FilmkritikFakten + Credits
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The SadnessBlickt man zurück auf die Geschichte der Freiwilligen Selbstkontrolle, besser bekannt unter ihrem Kürzel FSK, könnte man der Prüfstelle für gesetzliche Jugendsicherung fast schon Altersmilde zusprechen. Während sich Genrefilme vor noch nicht allzu vielen Jahren reihenweise die Zähne bei der Prüfung der Altersfreigabe ausbissen und in Folge der strengen Vorschriften in Sachen Gewaltszenen häufig Federn lassen mussten, hört man heute nur noch in seltenen Fällen von geschnittenen Fassungen oder verweigerten Freigaben von Filmen, denen eine Veröffentlichung auf dem (Heim-)Kinomarkt komplett verwehrt wurde. Als der von Gorehounds im vergangenen Jahre bereits auf diversen Filmfestivals abgefeierte Horror-Export aus Taiwan THE SADNESS beim ersten Durchgang von der FSK abgelehnt und selbst die gegen das Urteil eingelegte Revision abgewiesen wurde, sah es für eine ungeschnittene Veröffentlichung des Zombie-Schockers im deutschsprachigen Raum ziemlich schlecht aus. Doch aller guten Dinge sind bekanntermaßen Drei. Deshalb ließ sich der deutsche Filmverleih Capelight Pictures nicht so einfach unterkriegen und prügelte den Horrorfilm mit einer weiteren Berufung letztlich doch noch durch die Prüfstelle direkt auf unsere heimischen Kinoleinwände. Glück gehabt!

The Sadness

The Sadness ©2022 capelight pictures

Aber kann sich THE SADNESSS in Sachen expliziter Bildern und brachialer Gewalt wirklich gravierend von anderen Vertretern des Zombiefilms abheben? Oder handelt es sich bei den zahlreichen Schlagzeilen, die den Kinofilm als den brutalsten und erschreckendsten Horrorstreifen aller Zeiten anpreisen, mal wieder nur um gekonntes Marketing, um auch den letzten blutgierigen Splatter-Fan in die Kinosäle zu locken? Am Ende liegt die Wahrheit wie so oft vermutlich irgendwo in der Mitte. In einem Punkt unterscheidet sich THE SADNESS jedoch von der schier gigantischen Masse an Zombie-Streifen. Wir haben es hier zur Abwechslung mal nicht mit langsam kriechenden und kreuchenden hirnlosen Untoten zu tun, die sich durch unschuldige Menschenmassen speisen. In Rob Jabbaz’s ersten großen Regiearbeit mutieren ganz normale Bürger durch die Infizierung mit einem von der Politik unterschätzen und sich global verbreitenden Virus (Corona-Kritik?) zu triebgesteuerten Killern, die fortan voller Wonne alles abschlachten und vergewaltigen, was ihnen vor die schwarz gefärbten Augen tritt – nur eben ohne dabei die Fähigkeit zu kommunizieren und zu denken abzulegen,

Darum geht es…

Die Welt befindet sich in einer globalen Pandemie. Aufgrund des milden Verlaufs der Krankheit scheint sich niemand große Sorgen um die eigene Gesundheit zu machen und so läuft das Leben ganz normal weiter. Als sich Kat (Regina Lei) am Morgen von ihrem Freund Jim (Berant Zhu) verabschiedet, um sich auf den Weg zur Arbeit ins Krankenhaus zu machen, scheint die Welt noch in Ordnung. Doch der Frieden findet ein jähes Ende als sich das Café, in dem Jim gerade auf seine Bestellung wartet, in ein chaotisches Schlachtfeld wandelt. Das mutierte Alvin-Virus scheint die Menschen in sadistische Monster zu verwandeln, die langsam die gesamte Stadt überrennen. Kat und Jim haben nur noch ein Ziel: Unbeschadet zueinander zu finden und den Tag heil zu überstehen.

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Rezension

Der Hauptgrund, wieso man sich THE SADNESS als Freund des saftigen Gekröses definitiv im Kino ansehen sollte, ist dann leider doch ein recht ernüchternder. Nach der langen Odyssee, die der taiwanesische Splatterfilm hin zur ungeschnittenen Kinoauswertung hinter sich bringen musste, wurde ihm für die spätere Veröffentlichung im Heimkino nämlich eine Absage erteilt. Für den Blu-ray- und DVD-Markt gelten nochmal deutlich strengere Auflagen und somit steht ein Release der blutigen Kinofassung für das heimische Wohnzimmer aktuell noch in den Sternen. Bedauerlicherweise ist dies dann tatsächlich auch einer der wenigen Faktoren, die einen Kinobesuch überhaupt rechtfertigen, denn nüchtern betrachtet unterscheidet sich THE SADNESS kaum vom üblichen, schnell produzierten B-Movie Horror.

The Sadness

The Sadness ©2022 capelight pictures

Brutal? Definitiv! Aber auch nicht neu… 

In THE SADNESS wird geschossen, gehackt, zerteilt, gebissen, zerfleischt und ausgeweidet was das Zeug hält – und das alles in einer unglaublich hohen Frequenz. Egal ob mit dem Messer, der Axt, der Schere, einer Säge oder sogar einer Fritteuse – lässt sich damit Schmerzen bereiten, kommt es auch zum Einsatz. Sobald sich die Infizierten erst einmal dem durch den Virus ausgelösten Drang zu Töten hingeben und sich schallend lachend mit einem breiten, verrückten Grinsen auf den Lippen in Rage schnetzeln, fließt das Kunstblut nur so in Strömen und die handgemachten Prothesen verteilen sich im gesamten Raum. In einer derartig hohen Frequenz hat man das vermutlich seit BRAINDEAD nicht mehr gesehen. Doch macht all das THE SADNESS zum brutalsten Film aller Zeiten? Nein! Die völlig überzeichnete comichafte Gewalt ist zwar allgegenwärtig und mit ihren praktischen Effekten immer ansehnlich, aber auch so selbstzweckhaft und empathielos in Szene gesetzt, dass sie kaum eine Wirkung hinterlässt. Die Opfer bleiben stets leere Fleischhüllen, deren einzige Daseinsberechtigung es ist, zerteilt zu werden.

Nicht einmal die Hauptfiguren Jim und Kate bekommen ein Profil, das über das zweier Verliebter auf der Suche nacheinander hinausgeht. Eine komplexe Geschichte oder ein gewisses Maß an charaktertiefe bleibt beiden komplett verwehrt. Mitfiebern? Fehlanzeige! Im Grunde beschränkt sich der gesamte Plot darauf, unversehrt von Gemetzel zu Gemetzel zu gelangen, um sich dann im zähen Schlussdrittel in unnötigen Erklärungen zu verlieren, die  komplett das Tempo herausnehmen. Wenn es dann doch einmal spannend wird, zeigt der kanadische Regisseur Rob Jabbaz sein wahres Talent. Noch bevor die Infizierten das erste Mal in Kate’s Nähe aus dem Nichts eskalieren, sitzt sie in einer vollbesetzten Bahn und muss sich den unangebrachten Annäherungsversuchen eines älteren Geschäftsmanns widersetzen. Hier liegen eine subtile Spannung und ein elektrisierendes Knistern in der Luft, die sich letztlich in einem riesigen Blutbad entladen. Noch bevor der erste Tropfen Blut fließt, verspürt der Zuschauer das aufkommende Unheil. Wann es passiert und wer mutieren wird, bleibt unklar.

The Sadness

The Sadness ©2022 capelight pictures

Immer wenn das blutige Treiben ausbricht und das Gekröse beginnt, dreht THE SADNESS auch auf der auditiven Ebene so richtig auf und lässt das schrille Gelächter der Infizierten mit dem nicht weniger kreischenden und trötenden Score verschmelzen. Für die Visualisierung des Chaos und der Rage keine schlechte Entscheidung, aber langfristig auch recht anstrengend und ermüdend – wie eigentlich die gesamten Gewalteskapaden. Auf der Suche nach der nächsten grenzüberschreitenden sadistischen Tat schießt Jabbaz dann auch immer mal wieder übers Ziel hinaus und bewirkt damit eher das Gegenteil eines bewussten Schocks. Wenn sich einer der Infizierten beispielsweise nach dem rabiaten Ausstechen eines Auges später dazu entscheidet – wenigstens dies geschieht mal im Off und wird nicht frontal mit der Kamera eingefangen – die freigelegte Augenhöhle zu penetrieren, liest sich das auf dem Papier zwar wie der nächste kalkulierte Tabu-Bruch, wirkt im Kontext des Films aber nur unfreiwillig komisch.

Gesellschaftskritik an der Oberfläche

Um sich vor dem Vorwurf der Gewaltverherrlichung schützen zu können, darf eine zeitgenössische gesellschaftskritische Botschaft natürlich nicht fehlen. Wenn in der bereits erwähnten Bahn-Szene die ersten Messerstiche gesetzt werden, fällt dies niemandem auf. Die Gesichter der Mitfahrer sind in die Smartphones in ihren Händen vertieft, welche den Blick für die Wirklichkeit verschließen. Die Gewalt um sie herum wird gekonnt wegignoriert. Auch wenn immer mehr Menschen verletzt zu Boden gehen, wird nicht eingegriffen. Anschließend wird erneut zum Handy gegriffen, um das Ausmaß der Tat für die Nachwelt festzuhalten. Auch toxische Männlichkeit und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen wird immer wieder thematisiert. Andererseits labt sich Regisseur Rob Jabbaz jedoch selbst viel zu sehr an seinen blutigen Exzessen, um dies wirklich ernst meinen zu können. Und so bleiben viele angekratzte Themen ähnlich oberflächlich wie die Kritik am Umgang mit der Pandemie seitens der Regierung als auch am zweifelnden Corona-Leugner.

Fazit

THE SADNESS erfindet trotz gesellschaftskritischem Unterton und einer zeitgerechten Neuausrichtung des Zombie-Genres das Rad nicht neu, sondern ruht sich viel mehr auf genretypischen Gepflogenheiten aus. Das heißt: Viel Blut, viele Gedärme und noch mehr Sadismus! Der Kanadier Rob Jabbaz weiß in seinem Langfilmdebüt mit den im Kern interessanten Ideen recht wenig anzufangen und lässt dabei eine spannende Geschichte mit Figuren zum mitfiebern, zugunsten jeder Menge Gore und Splatter, vermissen. Das ist natürlich äußerst brutal in seinen Bildern, aber in seiner Beliebigkeit nie herausfordernd oder gar schockierend. Am Ende dürfte der Horrorfilm lediglich bekennende Gore-Hardliner mit Fokus auf möglichst brutalen Szenen und unbedarfte Genre-Neulinge wirklich überzeugen.

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Originaltitel The Sadness (哭悲)
Kinostart 03.02.2022
Länge ca. 99 Minuten
Produktionsland Taiwan
Genre Horror
Verleih capelight pictures
FSK
FSK 18

FSK 18 ©FSK

Offizielle Website

Regie Rob Jabbaz
Drehbuch Rob Jabbaz
Produzierende David Barker | Eunice Cheng | Li-Cheng Huang
Kamera Jie-Li Bai

Besetzung Rolle
Ying-Ru Chen
Ralf Chiu
Wei-Hua Lan
Regina Kat
Emerson Tsai
Tzu-Chiang Wang Businessman
Berant Zhu Jim

 

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