Rezension
Anders als es der Titel zunächst vermuten lässt, rückt in MY SAILOR, MY LOVE nicht nur eine Liebesgeschichte mit zumindest losen Seefahrtsbezug, sondern obendrein eine Vater-Tochter-Beziehung mit unaufgearbeiteter Vergangenheit in den Vordergrund. Bindeglied beider Handlungsstränge ist der abgeschieden lebende, am liebsten im Stillen Kreuzworträtsel lösende Howard, dessen Tochter Grace die ebenfalls ältere Annie als Haushaltshilfe für ihren starrköpfigen Vater engagiert. Die daraus entstehende Liaison zwischen dem alteingesessenen Hausherren und der neuen Haushälterin stellt das Figurengespann vor ungeahnte Konflikte und das Publikum vor ein in erster Linie konventionell konzipiertes und inszeniertes Liebesdrama.
In unverschnörkelten Bildern erzählt Klaus Härö in diesem vom unverhofften Liebesglück, das sich nicht ganz ohne Stolpersteine, aber doch recht zügig zwischen den zwei grauhaarigen Alleinstehenden entfaltet. Der anfängliche Koch- und Wäschedienst wird Teil einer gegenseitig aufbauenden und dem Alltagstrott entfliehenden Beziehung, die das Verhältnis des pensionierten Kapitäns zu Tochter Grace auf die Probe stellt. Je weiter sich die Zuneigung zwischen ihm und der ebenfalls verwitweten Haushälterin in regelmäßiger werdenden Treffen und gemeinsam Gesprächen entwickelt, desto sichtlicher schwindet das Verständnis der jungen, aufopferungsvollen Grace für die Annäherungen ihres Vaters.
Seichte Gewässer
Ein Grund dafür liegt in ihrer eigenen konfliktreichen Vergangenheit mit dem jähzornigen Mann, der sie zum wiederholten Mal zu verstoßen droht. Gründlich ausgearbeitet werden diese verletzenden Erfahrungen, destabilisierten Familienverhältnisse, auch die in der Zukunft angesiedelte Gruppentherapie und andere Hintergründe der Figuren aber kaum. Die Darsteller*innen rundum James Cosmo und Catherine Walker porträtieren zwar gleichermaßen sanftmütige wie unbequeme, manipulative Seiten ihrer Charaktere, können sich aber zu selten von altmodischen oder beschwichtigenden Charaktermustern lösen. Gegenwärtige private Herausforderungen der Tochter und gesundheitliche Probleme Howards verdichten die zunehmend angespannteren Beziehungen, doch Konfliktursachen und andere Facetten dieser bleiben häufig fragmentarisch wie die Geschichte von Bríd Brennans sanftmütig dargestellter, aber auch wechselhafter dritter Hauptfigur Annie.
Härö inszeniert deren Verhältnis zu Howard und das unvollständige Porträt des Vater-Tochter-Gespanns überwiegend losgelöst von Kitsch, so wie es abgesehen von einzelnen sentimentalen Musikstücken auch der Grundton des finnisch-irischen Filmdramas und dessen Bilder ist. Ruhige Aufnahmen illustrieren die kaum einmal ausformulierten Sehnsüchte, die unerwiderte Liebe der Figuren und besänftigen Konflikte des Dreigespanns. MY SAILOR, MY LOVE beginnt vermeintlich sorgenlos, strickt sich aufwühlend, aber nie filmisch aufreizend fort und endet nachdenklich. Dabei so fesselnd zu sein wie Howard, der neugierigen Kindern von seinen angeblichen Abenteuern auf hoher See erzählt, gelingt dem Film nur selten.
Fazit
Vor beschaulicher Küstenkulisse inszeniert Klaus Härö eine unaufgeregt erzählte und handwerklich routiniert umgesetzte Spät-Romanze. Wäre diese ein Schiff, auf dem die Hauptfigur als Kapitän zu einer ihrer vergangenen Seereisen aufbricht, würde sie den sicheren Hafen der filmisch wagnislosen Liebesdramen und Tragikomödien nicht verlassen. Schauspielerisch bleibt das Drama ausgereifter als in den Figuren- und Beziehungseinblicken, die nur vereinzelt nachhaltig vertieft werden.
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Originaltitel | My Sailor, My Love |
Kinostart | 30.9.2022 |
Länge: | 102 minuten |
Produktionsland | Finland |
Genre: | Drama | Liebesfilm |
Regie | Klaus Härö |
Producer | David Collins | Kai Nordberg | Kaarle Aho |
Kamera | Robert Nordström |
Musik | Michelino Bisceglia |
Cast | James Cosmo, Brid Brennan, Catherine Walker, Nora-Jane Noone, Aidan O'Hare, Gina Costigan, Molly McCann, Shane G. Casey, Bob Kelly, Nova Farrelly, Carol O'Reilly, Ciara Fallon, Shane McCarthy, Tara Flynn, Tim Landers, Ciara McKeown, Aisling Reid, Valerie O'Connor, Helen Roche, Donagh Deeney |
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