FilmkritikFakten + Credits
Bis Freitag, Robinson

Bis Freitag, Robinson ©2022 Ècran noir productions

Es wirkt auf den ersten Blick kurios, dass sich ausgerechnet Gesichter wie Ebrahim Golestan und vor allem Jean-Luc Godard in einem Film der Berlinale-Sektion Encounters wiederfinden. Golestan, dessen künstlerisches Schaffen die moderne iranische Kultur wesentlich mitgestaltete, und Godard, einer der einflussreichsten Regisseure aller Zeiten und essentieller Bestandteil der französischen Nouvelle Vague. Doch schon nach kurzer Zeit wird klar, BIS FREITAG, ROBINSON ist in seiner Sektion genau richtig: in jenem kompetitiven Bereich, welchen die Berlinale selbst als Plattform für ästhetisch und formal wagemutige Arbeiten beschreibt. Mit ihrem neuesten Dokumentarfilm wird Regisseurin Mitra Farahani, die seit 2002 regelmäßig mit Beiträgen auf der Berlinale vertreten war, dieser Beschreibung fraglos gerecht: ihr Film ist eine eigenwillige Dokumentation über zwei außergewöhnliche Filmemacher in ebenso eigentümlich inszenatorischen Gewand.

Darum geht es…

Obwohl sie einer Generation an Filmschaffenden angehören, sind sich die beiden Filmemacher Jean-Luc Godard und Ebrahim Golestan noch nie begegnet. Regisseurin Mitra Farahani möchte einen Briefwechsel zwischen den beiden zurückgezogenen Altmeistern ins Leben rufen. Nach anfänglichem Zögern entspinnt sich zwischen den Künstlern ein reger, mal kryptischer, mal intimer oder auch amüsanter Austausch. Jeden Freitag schickten sie einander Nachrichten zu, Mitra Farahani hat sie dabei 29 Wochen lang begleitet.

Bis Freitag, Robinson

Bis Freitag, Robinson ©2022 Ècran noir productions

Rezension

Chronologisch verfolgt die in Teheran geborene Filmemacherin den beiden Hauptfiguren ihrer szenischen Collage. Wo sich der französisch-schweizerische Maestro zunächst nur mit kryptischen Nachrichten und Neckereien von seiner undurchdringlichen Seite zeigt, ist der Zugang zu Ebrahim Golestan von Beginn an nahbarer. Sie spielt mit der Wahrnehmung der Herren, überhöht sie stellenweise pompös, nur um an anderer Stelle durch einen Hustenanfall oder Urinprobe mit deren Ikonisierung zu brechen.

Die Themen, die die Filmemacher in ihrem Briefwechsel ansprechen, sind so vielfältig wie die Schnitte und Bildschnipsel, mit denen die Regisseurin eben jenen Online-Austausch auf die Leinwand zu projizieren versucht. Die zentrale, sowohl philosophisch, gesellschaftskritisch aber hin und wieder auch kindisch (und natürlich ausschließlich schriftlich) geführte Konversation dürfte am ehesten die Interessen und das Nachdenken von Kunstliebhaber*innen ansprechen. Es geht um die Typologie der Sprache, um Menschlichkeit und Todesangst der alternden Künstler, um die Rolle von Kunstschaffenden in der Moderne und natürlich ums Filmemachen. Letzteres entwickelt sich überwiegend aus den entworfenen Bildern heraus, als dass es direkt zur Sprache kommt.

Bis Freitag, Robinson

Bis Freitag, Robinson ©2022 Ècran noir productions

Das Kino und der Film als ein verbindendes visuelles Element zieht sich wie ein roter Faden durch die etwa neunzig minütige Dokumentation. In zum Teil experimenteller Herangehensweise illustriert Mitra Farahani die Antworten der Filmemacher und verleiht ihnen durch das Spiel mit Licht und Dunkelheit weitere Dimensionen. Die visuellen Ideen etwa in der Einbindung von Leinwänden, die die Illusion einer realen Begegnung beider Künstler erzeugen, unterstützen die aufgrund der Zeit und des Übermittlungsweges recht seicht geführten Diskurse und bringen Frische ins angestaubte Mail-Postfach. Die teils rigoros eingesetzten, vor allem auf tonaler Ebene übersteuernden Momente brechen aus den herkömmlichen Dokumentationskonventionen aus, und wenn nicht schon vorher dann spätestens gegen Ende auch mit der Geduld vieler Zuschauer*innen.

Fazit

Wer mit keinem der beiden Filmschaffenden vertraut ist, dem wird der Zugang zu dieser Dokumentation dank eigenwilliger Herangehensweise erst recht erschwert. BIS FREITAG, ROBINSON ist kein Film über die Biografien beider Herren, sondern ein außergewöhnlicher Briefwechsel zweier Intellektueller. Kryptisch distanziert, aber auch offenbarend, gelegentlich aufgeregt inszeniert und dennoch nicht frei von Längen. Ein Film, wie er in Ansätzen auch von Godard selbst hätte kommen können.

Wie hat Dir der Film gefallen?
1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne6 Sterne7 Sterne8 Sterne9 Sterne10 Sterne (1 Bewertungen, Durchschnitt: 6,00 von 10)

Loading...

Originaltitel À vendredi, Robinson
Internationaler Titel See You Friday, Robinson
Berlinale – Release 11.02.2022
Berlinale – Sektion Encounters
Länge ca. 96 Minuten
Produktionsland Frankreich
Genre Dokumentation
Verleih unbekannt
FSK unbekannt

Regie Mitra Farahani
Drehbuch Mitra Farahani
Produzierende Mitra Farahani | Jean-Paul Battaggia
Kamera Fabrice Aragno | Daniel Zafer
Schnitt Fabrice Aragno | Mitra Farahani | Yannick Kergoat

Besetzung
Jean-Luc Godard
Ebrahim Golestan

 

Wie hat Dir der Film gefallen?
1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne6 Sterne7 Sterne8 Sterne9 Sterne10 Sterne (1 Bewertungen, Durchschnitt: 6,00 von 10)

Loading...