Originaltitel: Fatman
Stream – Release: 04.12.2020
Länge: ca. 100 Minuten
Produktionsland: USA | Vereinigtes Königreich | Kanada
Regie: Ian Nelms | Eshom Nelms
Schauspieler:innen: Mel Gibson | Walton Goggins | Marianne Jean-Baptiste
Genre: Komödie | Action
Verleih: Splendid Film
Mel Gibson ist eine Art Buch mit sieben Siegeln. Niemand kann wohl jemals so richtig nachvollziehen, welche Filme er aus welchem Grund spielt oder produziert. Neben hervorragenden Meisterwerken wie BRAVEHEART (bei dem er auch Regisseur und Produzent war) oder APOCALYPTO und HACKSAW RIDGE – DIE ENTSCHEIDUNG (bei beiden war er Regisseur), prägen leider auch immer wieder Filme wie THE EXPENDABLES 3 oder DADDY’S HOME 2 – MEHR VÄTER, MEHR PROBLEME! seine Vita. Letzterer spielt zu Weihnachten und Gibson erhielt hierfür die goldene Himbeere als schlechtester Nebendarsteller. Bleibt also zu hoffen, dass er in FATMAN, der ebenfalls eine Art Weihnachtsfilm darstellen soll, sich nicht an den vorherigen schauspielerischen Darbietungen orientiert und wieder einmal seine tatsächlichen Qualitäten beweist.
Ein Wunsch wird wahr
Die Vorzeichen dafür stehen nicht schlecht, denn das Regie-Duo der beiden Brüder Ian Nelms und Eshom Nelms, die zusammen auch schon den Film SMALL TOWN CRIME gedreht haben und nun an CARRIE & ME arbeiten, haben viel Mühe und Ausdauer bewiesen, um dieses Werk zu realisieren. Ganze 14 Jahre hat es von der ersten Idee bis zur tatsächlichen Realisierung des Werks gedauert, da die Beiden immer wieder auf einige Hürden gestoßen sind. So war es gar nicht leicht überhaupt einen entsprechenden Cast zu finden, der dem Drehbuch gerecht würde. Durch einen Zufall kamen die Brüder auf Mel Gibson für die Hauptrolle, kontaktierten ihn und mussten wiederum lange Zeit auf eine Antwort warten. Als diese jedoch kam, war es ebenso überraschend wie begeisternd, denn die erste E-Mail-Reaktion kam ohne Absender und Ian und Eshom konnten die positive Reaktion niemandem zuordnen. Umso erfreulicher, dass diese von Mel Gibson kam und er Feuer und Flamme für das Projekt war.
Mit Mel Gibson kam das ganze Projekt dann auch ins Rollen, denn ohne Frage ist dieser Allrounder eine filmische Institution. Auch die zweite Hauptrolle – die des Antagonisten, konnten die Brüder mit einem schon lange bewunderten Darsteller besetzen: dem wandlungsfähigen Walton Goggins, der das Publikum schon viele Male mit seinen Auftritten entzücken konnte. So kennen wir ihn aus Werken wie TOMB RAIDER, THE HATEFUL EIGHT, DJANGO UNCHAINED, PREDATORS oder auch FOREVER YOUNG, in welchem er schon 1992 einmal mit Mel Gibson zusammen auf der Leinwand zu sehen war. Nun musste nur noch das Drehbuch regelmäßig angepasst werden, denn das Werk sollte einen politischen und gesellschaftlichen Bezug haben und war anfangs an die Kriege im Irak und Afghanistan angelehnt. Nun jedoch bezieht sich FATMAN eher auf wirtschaftliche Probleme und den grassierenden Materialismus, der in der Welt um sich schlägt.
Darum geht es…
Endlich ist wieder Weihnachten – sagt sich leider nicht jedes Kind. Denn der 12jährige verwöhnte Bengel Billy hatte im vergangenen Jahr ein Stück Kohle als Weihnachtsgeschenk erhalten. Und das völlig zurecht. Unverschämt und hochnäsig stellt Billy sich selbst immer wieder über andere Menschen. Doch das lässt sich der kleine Junge dieses Jahr nicht gefallen. Er heuert den Auftragskiller Skinny Man an, der Santa Clause einen Denkzettel verpassen soll, den er nie wieder vergessen wird. Chris Cringle, so Santas bürgerlicher Name, ist jedoch nur ein harmloser alter Mann, der mittlerweile seinen Job leid ist, denn sein Geschäftsmodell steht vor dem Aus und damit er auch künftig seinem Job nachgehen kann, bietet er seine Werkstätten außerhalb der Saison einer Umnutzung durch das US-Militär an, woraufhin die Spielzeugproduktion zunehmend zurückgefahren werden muss. Wird das traditionelle Weihnachtsfest nun nicht mehr stattfinden können?
Rezension
Schon der Trailer beweist uns vorweihnachtliche Stimmung, versetzt mit einer netten Portion Action und Ironie. Und was soll man sagen: Genau das bekommen wir auch. Die Gebrüder Nelms machen keinen Hehl daraus, dass sie geradezu gebrannt haben für die Idee des Films und richtig Lust darauf hatten diesen dementsprechend umzusetzen und genau das bekommen wir auch zu sehen. Leidenschaft und Spaß bei der Arbeit spiegeln sich bei Filmen schnell im Endresultat wider und es ist naheliegend anzunehmen, dass beides ausreichend am hiesigen Set vorhanden war. Dazu gesellt sich der Enthusiasmus beider Regisseure ihre Vision, die sie über viele Jahre im Drehbuch perfektioniert haben, wahr werden zu lassen, was sich vor allem in der recht starken Storyline auch deutlich widerspiegelt. Schlicht und simpel und dennoch ansprechend kommt FATMAN daher und liefert uns die Einstimmung auf Weihnachtsfilme wie STIRB LANGSAM und HERR DER RINGE, die wir dieses Jahr benötigen.
Profitieren tut das Werk von dem nun schon mehrfach angesprochenen starken Cast. Mel Gibson passt wie die Faust aufs Auge, denn mit seinem Ansatz von Bart bildet er einen hervorragenden Kontrast zum klassischen Coca-Cola Weihnachtsmann und schafft es durch seine Ausstrahlung dennoch das erhabene und magische Gefühl zu vermitteln, welches eine solche Figur innehaben sollte. Die Grätsche zwischen heruntergekommenen, rowdyhaften und stets betrunkenen alten Mann und Kultfigur, die von Millionen Menschen angehimmelt wird, ist in Perfektion geglückt. Abgesehen der etwas überdimensionierten Kraft und den angedeuteten Fähigkeiten, die wir letztlich aber nie zu sehen bekommen, wirkt die Figur äußerst echt und sorgt somit dafür, dass das weihnachtliche Symbol eine menschliche Komponente erhält. Eine der besten Szenen ist demnach, als Mel Gibson, nachdem er die Geschenke verteilt hat und seinen Job beendet hat, zu seiner Frau ins Bett steigt und folgender Dialog entsteht:
„Wie war es?“ „Ich habe überlebt.“
Geschickter Querschnitt mehrerer Genres
Auch Walton Goggins wurde wieder einmal perfekt gecastet für die Rolle des Antagonisten, denn mit seiner Persönlichkeit schafft er es immer wieder eine gewisse rohe Gewalt und Gleichgültigkeit einfließen zu lassen, ebenso wie seine extreme Zielstrebigkeit. Diese Eigenschaften kommen hier bestens zum Tragen. Versetzt mit einer Prise Humor, die durchaus noch nicht in Albernheiten abgleitet, sorgt Goggings für einen guten Gegenpart zu Gibson, auch wenn beide erst im Shootout aufeinandertreffen sollen. Einzig der junge Billy, gespielt von Chance Hurstfield, ist doch arg überzeichnet und fällt ein wenig aus der sonst recht stimmigen Charakterzusammensetzung. Hier gäbe es ein wenig Potential zum Nacharbeiten. Da wir Hurstfield jedoch nur selten zu sehen bekommen, da es sich nur um eine kleine, wenn auch elementare, Nebenrolle handelt, bewegt sich auch dieser Ausbruch durchaus noch im Rahmen des erträglichen.
Was macht den Film nun besonders? Vor allem das Zusammenspiel der klassischen Assoziationen mit dem Thema Weihnachten und der hier dargestellten modernen und bodenständigen Interpretation. Dabei kommen die meisten klassischen Weihnachts-Symbole zu tragen und finden ihren Platz in der Geschichte, werden allerdings teilweise in anderen Zusammenhängen neu interpretiert und eingesetzt. Gleichzeitig bekommen wir keine absolute Bad Ass Figur durch Mel Gibson präsentiert, sondern nur eine mögliche Interpretation, die es wirklich geben könnte. Der Mittelweg zwischen Filmen wie BAD SANTA und SANTA CLAUSE – EINE SCHÖNE BESCHERUNG wurde hier geschickt getroffen und macht einfach Spaß. Auch überzeugt der skrupellose Umgang mit den Figuren wieder einmal bestens, auch wenn hier direkt anzumerken ist, dass ein alternatives Ende durchaus wünschenswert gewesen wäre. Doch scheinbar hat man hier ein wenig den experimentellen Mut verloren. Schade.
Jetzt ist die beste Zeit dafür..
Damit sind wir eigentlich auch schon bei den Schwierigkeiten die der Film hat, denn einerseits fehlt wieder einmal die endgültige Konsequenz und auf der anderen Seite zieht sich der Film teilweise unnötig in die Länge durch eine Art Schnitzeljagd, die Mr. Goggins vornehmen muss um sein Ziel aufzuspüren. Zudem glänzt das Werk natürlich nicht gerade mit Genialität, Einfallsreichtum und schon gar nicht mit visuellen oder akustischen Ergüssen. Die Aufnahmen sind schlicht und zumeist in irgendeiner Form der Totalen gehalten, aber das ist auch nicht weiter dramatisch, denn das benötigt FATMAN nicht wirklich. Etwas schade finde ich die Wahl des Titels, denn mir setzt dies eher eine Assoziation Richtung Bad Santa in den Kopf, die jedoch gar nicht so zutreffend ist, auch wenn durchaus einige Parallelen existieren. Insgesamt bleibt wohl zu sagen: Der Film wäre wohl im Kino ein netter Vorweihnachtshit geworden, wird nun aber vermutlich unter seiner Streaming-Auswertung arg zu leiden haben. Schade eigentlich.
Weihnachten steht vor der Tür. Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit, Zeit mit Familie und Freunde und eine menge Geschenke. Doch nicht dieses Jahr. Nicht nur, dass der Besuch von Freunden und Familien in 2020 deutlich erschwert ist, auch Ruhe und Besinnlichkeit sind passé. Mel Gibson zeigt uns nämlich in seinem neuen Film, wie der Weihnachtsmann wirklich drauf ist und dass das unbeschwerte Leben als heilige Sagengestalt viele Tücken hat. Walton Goggins und Mel Gibson harmonieren dabei exzellent und schaffen durch ihre Arbeit eine starke Actionkomödie, die durchaus keinem Kindermärchen mehr gleicht. Zudem bieten uns die Regie-Brüder Ian und Eshom Nelms eine charmante Interpretation des Weihnachtsglaubens und versuchen somit auf ihre eigene Art und Weise die Geschichte rund um Santa Klaus zu verwirklichen. Mit Erfolg. Fatman liefert uns keine anspruchsvollen Bilder, keinen coolen Sound und erst recht keine komplizierte, bis ins Mark durchdachte Geschichte, die mit enormen schauspielerischen Talent gefüllt werden müsste, doch all das benötigt der Film auch nicht wirklich. Er schafft es charmant zu unterhalten, auch wenn streckenweise doch auch ein wenig gekürzt hätte werden können, um stets die Power aufrecht zu erhalten. Auch ist wieder zu bemängeln, dass das Ende einfach inkonsequent ist und gerne mit etwas mehr Mut bedacht werden hätte können. Dennoch reiht sich dieser Film recht sympathisch hinter Weihnachtsfilmen wie der Stirb Langsam-Reihe ein und ein Blick lohnt sich durchaus – oder ist es nur die Sehnsucht nach Kinospektakel?