Bewertung Michel Rieck

FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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Originaltitel: Babyteeth
Kinostart: 08.10.2020
DVD/Blu-ray – Release: 11.02.2021

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 118 Minuten
Produktionsland: Australien
Regie: Shannon Murphy
Schauspieler:innen: Eliza Scanlen | Toby Wallace | Essie Davis
Genre: Drama | Komödie
Verleih: X Verleih

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses ©2020 X Verleih

Eigentlich als Bühnenstück entworfen, fand das Werk recht schnell auch den Weg auf die große Leinwand. Das gleichnamige Theaterstück wurde 2012 am Belvoir Street Theatre in Sydney uraufgeführt. Dort anwesend waren unter anderem auch die beiden künftigen Produzentinnen dieses Projekts, Alex White und Jan Chapman, die sofort begeistert waren und die Idee hatten das Stück zu adaptieren. Um dies zu realisieren sicherten Sie sich nicht nur die Rechte an einer Kinoproduktion, sondern arbeiteten auch eng mit der Autorin und Schauspielerin Rita Kalnejais zusammen, die schon das Theaterstück geschrieben hatte. Als Regisseurin wurde die Langfilmdebütantin Shannon Murphy engagiert, da sie bereits einiges an Bühnenerfahrung mitbrachte und den Film genauso verstand, wie es sich Alex und Jan vorstellten.

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses ©Lisa Tomasetti | X Verleih

Mit Eliza Jane Scanlen sicherten sie sich zudem eine äußerst vielseitige Newcomerin, für die das Jahr 2020 viele kleine und große Erfolge bereithielt. So bekamen wir sie unter anderem auch in der Netflix-Produktion THE DEVIL ALL THE TIME zu sehen und konnten sie zudem begeistert in LITTLE WOMEN verfolgen. Auch mit Essie Davis und Ben Mendelsohn fand man eine prominente Besetzung. Insbesondere Mendelsohn konnte bereits mit Auftritten in diversen Marvel-Produktionen wie SPIDER-MAN: FAR FROM HOME und CAPTAIN MARVEL, aber auch mit Werken wie READY PLAYER ONE und DIE DUNKELSTE STUNDE von sich überzeugen und das Tor zur internationalen Filmkarriere öffnen.

Darum geht es…

Viele Eltern haben insbesondere für ihre Töchter häufig klare Vorstellungen von einem möglichen Schwiegersohn. Henry und Anna jedoch müssen schnell lernen diese zu begraben, denn ihre Tochter Milla hat sich in kürzester Zeit in den Drogendealer Moses verliebt. Ihr erstes Aufeinandertreffen verlief eher zufällig, als Moses sie versehentlich auf einem Bahnsteig anrempelte. Schnell kamen die Beiden ins Gespräch. Tatsächlich jedoch stellte sich heraus, dass Moses als gar kein so schlechter Einfluss auf das junge Mädchen zu betrachten ist, da er ihr umfangreiche Lebensfreude einhaucht. Davon profitiert die gesamte Familie, denn Milla leidet an Krebs und hat eigentlich eine schwierige Zeit vor sich. Doch der neue Lebenswille sorgt dafür, dass sie ihre verbleibende Zeit auf Erden in vollem Umfang genießt und auskostet und dabei nichts unversucht lässt. Für die Eltern bleibt nur eins: Sie müssen lernen mit dem jungen Mann zu leben.

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Rezension

Ähnlich wie es die Produzentinnen bereits gesagt haben, komme ich auch zu keinem anderen Schluss: MILLA MEETS MOSES ist ein äußerst ungewöhnliches Werk seiner Gattung. Dies fällt schon früh im Film auf, denn die gesamte Handlung wird fast schon episodenhaft, zumindest aber in einer Kapitelstruktur erzählt. Dabei gleichen diese Kapitel jedoch eher groben Umrissbeschreibungen, die eine Szene näher definieren sollen, ganz so wie wir es in Drehbüchern zu lesen bekommen und je nach Stück im Theater präsentiert wird. So lautet der erste Abschnitt: Milla trifft Moses auf Bahnsteig 4 – dies umreißt sowohl den Handlungsort als auch das Geschehen und stellt uns in kürzester Zeit die beiden Protagonist:innen vor. Dabei ist die Geschichte auch in dessen Folge recht simpel und gradlinig gehalten und liefert inhaltlich nicht viele Überraschungen.

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses ©Lisa Tomasetti | X Verleih

Dennoch schafft es das Werk auf subtile Art eine Entwicklung zu präsentieren, die einen äußerst harmonischen und mitreißenden Charakter ausstrahlt. Humor und Story sind häufig Elemente von unterschwelligen Darstellungen, bei denen das Publikum zwischen den Zeilen lesen muss, um diese zu verstehen. Dies ist eigentlich sehr angenehm, da uns damit nicht immer wieder und wieder ein Element der Handlung aufgetischt wird, damit es auch der letzte Mensch noch versteht. Es wird vielmehr eine ernstzunehmende und realitätsnahe Struktur etabliert, die insbesondere in der ersten Hälft des Films eine unglaubliche Lebensfreude und Begeisterung ausstrahlt, die sich auch auf Zuschauende überträgt.

Defizitär und atmosphärisch

Dafür sorgt natürlich vor allem der Kontrast aller Figuren. Milla wird charakterisiert als liebenswerte, anständige Tochter, die fürsorglich und gradlinig ist, während Moses eher der Typ Mensch ist, den man sich nicht für seine Tochter wünscht. Fast schon als Rowdy präsentiert er sich und wirkt wie das typische Klischee eines Schulabbrechers, der anschließend zum Dieb und Drogendealer mutiert ist. Tatsächlich bestätigt sich dieser Eindruck auch teilweise. Doch nicht nur zwischen den Beiden treffen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander. Auch zwischen Moses und Millas Eltern, wodurch einige amüsante Sequenzen entstehen, die zugleich auch von der großen elterlichen Besorgnis geprägt sind.

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses ©Lisa Tomasetti | X Verleih

MILLA MEETS MOSES selbst wirkt lebhaft und doch dezent, logisch und mit viel Gefühl für die einzelnen Szenen erzählt. Profitieren tut das Werk dabei vor allem von teilweise fantastischen Aufnahmen, die mit Hilf einer Steadycam eingefangen wurden. Die Bildgestaltung und Gesamtkomposition gleichen dabei hin und wieder regelrecht einem Kunstwerk und sind daher traumhaft schön anzusehen. Besonders in Erinnerung bleibt dabei der Moment, welcher auch im Trailer schon zu sehen ist, als eine Lichtprojektion bei einer Hausparty dafür sorgt, dass auf der Stirn von Milla ein Feuerwerk explodiert. Dies wirkt zu gleich künstlerisch als auch wie ein sehr geschickter visueller Schachzug, um innere Gedanken und Gefühle plötzlich nach außen zu kehren. Aber auch die kontrastreichen Farbkompositionen, die sich vor allem in der Kleidung und den Frisuren der Protagonistin widerspiegeln sind fabelhaft abgepasst und bieten immer wieder sehenswerte Augenblicke.

Es bleibt nicht alles hängen

Fast schon unbemerkt wird im Verlauf der Geschichte ein strategischer Richtungswechsel eingeschlagen, der schließlich dazu führt, dass aus einer kuriosen Romanze plötzlich ein lebensbejahender Film wird, der einem tragischen Ereignis entgegenstrebt und gleichzeitig die gesamte Familie noch enger zusammenrücken lässt. Gerade das Thema Familie wird hier immer wieder in den Mittelpunkt gerückt und bietet gleich mehrere unterhaltsame Facetten, die in einem herzerwärmenden Akt gipfeln, bei dem die Eltern der Protagonistin über ihren eigenen Schatten springen. All diese unterschiedlichen Figuren sorgen letztlich dafür, dass wir uns selbst so richtig wohlfühlen können in der Familie und fast schon Teil der Handlung sind. Dies wiederum ist Auslöser für das ein oder andere Tränchen, welches im liebevoll tragischen, aber auch wundervoll aufopferungsvollen Ende verdrückt werden kann.

Wie schon zu erkennen ist, bleibt nicht all zu viel Raum für große Kritik, da Regisseurin Shannon Murphy es tatsächlich geschafft hat mit ihrer ersten Regiearbeit ein rundum fantastisches Werk zu schaffen. Dennoch fällt gerade in diesem Moment der Rezension von MILLA MEETS MOSES auf, dass nicht so sehr viele Szenen wirklich hängen geblieben sind. Nur noch dunkel fügen sich die einzelnen Momente zu einem gedanklichen Gesamtbild zusammen, welches es jedoch verdient hat durch eine erneute Filmsichtung noch einmal von Grund auf aufgefrischt zu werden.

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses

Fazit

Belanglos wäre ein harsches Wort, doch letztlich bietet dieses Werk kaum inhaltlichen Charakter. Viel mehr lebt es davon, dass wir uns in der Schönheit der Bilder und der liebegefüllten und gleichzeitig kontrastreichen sowie schwermütigen Atmosphäre wiederfinden und den Film genießerisch auf uns wirken lassen können. In jedem Fall kriegen wir eine Geschichte gezeigt, die kurzweilig wirkt und geprägt ist von Romantik, dezentem Humor und oberflächlichen und sehr leichten Konflikten. Somit kann eine Empfehlung bedenkenlos ausgesprochen werden, insbesondere weil diese Coming-of-Age Geschichte generationsübergreifend funktionieren sollte.

Was würdest du tun, wenn dein Leben kurz vor dem Abgrund steht und du ganz plötzlich jemanden kennen lernst, der die Welt in deinen Augen zu sehen scheint? In Milla Meets Moses durchlebt die junge Milla eine solche Erfahrung und lässt sich komplett von ihren Gefühlen treiben – wohin, dass weiß keiner! Dieser Film schafft es das Publikum mitzunehmen auf eine Reise durch ein totales Gefühlschaos. Von fröhlicher und leidenschaftlicher junger Liebe über dezenten unterschwelligen Humor bis hin zur Trauerbewältigung ist alles dabei. Dabei punktet das Werk vor allem darin, dass eben jene Gefühlswelten stets gezielt und sanft eingesetzt werden und keineswegs von einem in das andere Extrem umschlagen. Trotz, dass die Story recht simpel gestrickt ist, weiß sie stets zu begeistern und gewinnt durch die äußerst starke Bildgestaltung, die sich durch das gesamte Werk zieht und von kontrastreicher Farbgebung bis hin zu zielgenauen Kamerashots reicht. Dieses Gemisch aus recht konträren Figuren und visuellen Spielereien liefert uns eine kleine Überraschung, die wohl die wenigsten auf dem Zettel hatten und die nicht auf pompöse Filmkunst setzt sondern auf die eher sanfteren und ruhigeren Töne. Das einzige größere Problem ist die Kurzweiligkeit, die dafür sorgt, dass Teile des Films auch recht schnell aus der Erinnerung entfleuchen.

Milla Meets Moses

Milla Meets Moses ©Lisa Tomasetti | X Verleih


Milla Meets Moses (2019) on IMDb