprünge als Karikaturist und frühere Mitarbeiten an Revuen aufeinander, denn die Welt, in die der Zuschauer für knapp drei Stunden entführt wird, strotzt nur so vor Spektakel und Überzeichnungen. Das süße Leben präsentiert sich als exzessive Revue in wunderschönen Schwarzweißbildern mit herausragenden Bildkompositionen und fantastischer Ausstattung – eine Welt der Oberflächlichkeiten, die mit all ihrem gehaltlosen Glamour einen unheimlichen Sog entwickeln kann. Otello Martelli, der bereits bei Fellinis Filmen wie LA STRADA und DIE SCHWINDLER die Kamera übernahm, fängt imposante Bilder und groteske Begebenheiten ein, wie gleich zu Beginn eine Jesus-Statue, die von Helikoptern getragen über die Dächer Roms fliegt oder das filmisch oft zitierte Baden im Trevi-Brunnen. Nino Rota, vielen vor allem bekannt durch seine Kompositionen zu DER PATE, steuert auch hier die Musik bei und trägt einen nicht zu verachtenden Anteil an der gelungenen Atmosphäre des Films.

Das süße Leben

Das süße Leben – La Dolce Vita ©StudioCanal Deutschland

Leben in sieben Kapiteln

Durch sieben verschiedene Kapitel folgt der Zuschauer Marcello, dessen Namensgebung Fellini nachträglich veränderte, weil ihm nur Schauspieler Marcello Mastroianni für die Hauptrolle vor Augen schwebte. Die Episoden sind abwechslungsreich und ergeben ein überaus stimmiges und gleichsam glanzvoll wie tragisches Gesamtbild mit einem Ende, welches Platz für unterschiedliche Interpretationen bietet. Dazwischen gibt es herausragende Szenerien zu beobachten, die für sich allein gestellt, ohne Abstriche die Höchstpunktzahl erreichen würden. Der Medienrummel um ein angebliches Wunder macht aus einer zutiefst religiösen Begegnungen ein regelrechtes Event, feierliche Szenen kreieren eine ungewöhnliche Mixtur aus beeindruckender Maskerade und trostloser Leere, und eine schockierende Tat bringt die heile Welt mehr als spürbar durcheinander. Eine Handlung an abwechslungsreichen Themen, die unter ihrer schillernden Fassade zwar auch tiefsinnige Gedanken anführt, aber ebenso die Ausdauer des Zuschauers fordert.

Durch all die Begebenheiten strauchelt Marcello Mastroianni als Figur, die sich selbst nicht immer richtig definieren kann. Eine Seele, die oberflächlich das Leben genießt, jede Chance nutzt und im Leben der High Society erst so richtig aufzugehen scheint, sich aber gleichzeitig immer nach Nähe und ehrlicher Zuneigung sehnt, die er jedoch nicht mal von seinem Vater erhält. Mastroianni verkörpert dabei weniger eine Karikatur, sondern mehr einen hilflosen Gefangenen, der trotzdessen kein Sympathieträger ist, wie auch keine der anderen Figuren. Wie könnte es eine solche auch in dieser schrecklich leeren, resignierten und dennoch überaus glanzvollen Welt geben?

Das süße Leben

Das süße Leben – La Dolce Vita ©StudioCanal Deutschland

Vom Glanzlicht und Blitzlicht

Im gewollt aufgeblasenen Porträt der gehobenen Gesellschaft, dessen Inszenierung zweifelsohne die Kostensteigerung des Budgets nachvollziehbar macht, befinden sich aber noch viel weitere Aspekte als nur die Kritik an einer oberflächlichen, dekadenten und konsumgesteuerten Welt. Neben der Gefühlskälte und der fehlenden Nähe sowie der tragischen Verlorenheit der vielen „Stars“, übt der Film auch starke Medienkritik, etwa in Bezug auf das übertriebene und grenzüberschreitende Blitzlichtgewitter bei bestimmten Schauspieler*innen oder auch das Aufziehen eines religiösen Wunders als mediales Spektakel mit Showcharakter. Nichts zuletzt sorgte der Name des hier auftretenden Boulevardjournalisten Paparazzo für den heute oft verwendeten Begriff des Paparazzi.

Die Auswirkungen von DAS SÜẞE LEBEN sind also bis heute spürbar in Begrifflichkeiten wie auch in der Filmbranche selbst. Aus dem Werk, dass im Vorfeld noch kritisch und negativ seitens des sehr konservativen Italiens und der katholischen Kirche aufgenommen wurde, ist mittlerweile eine Klassiker geworden, der in den Bestenlisten vieler Kritiker nicht fehlen darf. Zwar ist er mit einigen Dialogen, seiner üppigen Laufzeit und auch im Umgang mit bestimmten Randgruppen stellenweise nicht so zeitlos, wie er es gerne wäre, aber im Kontext seiner Zeit unverkennbar bedeutsam.

Das süße Leben

Das süße Leben – La Dolce Vita ©StudioCanal Deutschland

Fazit

DAS SÜẞE LEBEN hat seinen Status zurecht. Das überlange und beachtenswert gefilmte Werk ist ein einziges filmisches Treiben über die Via Veneto, welches sowohl herausragendes Spektakel als auch dramatische Wendepunkte in sich eint. Die Süße des Lebens steckt in einer Waffel aus Bitternis, und DAS SÜẞE LEBEN fängt auf beeindruckende Art und Weise ein, wie es schmecken kann und auch, wie es dahinschmilzt.

Schauspieler:in Rolle
Marcello Mastroianni Marcello Rubini
Anita Ekberg Sylvia
Anouk Aimée Maddalena
Yvonne Furneaux Emma
Magali Noël Fanny
Alain Cuny Steiner
Annibale Ninchi Il padre die Marcello
Walter Santesso Paparazzo
Valeria Ciangottini Paola
Riccardo Garrone Riccardo
Evelyn Stewart Debuttante dell’anno
Audrey McDonald Jane
Polidor Pagliaccio
Alain Dijon Frankie Stout
Mino Doro Amante di Nadia