Review
Fuck Wolverine, fluchte ein entnervter Deadpool einst in den ersten fünf Minuten seines zweiten Kinoauftritts, sechs Jahre später scheint der Groll weitestgehend beseitigt zu sein. In DEADPOOL & WOLVERINE treten beide nun gemeinsam ins MCU ein und mit ihnen der erste R-Rated-Film der nunmehr 34 Einträge umfassenden Reihe. Wer nach den vergangenen Filmen auf frischen Wind im MCU hofft, findet diesen am ehesten im erhöhten Gewaltgrad. Der Rest wird einmal mehr zur Geduldsprobe.
Getarnt als dritter Deadpool-Teil und Comeback-Show Hugh Jackmans Klingen schwingenden Wolverine ist das Aufeinandertreffen der beiden Protagonisten einmal mehr ein kalkuliertes Superhelden-Spektakel, neuer Gipfelpunkt des marvel’schen Marketingkonstrukts und obendrein Mittel zum Zweck. Ein Aufgreifen und Zurechtzwängen von Kinouniversen, die häufig nur durch oberflächliche Referenzen am Leben gehalten werden. Die tragische Inkarnation dessen ist einmal mehr das Multiversum, das schon Spiderman und Dr. Strange nur schrecklich seicht dienlich war und auch in diesem Film keineswegs an Reiz gewinnt. Im Gegenteil: The Void, eine Resterampe des Multiversums, macht es obsolet. Denn dort landet scheinbar ohnehin jede Figur, die gerade benötigt wird oder für die bald ein neues Abenteuer im MCU in den Startlöchern steht.
Die Babysitter des Multiversums
Am aufsehenerregenden Titelduo ist es also, diesen Übergangsfilm zu tragen. Hugh Jackmans alternativer Wolverine bleibt dabei ein trübsinniger Abriss seiner in LOGAN zu Grunde gegangenen Figur, während Ryan Reynolds‘ Deadpool wie gewohnt mit flachen, selbstreferenziellen Tiraden um sich werfen darf. Bis auf ein paar wenige Seitenhiebe auf 20th Century Fox versanden jene wagnislosen Meta-Einschübe so schnell wie der Film nach dreißig durchaus dynamischen Anfangsminuten in der einfallsarmen Leere. Dort ist echtes Eigenleben nur Schein, jede blasse Figur an eine lebensnotwendige Referenz gebunden. Deutlich wird, wie dünn der erzählerische Faden ist, den die Macher*innen durch das Aufeinandertreffen der Titelhelden stricken. Zwischen Tik-Tok-tauglichem Fanservice und Anspielungen an Comics und andere Filme der Popkultur ist er immer öfter gar nicht mehr zu sehen.
Das Durchbrechen der vierten Wand ist schon längst zur ermüdenden Rechtfertigungsstrategie verkommen, wenn benannte Klischees des Genres auch in diesem Teil munter weiter bedient und ausgereizt werden. Von der Schlagkraft der Actionsequenzen, die sich immer wieder deckungsgleich an den gefälligen Soundtrack schmiegen, ist bei den Interaktionen der Figuren kaum etwas zu spüren. Dass allerdings selbst die blutüberströmten Auseinandersetzungen repetitiven Charakter erhalten, unterstreicht den Mangel an echter Konsequenz, der nicht nur das Superheldenkino seit Jahren durchdringt. Auswirkungen hat das auch auf die übergeordnete Bedrohungslage. Noch nie war der bevorstehende Untergang zahlreicher Realitäten so beiläufig und egal.
Spiel denselben Song noch einmal
Einzelne Szenen und Figuren, wie gewohnt auch die Gegenspielerin der beliebig zusammengewürfelten Protagonist*innen, bleiben Identitätslose, denen Meta-Witze und poppige Hymnen Leben einzuhauchen versuchen. Dass das nicht über simple, sentimentale Momente oder prallen Pathos hinausreicht, spielt in der bloßen Spektakelverehrung irgendwann gar keine Rolle mehr. Hauptsache noch ein weiterer Cameo offenbart sich auf der Leinwand, der sich selbst Nichtkennern von Comics und Co durch pompöse Inszenierung aufdrängt. Das CGI passt sich vielen dieser Facetten an: in wuchtigen, straff durchgetakteten Actionsequenzen clean, aber stilistisch treffend, darüber hinaus jedoch ähnlich verschwendet wie eine Handvoll Gastauftritte.
Vielleicht war es ein Ansinnen, sich den mitunter trashigen Ausflügen oder gescheiterten Filmprojekten jener Figuren anzunähern, die hier neben Wolverine ihr müdes Comeback feiern. Wirkungsvoller und schlüssiger macht es all die erzählerische Willkür und leblos zusammengeflickten Ideen nicht. Letztlich hat DEADPOOL & WOLVERINE mehr postertaugliche und in Slow-Motion gefilmte Helden-Entrances als überhaupt echte Helden; mehr Klingen, die durch Menschenköpfe schnellen als ernstzunehmende Konflikte; mehr Probleme, eine referenzunabhängige, kreative oder überhaupt eine Geschichte zu erzählen, als es ein Film dieser Art haben sollte. Über letztere hilft die blutdurchtränkte Comicabsurdität und einhundert Deadpool-Varianten gewiss (Comic-)Fans hinweg, allen anderen nicht einmal ein Hund.
Fazit
Ausufernde Gewalt durchzieht den neuen Eintrag ins MCU mindestens so konsequent wie ein lebloses, willkürliches Referenzengewitter. Das erste Aufeinandertreffen von DEADPOOL & WOLVERINE ist in Actionsequenzen zwar schlagkräftig, in allen anderen Facetten aber gleichgültig und wagnislos. Selbstironisch meint Deadpool, Wolverine würde in einer Tiefphase des MCUs dazustoßen: überwunden ist diese, und auch die des Blockbusterkinos, mit diesem Film noch lange nicht.
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Originaltitel | Deadpool & Wolverine |
Kinostart | 24.7.2024 |
Länge: | 127 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Action | Komödie | Science Fiction |
Regie | Shawn Levy |
Executive Producer | Louis D'Esposito | Wendy Jacobson | Mary McLaglen | Josh McLaglen | Rhett Reese | Paul Wernick | George Dewey | Simon Kinberg | Jonathon Komack Martin |
Producer | Ryan Reynolds | Lauren Shuler Donner | Shawn Levy | Mitchell Bell | Kevin Feige | Janine Modder |
Kamera | George Richmond |
Visual Effects | Swen Gillberg |
Musik | Rob Simonsen |
Cast | Ryan Reynolds, Hugh Jackman, Emma Corrin, Matthew Macfadyen, Dafne Keen, Jon Favreau, Morena Baccarin, Rob Delaney, Leslie Uggams, Jennifer Garner, Wesley Snipes, Channing Tatum, Chris Evans, Henry Cavill, Wunmi Mosaku, Aaron Stanford, Tyler Mane, Karan Soni, Brianna Hildebrand, Shioli Kutsuna |
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