FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
 
Originaltitel: A Beautiful Day in the Neighborhood
DVD/Blu-ray – Release: 19.11.2020

FSK 0

FSK 0 ©FSK

Länge: ca. 109 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Marielle Heller
Schauspieler:innen: Tom Hanks | Matthew Rhys | Susan Kelechi Watson
Genre: Biografie | Drama
Verleiher: Sony Pictures Germany
Abspannszenen: 1

Der wunderbare Mr. Rogers

Der wunderbare Mr. Rogers ©2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Erst spät in ihrem Leben hat die 41-jährige Marielle Heller sich der Produktion von Filmen gewidmet. 2015 wurde mit THE DIARY OF A TEENAGE GIRL ihr erstes Werk veröffentlicht, welches sogleich großen Zuspruch bei der Berlinale erhielt. Es folgte der Oscarnominierte CAN YOU EVER FORGIVE ME? einige Jahre Später sowie nun der ebenfalls Oscarnominierte (wenn auch nur in der Kategorie bester Nebendarsteller) DER WUNDERBARE MR. ROGERS. Die amerikanische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin hat sich darin der wunderbaren Vorlage des Lebens von Fred McFeely Rogers angenommen, der von 1928 bis 2003 in Amerika lebte. Dieser Mann wurde von keinem geringeren als Thomas Jeffrey Hanks verkörpert, der seit Jahrzehnten immer wieder in nominierten und ausgezeichneten Oscarfilmen aktiv ist und zumeist die Hauptrollen verkörpert. Das bekannteste Werk seiner Laufbahn ist mit Abstand FORREST GUMP aus dem Jahr 1994.

Wer war nun dieser ominöse Mister Fred McFeely Rogers? Er war als Fernsehmoderator, Musiker, Puppenspieler, Schriftsteller, Produzent und presbyterianischer Pastor tätig und erlangte große Bekannt- und Beliebtheit durch seine Moderation der Vorschulfernsehserie MISTER ROGERS‘ NEIGHBORHOOD. Tatsächlich sind er und Tom Hanks sogar über einige Ecken verwandt, denn Rogers ist Vetter 6. Grades des namhaften Schauspielers. Sein Lebensziel war es Fernsehzuschauer zu fördern und in diesen Zusammenhang widmete er sich vor allem der Bildung und Unterhaltung von Kindern. Das Fernsehen war für ihn nur ein Mittel zum Zweck, da er selbst es nach eigenen Aussagen hasste und gerade deshalb daran glaubte es für etwas Gutes zu nutzen.

Der wunderbare Mr. Rogers

Der wunderbare Mr. Rogers ©2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Darum geht es…

DER WUNDERBARE MR. ROGERS beruht auf dem Zeitungsartikel „Can You Say… Hero?“ von Tom Junod aus dem Jahr 1998 im Esquire. Ähnlich wie schon damals Junod wird die Hauptfigur und Journalist Lloyd Vogel von seiner Agentur beauftragt das TV-Phänomen Fred Rogers zu interviewen und einen kurzen, gerade einmal 400 Wörter langen Artikel über ihn zu verfassen. Wiederwillig stimmt er zu, denn sein Interesse einen Moderator für Kinderserien zu interviewen ist nicht gerade groß. Er möchte viel lieber die großen Stars an die Angel bekommen. Sein Ziel ist es Mr. Rogers zu diskreditieren und ihm irgendwelche Schlagzeilenreife Informationen abzuluchsen. Er recherchiert fleißig und versucht jegliche Makel aufzudecken, doch Stück für Stück muss er erkennen, dass er sich dafür den absolut falschen Mann vorgenommen hat. Fred Rogers ist nämlich ein wirklich liebenswerter, höflicher und immer gut gelaunter Mensch, dem partout nichts anzudichten ist.

Je länger sich Vogel mit seinem Artikel über Mr. Rogers beschäftigt und je mehr er in Kontakt mit ihm tritt, je deutlicher beginnt er auch sein eigenes Leben zu überdenken, seinen persönlichen Zynismus schrittweise abzulegen und sich wieder auf die positiven Werte der Menschen zu besinnen. Aus einer beruflichen Notwendigkeit entwickelt sich zunehmend immer weitere eine innige Freundschaft.

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Rezension

Der Film spielt im Jahr 1998, in welchem tatsächlich auch der reale Artikel recherchiert und veröffentlicht wurde, der die Grundlage für dieses cineastische Werk lieferte. Anfangs wird der Zuschauer im 4:3 ähnlichen Bildformat durch eine Modellbauwelt geführt, dessen Kameraweg schlussendlich in einer häuslich dargestellten Fernsehkulisse endet. Dies entspricht quasi 1:1 den originalen Sendungsintro von MISTER ROGERS‘ NEIGHBORHOOD, welches sich über die Jahre hinweg nicht verändert hat. Tom Hanks als Fred Rogers nutzt dabei ziemlich genau die gleichen Gestiken, Mimiken, denselben Kleidungsstil und es wird exakt der gleiche Handlungsablauf gezeigt. Die Sendung entspricht zudem einem amerikanischen Pendant zu der hier eher bekannten Sendung „Löwenzahn“, in der immer wieder gewisse Alltagsfragen kindgerecht aufgearbeitet und erklärt werden. Diese extreme Ähnlichkeit und vor allem auch der charmante Look der 80er/90er Jahre ist eine absolute Augenweide und lässt vor allem in Amerika sicher viele Herzen wieder höherschlagen. Hier noch einmal ein Einblick in das originale Serienintro:

[embedyt] https://www.youtube.com/watch?v=hTevoLkcFdI[/embedyt]

Recht umfassend wird dieser Stil aufgegriffen und auch über das gesamte Werk hinweg beibehalten. So werden zwei parallellaufende Handlungsstränge miteinander verwoben und verknüpft, denn die anfänglich offensichtliche Hauptstory ist vielmehr ein Nebenprodukt der eigentlichen Geschichte, die sich um den Journalisten dreht. Im Prinzip ist dies eine Ringgeschichte, denn die Serienfigur Mr. Rogers erzählt von einem Journalisten und der Journalist von der Persönlichkeit Mr. Rogers. Interessanter Weise wird die Journalistengeschichte wie ein biografischer Einblick aufgebaut und wendet damit den Blick von der eigentlichen Biografie um Fred Rogers ab. Dieses hin und her wirkt anfangs doch sehr verwirrend, da nie so recht erkenntlich wird, was nun eigentlich gezeigt werden möchte, wer die Hauptfigur ist und zu welchem Plotpoint das Ganze führen soll.

Der wunderbare Mr. Rogers

Der wunderbare Mr. Rogers ©2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Etwas verwirrend und doch simpel gestrickt

Letztlich ist jedoch gerade diese Verwirrung ausschlaggebend für den Erfolg des Films, denn grundlegend ist dies nur eine biografische Hommage, die auf keinen tieferen Wendepunkt oder ähnliches hinführt und dadurch schafft eine gewisse Erwartungshaltung im Zuschauer zu erzeugen – eine möglicherweise spektakuläre Leiche im Keller wird stets von ihm gesucht – ihm diese jedoch nicht zu erfüllen. Wäre das Werk nun gradlinig chronologisch erzählt wurden, hätte eine dramatische Entwicklung völlig gefehlt und damit ein völlig gelangweiltes Publikum zurückgelassen.

Ein bildgewaltiges oder akustisches Meisterwerk ist hier nicht zu erwarten, doch benötigt DER WUNDERBARE MR. ROGERS auch solche Elemente gar nicht. Der Film ist viel mehr an die Persönlichkeit dieser Ikone angelegt. Fred Rogers war eine eher gediegene, ruhige und charmante Person, die seine Qualität aus seiner herzlichen Freude und Begeisterung ziehen konnte und genau das schafft dieses Werk auch visuell so auf die Leinwand zu bringen, sowohl inhaltlich als auch vom Charme der Erzählung her. Ich persönlich empfehle jedoch vorher sich einmal etwas genauer mit diesem Menschen zu befassen, denn hierzulande ist er doch zumeist eher unbekannt. Meine eigene Meinung zum Film hat sich im Verlauf der nachträglichen Recherchen ebenfalls ein wenig geändert und liefert nun ein neues Gesamtbild zu der Produktion.

Der wunderbare Mr. Rogers

Der wunderbare Mr. Rogers ©2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Der Fokus dieser Kinoproduktion liegt unmissverständlich auf Dialogen und Monologen, die einen tieferen Eindruck in die Persönlichkeit des Fred Rogers liefern sollen und dies auch geschickt schaffen. Dennoch entsteht gerade im zweiten Teil des Films eine seltsame Dynamik, die fast schon an einen unwirklichen Drogentrip grenzt und daher ohne Vorwissen zur Person doch schon sehr merkwürdig ankommt. Aus dieser wirren und recht suspekten Erzählweise geht jedoch eine sehr emotionale und berührende Entwicklung hervor, die durch Schluchzen im ganzen Saal zu vernehmen ist. Mich selbst hat DER WUNDERBARE MR. ROGERS zwar gerührt, aber nicht so sehr berührt, dass mir die Tränen kamen. Dennoch habe ich erkannt, dass diese Zuschauerreaktion absolut gerechtfertigt war und jetzt im Nachhinein, wo ich mich mit der Geschichte der lebenden Grundlage beschäftige, kommen nun auch mir die Tränen ein wenig.

 

Auf in die Nachbarschaft eines armen Irren – werden jetzt sicher viele Action- und Horrorliebhaber sagen, denn diese Story erzählt einen Teil einer fast schon unglaubwürdigen Persönlichkeit. Doch letztlich verbirgt sich dahinter nur die Hommage an einen realen Star des amerikanischen Kinder- und Jugendfernsehens, welche ohne große Spektakel und glorreichen Wendungen auskommen muss. In seliger Gemütlichkeit wird das Leben eines Vorbilds für die gesamte Menschheit angerissen und in eine anfangs recht undurchsichtige, später jedoch klar schlüssige zeitliche Abfolge verpackt. Wesentlich dabei sind umfangreiche Mono- und Dialoge sowie liebevolle kleine Gesten und Handlungen, die es schaffen die eigentlich natürliche Herzlichkeit der Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Leider ist es etwas schwer der Geschichte Glauben zu schenken und Sinnhaftigkeit abzukaufen sofern man nicht mit dem originalen Vorbild des Films vertraut ist. Kennt man dieses jedoch, oder beschäftigt sich im Nachhinein mit dem Mann, so geht einem das Herz auf angesichts dieser bedingungslosen Ehrlichkeit und Freude, gepaart mit einem sanften Hauch von Humor. Abschließend bleibt mir eigentlich nur zu sagen: Ja, genau solch einen Mann möchte ich gerne in meiner Nachbarschaft wissen, denn mit so einem Menschen ist man reicher als mit jedem vollen Bankkonto der Welt!

Der wunderbare Mr. Rogers

Der wunderbare Mr. Rogers ©2020 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH