FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
Originaltitel: Nguoi Vo Ba
Kinostart: ursprünglich 14.05.2020 – neuer Termin: 11.03.2021

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 94 Minuten
Produktionsland: Vietnam
Regie: Ash Mayfair
Schauspieler:innen: Tran Nu Yen Khe | Mai Thu Huong | Nguyen Phuong Tra My
Genre: Tragödie | Drama
Verleih: jip film & verleih

Die Ehefrauen

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018

Vietnam ist eine sozialistische Republik im Südosten Asiens und erstreckt sich entlang der Küste des südchinesischen Meeres bis hin zum Golf von Thailand. Bekannt ist das Land vor allem wegen seiner sehr ausgeprägten Kultur und vielen Traditionen der Menschen. Diese kennt Drehbuchautorin und Regisseurin Ash Mayfair bestens, denn sie selbst wurde in Vietnam geboren und ist dort auch aufgewachsen. MAY, DIE DRITTE FRAU ist nach zahlreichen Kurzfilmen nun ihr erster Langfilm, für den sie nach eigenen Aussagen tief in die Vergangenheit ihrer eigenen Familie gereist ist und echte Begebenheiten zu einer insgesamt fiktiven Geschichte zusammengewebt hat. Vor allem die Polygamie prägte dabei ihre Verwandschaftsgeschichte, ist jedoch seit 1950 gesetzlich verboten.

Dafür hat sie lange nach der richtigen Schauspielerin gesucht. Ganze acht Monate reiste das Team durch das ganze Land. Es fanden mehr als 900 Vorsprechen statt, bis mit Nguyen Phuong Tra My die richtige Darstellerin für die Rolle gefunden wurde. Neben der ausführlichen Wahl der Darsteller, war es Ash Mayfair absolut wichtig die Landschaften, Umgebungen und Riten so echt wie möglich der Zeit im 19. Jahrhundert nachzuempfinden, weshalb das Filmteam für Außendrehs häufig tief in die Gebirgslandschaften des Landes gereist sind, um dort Gebiete zu finden, die vom Menschen nahezu unangerührt erscheinen. Neben dem Wunsch die Frau als starke Figur der vietnamesischen Geschichte darzustellen, die zumeist der Unterdrückung unterlegen war, ist es zudem Mayfairs Absicht gewesen die religiösen und kulturellen Riten so realitätsgetreu wie möglich zu zeigen und dem Zuschauer näher zu bringen.

May, die dritte Frau

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018

Darum geht es…

Arrangierte Ehen sind in Vietnam völlig üblich im 19. Jahrhundert. May Heirat mit dem deutlich älteren Hung ist jedoch eher eine Form der Schuldbegleichung, denn ihr Vater sendet sie zu der neuen Familie, um seine Lasten damit loszuwerden. Mit gerade einmal 14 Jahren ist sie künftig die jüngste der drei Ehefrauen, denn in ihrer Polygamen Ehe muss sie sich ihren Mann mit den beiden Ehefrauen Lao und Xuan teilen. Eingepfercht in das frauenfeindliche und diskriminierende Weltbild vietnamesischer Rituale lernt sie ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, stets jedoch mit dem Bestreben mehr aus ihrem Leben zu machen. Dies ist nur möglich, wenn sie aus der Rolle als Ehefrau, in die einer Mutter eines Sohnes tritt, denn einzig Männer werden vollständig geachtet.

Auf dem Weg dorthin hat sie jedoch einige Herausforderungen zu meistern, nicht nur weil sie selbst sich anderweitig verliebt, sondern auch verzweifelt beobachten muss, wie es anderen Frauen ergeht, die versuchen ihr Recht auf Selbstverwirklichung einzufordern. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten für ihre Zukunft: schweigend das Leid erdulden und sich als hingebungsvolle und missachtete Ehefrau präsentieren oder das System anprangern, sich erheben und für die Freiheit kämpfen.

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Rezension

MAY, DIE DRITTE FRAU ist ein äußerst komplexes Geflecht aus Handlungsebenen, welches nur schwer zu durchdringen ist. Es erfordert unglaublich viel Aufmerksamkeit alle Ebenen genaustens wahrzunehmen und zu erkennen und ich würde behaupten, dass selbst dann nur schwer diese verknüpft werden können. Das wiederum macht es unbedingt erforderlich detailliert mit der Storyline zu beschäftigen, um alle Ereignisse korrekt einordnen zu können. Dies habe ich getan und hätte mir gewünscht, dass all die erwünschten Geschehnisse auch markanter zu tragen gekommen wären.

May, die dritte Frau

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018

Leider jedoch leidet der Film deutlich unter der äußerst originalgetreuen Atmosphäre, die natürlich großartig inszeniert ist und einen spannenden Einblick in die vietnamesische Vergangenheit liefert, welcher sonst wohl nur wenig bekannt sein dürfte. Die doch sehr ruhigen und teilweise fast schon tonlosen Szenarien ziehen neben langen schweigsamen Passagen das Werk doch deutlich in die Länge, ohne dabei irgendeine wesentliche Handlung zu verfolgen, woraus ein doch sehr träges und gediegenes Gefühl entsteht. Ohne Frage entsteht hier ein unangenehmer Spagat zwischen: Wir wollen die Realität bestmöglich in einer fiktiven Geschichte wiederspiegeln und wir wollen dem Zuschauer einen interessanten und lohnenswerten Eindruck in die Vergangenheit geben. Aus diesem Grund ist dem Werk auch nur schwer diese extrem langsam schleichende Dramatik vorzuwerfen.

May, die dritte Frau

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018

Schwer durchschaubar

Dennoch ist und bleibt MAY, DIE DRITTE FRAU äußerst verzwickt, da insbesondere Familien- und Verwandschaftsbeziehungen nur schwer vollends zu entschlüsseln sind. Immer wieder werden neue Figuren eingeführt, die zuvor noch nie eine Rolle gespielt haben und kurz darauf auch nie wieder eine spielen. Ungeachtet dessen jedoch ist die Grundstory rund um May gut geschrieben und zeigt eine irre erzwungene Akzeptanz die Gegebenheiten und gleichzeitig erschütternde Auflehnung gegen ein missachtendes gesellschaftliches System.

Absolut begeisternd waren wohl die vielen kulturellen Einblicke in eine fast schon vergessene Welt. So zeigt uns die Regisseurin Ash Mayfair nicht nur Einblicke in frühere Ehen und deren Riten rund um eine arrangierte Hochzeit, sondern auch Alltagsleben und die Sehnsüchte, die sowohl Frauen als auch Männer in diesen Zeiten plagen. Diese Kultur ist tatsächlich auch dafür verantwortlich, dass die mehreren kleinen Höhepunkte des Werks nahezu verpuffen, da die gesittete und ruhige Konfliktlösung hier eine wesentliche Rolle spielt. So richtig getraut hat man sich jedoch erst zum Ende hin etwas. Dieser Moment ist spannend inszeniert und metaphorisch aufgebaut, jedoch auch seit früh schon abzusehen und zu erwarten, weshalb die Überraschung sich doch eher in Grenzen hält.

May, die dritte Frau

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018

Visuell ansprechende Ewigkeit

Visuell hat MAY, DIE DRITTE FRAU vor allem naturtechnisch viel zu bieten. Viele Aufnahmen von Seidenraupen und Wetterwechseln, die zu Dunst und Nebel führten, wurden wichtige visuelle Themen untermalt von sehr leicht angedeuteten, kaum wahrnehmbaren fern ostasiatischen Klängen. Mit dieser Ruhe in den Darstellungen war es zudem die Intention der Regisseurin mit jeder Aufnahme einem Aquarell so nahe wie möglich zu kommen und damit eine eigene Bildkomposition zu entwickeln.

Egal wie gut der Gedanke hinter dem Werk jedoch ist, muss einfach gesagt werden, dass sich 94 Minuten Spieldauer hier gefühlt in eine Unendlichkeit ziehen, die ziellos daher tappst. Es fehlt so ein wenig an der cineastisch spannenden Entwicklung, da immer wieder ein neuer Handlungsaspekt eingefädelt wird, der dann jedoch wieder ins Nichts führt und weder Story noch dramaturgische Entwicklung weiter fördert.

 

Ihr seid interessiert an fernöstlicher Kultur und Geschichte? Dann ist dieser Film womöglich genau etwas für euch, denn hier gibt es eine Besichtigung der vietnamesischen Riten rund um die Thematiken der Polygamie, Zwangsheirat und Unterdrückung der Frauen im 19. Jahrhundert. Bringt jedoch dafür ordentlich Geduld mit, denn trotz recht kurzer Spieldauer von gerade einmal 94 Minuten, ziehen sich die gezielt real ausschauenden Handlungsverläufe mangels gut getakteter Entwicklungen in eine unfassbare Länge. Ergötzen kann man sich dabei an jedem einzelnen Bild, denn ganz der Intention der Regisseurin nach bekommen dieses jeweils den Eindruck eines eigenen fantastischen Gemäldes. Wichtig dabei ist jedoch, dass man sich als Zuschauer auch intensiv auf das Werk vor- oder später eben nachbereitet, denn sonst ist es leicht möglich das erwünschte familiäre Vorgänge übersehen werden können. Die Ruhe, die durch die Bilder und Klänge ausgestrahlt wird, sorgt für die sehr realitätsgetreue Darstellung, wird jedoch dem Gesamtwerk auch deutlich zum Verhängnis, leider.

May, die dritte Frau

May, die dritte Frau ©Mayfair Pictures 2018