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Jetzt auf Amazon kaufen oder leihen Originaltitel: Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde
Kinostart: ursprünglich 19.03.2020 – neuer Termin: 17.09.2020

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Länge: ca. 86 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Regie: Nicola Alice Hens
Genre: Dokumentation
Verleiher: missingFilms

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs

100 Jahre schreibt Marthe Hoffnung Cohn in diesem Jahr und kann trotz dieses stolzen Alters vielen jungen Menschen noch immer etwas vor machen. Dies jedoch wörtlicher als es im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist, denn diese Dame hat eine beeindruckende Lebensgeschichte hinter sich, die sie noch heute mit den Menschen teilt. Mit jedem weiteren Jahr ist sie immer mehr bestrebt, dieses Wissen einer breiten Bevölkerungsebene zu hinterlassen. Bereits in ihrer Autobiographie “Behind Enemy Lines” schreibt sie über ihre Erlebnisse zum Ende des zweiten Weltkrieges. Doch warum macht sie all dies in ihrem hohen Alter? Sie sieht sich als Beweis, dass Juden nicht nur Opfer waren, sondern auch gekämpft haben und möchte damit einige ungenaue Ansichten der Menschen ins richtige Licht rücken.

Darum geht es…

Marthe ist das vierte von sieben Kindern, orthodox-jüdisch, und ist in ihrer Heimat Metz anfangs in deutscher Sprache, später auch in französischer Sprache aufgezogen wurden. Als geborene Marthe Hoffnung-Gutglück wird sie 1939 aus dem Grenzgebiet evakuiert ins französische Poitiers. Dort versucht sich die Familie erneut ein Leben aufzubauen, doch als sich die Ausnahmesituation in Deutschland verschärft, wird es auch für die Familie immer problematischer in der Grenzregion zu leben.

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs

Marthe ergriff die Initiative und als es die Gefahr weiter anstieg und zudem noch ihr Ehemann von den Deutschen getötet wurde, beschließt sie sich dem französischen Widerstand anzuschließen, welcher nach einigem hin und her sie wegen ihrer Deutschkenntnisse in den Geheimdienst beordert. Unter dem neuen Namen Marthe Ulrich versucht sie sich in die deutschen Reihen einzuschleusen, um ihrer Spionagetätigkeit nachzugehen, doch erweist sich dies als recht schwierig. Dennoch schafft sie es gelegentlich ihrem Befehlshaber und damit der französischen Armee wichtige Informationen zu zuspielen, die Auswirkungen auf weitere kriegerische Taktiken haben und den Franzosen damit deutliche Vorteile verschaffen und schließlich auch zu wichtigen Siegen führt.

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Rezension

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs

In dieser Dokumentation über Marthe Hoffnung Cohn wird eben jene Geschichte von der alten Dame erzählt und Schritt für Schritt aufgearbeitet, um ihre besonderen Leistungen für die Nachwelt festzuhalten. Von diesen berichtet sie dabei selbst in Dialogform. Die Kamera folgt ihr in für sie alltäglichen Situation wie Vorträgen und Präsentationen, bei denen Sie von ihrem Leben berichtet. Zudem gibt es Reisen an verschiedene der Originalschauplätze, an denen sich ihre Geschichte zugetragen hat, an denen sie dann von den dortigen Geschehnissen berichtet. Dabei wird auch Kontakt mit Ortsansässigen aufgenommen, um die Entwicklung der dortigen Vergangenheit aufzuarbeiten und als großes Puzzle zusammenzusetzen.

Alles was nicht mit realen Bildern gezeigt wird, unterliegt entweder anschaulichen Beschreibungen oder wird gar durch kleine animierte Einspieler unterstützend dargestellt. Bei der gesamten Aufarbeitung wird zudem chronologisch vorgegangen, um dem Publikum auch die Dramatik vieler einzelner Handlungen verständlich präsentieren zu können. Dies wird im Wesentlichen in französischer Sprache zusammengefasst, weicht jedoch auch teilweise dem Englischen.

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs

Chichinette = kleine Nervernsäge

Generell unterliegt die Dokumentation einer eher stupiden Abarbeitung von Fakten und einer unspektakulären Erzählstruktur, die in immer gleichen Bahnen die Geschichte aufarbeitet und zusammenfasst. Immer im Mittelpunkt steht dabei Marthe Hoffnung Cohn. Selbst ihr Mann kommt nur ein einziges Mal so richtig zu Wort. Es wird eine sehr gradlinige und einseitige Sicht auf die Geschehnisse präsentiert, da es keine Stimmen gibt, die etwas wiederlegen könnten, was zwangsweise zu einer sehr subjektiven, wenn auch nicht weniger spektakulären Ansicht der Geschehnisse führt.

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs

Visuell gibt es ebenfalls keine außergewöhnlichen Besonderheiten, die den Zuschauer fesseln könnten. Schön anzusehen sind mehrere, als Collage angeordnete, Bilder auf wasserfarbenen Untergründen. Selbstverständlich fließen dabei viele Bilder aus der Kriegszeit ein, auch welche die nicht allgegenwärtig in Geschichtsbüchern zu finden sind und damit die Eindrücke der Zeit, die jeder von uns bereits gemacht hat, weiter konkretisiert.

Somit ist dieser Film eine durchaus angebrachte Präsentation einer unfassbaren und ehrenhaften Lebensgeschichte, die jedoch unter der Art der Produktion etwas leidet. Trotz, dass das Publikum gespannt verfolgt was geschieht, ist die Art der Erzählung doch eher unattraktiv und birgt einige Momente der Müdigkeit im Zuschauer.

Als jüdisch-orthodoxe Frau ist Marthe Hoffnung Cohn eine kleine Legende des zweiten Weltkrieges, denn aus purer Angst um das eigene Leben und das ihrer Familie entwickelte sie den Drang aus eigener Kraft ihren Beitrag zum Ende des Krieges zu leisten. Bezeichnet als Chichinette (=kleine Nervensäge) machte sie ihrem Namen auch alle Ehre und konnte als Spionin wertvolle Informationen sammeln, welche für die Angriffe französischer Soldaten ausschlaggebend waren. Dieser Film berichtet aus eigener Perspektive von Frau Cohn von diesen Ereignissen, zeigt Andenken an die Zeit, Bilder und Originalschauplätze. Dies geschieht jedoch sehr zulasten der spannenden Erzählweise, denn das gesamte Werk erklingt im gleichen Rhythmus und zieht sich daher recht unspektakulär dahin. Trotz einer wichtigen und spannenden Handlung verliert sich der Film daher in der subjektiven Darstellung einer einzelnen Person.

Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde ©2019 missingFILMs