„Man kann über den Klimawandel lachen – aber trotzdem auch etwas zurückgeben“, sagt Regisseur Oliver Rihs über seinen neuen Film #SCHWARZESCHAFE – hier im Doppel-Interview mit Hauptdarsteller Yasin el Harrouk.

Fast zwei Jahrzehnte ist es her, dass Oliver Rihs mit seinem radikalen Episodenfilm SCHWARZE SCHAFE den Berliner Underground-Kosmos in Schwarz-Weiß auf die Leinwand brachte – roh, anarchisch, lakonisch. Nun folgt mit #SCHWARZESCHAFE die späte Rückkehr der chaotischen Außenseiter – diesmal in Farbe, mit prominenter Besetzung, aktuellen Themen und einem überraschend ökologischen Anspruch. Vor dem Kinostart haben wir Regisseur Oliver Rihs und Hauptdarsteller Yasin el Harrouk im Rahmen des 42. Filmfests München getroffen.

Riecks-Filmkritiken: Warum wagen Sie fast 20 Jahre nach dem Original eine Fortsetzung – und wieso trägt sie den Titel „#SchwarzeSchafe“?

Oliver Rihs: Ich habe mich wirklich lange zurückgehalten, SCHWARZE SCHAFE noch mal aufzugreifen. Der Film ist ja zu einem Kultfilm geworden und ich hatte das Gefühl, ich könnte mir nur die Finger verbrennen, wenn ich da noch mal rangehe. Irgendwann kam dann aber die Idee auf: Was wäre, wenn man diese Figuren von damals heute loslässt? Wenn sie mit Klimawandel, #MeToo, Genderthemen und Cancel Culture konfrontiert wären. Die Vorstellung hat mich dann so gereizt – auch die Idee, eine Climate-Change-Comedy mit den schwarzen Schafen zu machen – dass ich es einfach durchziehen musste.

Überfall im Spielwaren-Geschäft: Delphine von Plettenburg (Jella Haase), CharlotteHeinze (Jule Böwe) und Omar (Yasin El Harrouk)

© Clara Marnette / Port au Prince Film

Den zweiten Film einfach „Teil Zwei“ zu nennen, hätte irgendwie nicht gepasst, weil der erste Film fast 20 Jahre alt ist und viele junge Leute ihn gar nicht kennen. Trotzdem wollten wir beim Titel bleiben. Ich habe nach etwas Neuem gesucht, und irgendwann kam die Idee mit dem Hashtag. Denn wir bauen ja gerade ein ganzes Universum drumherum auf: Neben dem Film soll es auch eine Serie geben, Merch, Musikclips und mehr. Es wird eine eigene Welt. Deshalb hat das mit dem Hashtag ganz gut gepasst.

Riecks-Filmkritiken: Erinnern Sie sich noch, wann Sie erstmals mit dem ersten Film in Berührung kamen – und was hat Sie daran gereizt, nun Teil der Fortsetzung zu sein?

Yasin el Harrouk: Was mich gewundert hat: Die Älteren in meinem Viertel kannten den Film alle. Die meinten: „Krass, das war damals ein besonderer Film.“ So ist er zum Kultfilm geworden. Irgendwann habe ich Olli [Oliver Rihs] über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Wir waren in Berlin unterwegs und dann hat Olli erzählt, dass wir zusammen etwas machen könnten. Er erzählte von SCHWARZE SCHAFE und ich fand die Idee total unterhaltsam. Wie soll ich einen arabischen Clan-Boss spielen, der sich für den Klimawandel einsetzt? Wenn mich Leute gefragt haben, worum es geht, habe ich gesagt: „Ein arabischer Clan-Boss kämpft fürs Klima.“ Da mussten alle lachen. Zwei Welten treffen da aufeinander – das fand ich spannend.

Riecks-Filmkritiken: Warum ist der zweite Film diesmal farbig gedreht – und nicht wieder in Schwarz-Weiß?

Oliver Rihs: Ich habe am Anfang tatsächlich überlegt, den Film in Schwarz-Weiß zu machen. Aber gerade weil wir auch eine Serie draus machen wollen, war es extrem schwierig, einen Streaming-Dienst zu finden, der bereit ist, Schwarz-Weiß zu zeigen. Es hatte also auch kommerzielle Gründe. Aber ich wollte mich auch nicht zu stark am alten Film orientieren. Wir haben bewusst neue Figuren dazugenommen, nicht nur die alten weiterverwendet. Wir wollten keine ständige Vergleichbarkeit. Deshalb haben wir uns auch ästhetisch für einen anderen, moderneren Look entschieden.

Riecks-Filmkritiken: Wie kam es dazu, dass der Film komplett unabhängig produziert wurde?

Auf dem GREEN HUB: Delphine von Plettenburg (Jella Haase), Charlotte Heinze (JuleBöwe) und Peter Harminski (Milan Peschel)

© Clara Marnette / Port au Prince Film

Oliver Rihs: Anfangs haben wir mit Paramount gesprochen, die wollten die Serie machen. Aber während wir in der Vorproduktion waren, hat Paramount beschlossen, Deutschland komplett aufzugeben. Das war für uns aber auch eine Chance. Unabhängig zu arbeiten gibt einem kreative Freiheit. Man setzt andere Ideen um, bringt andere Energie ans Set. Ohne den Druck eines großen Studios konnten wir ganz frei arbeiten – auch was den Humor betrifft.

Riecks-Filmkritiken: Im Presseheft wird betont, dass #SCHWARZESCHAFE nicht nur inhaltlich den Klimawandel aufgreift, sondern auch in der gesamten Produktion nach ökologischen Prinzipien entstanden ist. Wie sah das konkret in der Umsetzung aus und wie kam es zu der Entscheidung, dass alle Erlöse des Films in Klimaprojekte gesteckt werden sollen?

Oliver Rihs: Mir ging es darum, dass ich einerseits eine Comedy über den Klimawandel machen wollte, aber der Klimaschutz mir andererseits auch wirklich am Herzen liegt. Ich engagiere mich da schon länger, investiere zum Beispiel in erneuerbare Energien. Beim Dreh selbst haben wir deshalb Green Producing ernst genommen: kaum Fleisch am Set, so wenig Flugreisen wie möglich und Ressourcen sparen. Wir waren eine kleine Gruppe von Investoren, die das Projekt vorantreiben wollten. Unser Ziel war: Wenn der Film Gewinn abwirft, soll dieser direkt in Klimaprojekte fließen. Wir arbeiten da mit Partnern wie Greenpeace und Viva con Agua zusammen. Man kann über den Klimawandel lachen – aber trotzdem auch etwas zurückgeben.

Riecks-Filmkritiken: Hat sich Ihr Blick auf Berlin seit dem ersten Film verändert?

Oliver Rihs: Ich finde, die Stadt hat sich stark verändert. Sie bemüht sich sehr, eine internationale Metropole zu sein – wie jede andere auch. Das finde ich schade. Vieles wirkt konzeptlos. Wer Geld hat, kann bauen, wie er will. Gleichzeitig ist Berlin für mich immer noch ein ziemlich provinzieller, fast sozialistischer Bauernhof. Wenn man aus Paris oder London zurückkommt, wirkt hier alles noch wie früher – das Essen, das Tempo, der Ton. Ich habe eine Hassliebe zu dieser Stadt: Sie nervt mich oft, aber ich liebe sie trotzdem.

Riecks-Filmkritiken: Wie nehmen Sie Berlin wahr?

Der Clan im Unverpacktladen

© Clara Marnette / Port au Prince Film

Yasin el Harrouk: Ich finde, Berlin ist eine tolle Stadt – wenn man auf sich aufpasst, mit den richtigen Leuten abhängt und ein Ziel hat. Wenn man einfach so herzieht, kann es sehr schwierig werden. Berlin kann dich unterstützen, aber auch völlig aussaugen. Deshalb ist es wichtig, das Gleichgewicht zu finden. An sich mag ich Berlin gerade sehr. Ich habe in Stuttgart studiert, am Staatstheater. Da habe ich schon vieles gesehen. Ich werde diesen Kessel immer lieben, aber jetzt passt Berlin gut zu meinem Leben.

Riecks-Filmkritiken: Was dürfen wir in der Serie erwarten?

Oliver Rihs: In der Serie kommen mindestens genauso viele neue Figuren und Geschichten dazu wie im Film. Wir entführen zum Beispiel den reichsten Menschen der Welt in einem riesigen Cybertruck. Ein schwarzer Taxifahrer stößt auf einen Nazi-Teppich und versucht, ihn im AfD-Milieu zu verkaufen – was natürlich nicht einfach ist. Es geht auch um Cyberspace und Virtual Reality. Ein Liebespaar trifft sich neu in der virtuellen Welt und wechselt das Geschlecht. Da passieren wirklich verrückte Dinge. Die Serie wird auf jeden Fall noch etwas wilder und kantiger als der Film. Der Film ist da schon fast die freundlichere Version – wer es edgier mag, kommt in der Serie auf seine Kosten.

Riecks-Filmkritiken: Warum sollte man #SCHWARZESCHAFE unbedingt im Kino sehen?

Yasin el Harrouk: Der Film spricht viele Themen an, die gar nicht so schwierig sind – wenn man sie mit Humor behandelt. Es geht um unsere Erde. Wir haben gesehen, wie schnell es sehr heiß werden kann. Und es geht auch um Ängste, die Medien manchmal erzeugen – etwa vor fremden Menschen. Der Film kann helfen, diese Angst abzubauen. Er macht neugierig, öffnet neue Perspektiven. Vielleicht schaffen wir einen Raum, in dem sich alle begegnen und akzeptieren können. Ich finde den Film unterhaltsam und spannend – und eine gute Gelegenheit, mal aus dem ernsten Alltag auszusteigen.

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Oliver Rihs: Da stimme ich zu. Wir verhandeln ernste Themen, aber mit Humor. Es geht einfach darum, mal wieder richtig lachen zu können – über schräge Figuren, absurde Situationen und das Scheitern am Alltag. Der Film hat einen scharfen, bissigen Humor, aber er ist auch ein Feelgood-Movie. Für mich passt er perfekt in einen heißen Sommer: bunt, wild, unterhaltsam – und trotzdem mit Haltung.