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Originaltitel: The Personal History Of David Copperfield
Kinostart: 24.09.2020

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 119 Minuten
Produktionsland: USA | Vereinigtes Königreich
Regie: Armando Iannucci
Schauspieler: Dev Patel | Aneurin Barnard | Jairaj Varsani
Genre: Drama | Historie | Komödie
Verleiher: Entertainment One Germany

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Um eins von Beginn an klar zu stellen: DAVID COPPERFIELD – EINMAL REICHTUM UND ZURÜCK ist keine Biografie des gleichnamigen amerikanischen Zauberkünstlers. Der Film basiert auf der Buchvorlage von Charles Dickens mit dem Titel „David Copperfield or The Personal History, Adventures, Experience and Observation of David Copperfield the Younger of Blunderstone Rookery (Which He Never Meant to Publish on Any Account)”. Doch gibt es eine gemeinsame Parallele, denn der noch heute bekannte große Magier wählte seinen Künstlernamen wegen des eleganten Klanges der Hauptfigur aus der Buchvorlage. Das Buch selbst ist autobiografischer Natur und berichtet daher Szenenhafte Elemente aus Charles Dickens‘ Leben, insbesondere seiner schmerzhaften Erlebnisse und Erniedrigungen in seiner Jugendzeit. Dieses Buch wurde von ihm selbst sogar kurz vor seinem Tod als sein Lieblingskind bezeichnet.

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Als Autorenfilmer hat Armando Iannucci sich vor allem mit Fernsehproduktionen einen Namen gemacht, hat aber auch schon vier Werke auf die große Kinoleinwand bringen dürfen. Mit diesem fünften Werk holt er einen Darstellerstar aus der Versenkung zurück auf die große Bühne. Dev Patel hatte seinen großen Durchbruch im Jahr 2008 mit SLUMDOG MILLIONÄR. Es folgten einige eher unbedeutendere Kinoproduktionen, die, bis auf LION – DER LANGE WEG NACH HAUSE, nur selten das Publikum von seinen Leistungen überzeugen konnten. Fraglich ist nun, ob er an diese vergangenen Inszenierungsqualitäten nun wieder anschließen kann oder wir weiter auf ein Lebenszeichen warten müssen, welches von seiner starken Leinwandpersönlichkeit überzeugt.

Darum geht es…

Recht strikt der Handlung der Buchvorlage folgende erzählt der Film die Geschichte von David Copperfield, angefangen in Kindertagen bis hin zu seinen Erfolgen als Schriftsteller. Vom Leben gebeutelt muss David schon früh erfahren, was es heißt für sich selbst zu sorgen und selbstständig zu werden. Nachdem seine ihn liebende Mutter den industriellen Edward Murdstone heiratet, sind die friedlichen Tage gezählt und Hass und Unterdrückung prägen seine Jugendzeit. Eine strenge Erziehung ist die Folge, doch David setzt sich dieser immer wieder entgegen, insbesondere um seine fast schon hilflose Mutter zu schützen. Daraufhin schickt Edward ihn nach London, wo er in einer seiner Fabriken arbeiten muss. Es scheint ständig nur noch schlimmer für ihn zu kommen, gipfelnd in dem Tod seiner Mutter. Doch stets rauft er sich wieder zusammen, lernt schnell von den Menschen um ihn herum, hält Gedanken und Zitate fest und kreiert so seine eigenen lebhaften Geschichten.

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Rezension

Es kommt nicht häufig vor, doch angesichts meiner derzeitig eher mageren Zeit für Filme und Kritiken habe ich mich von Ratschlägen anderer Menschen leiten lassen und mir diesen Film einmal zu Genüge getan. Reizvoll waren dabei vor allem die beiden Darsteller Dev Patel, den ich bisher eigentlich ganz gerne gesehen habe, und Tilda Swinton mit der ich seit je her Schwierigkeiten als Schauspielerin habe, da ich mich zumeist nicht wirklich mit ihren Figuren identifizieren kann. Doch wo wir gerade schon dabei sind sei gesagt, dass gerade sie mir in diesem Werk besonders gut gefallen hat und ihre exzentrische, wuselige und teils kryptische Art bringen einen tollen Charme mit sich, der ihr Schauspiel zu keinem Zeitpunkt langweilig werden lässt. Sie erinnert stark an H.M. Murdock aus ‚Das A-Team‘, denn ihr unkontrolliertes und dennoch gradliniges Auftreten weist viele Parallelen mit dieser von mir sehr lieb gewonnenen Serienfigur auf.

Man muss denen helfen, die man liebt und die Lieben, denen man hilft.

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Tatsächlich sieht es bei Dev Patel genau umgekehrt aus. Wo er sonst so leicht meine Aufmerksamkeit für sich einnimmt, schafft er es diesmal nicht so richtig das Interesse an seiner darstellenden Kunst zu wecken, insbesondere, und das kann durchaus einfach auch ein Problem der Regie sein, weil er stets völlig überdreht und viel zu hektisch in jede Szene hineinspringt. Zu keinem Zeitpunkt kommt auch nur ein bisschen Ruhe in die Geschichte, weil seine Figur immer in Bewegung ist und ohne Pause agieren muss. Es kommt sogar das Gefühl auf, man wolle unbedingt einen Berg von Geschichten erzählen und habe dafür einfach nicht genug Zeit bekommen und deshalb müsse man jeden Storypart in viel zu überdrehter Geschwindigkeit abspielen. Ich wurde selbst in meinem Kinosessel ganz nervös und war sehr erfreut zwischendurch die anderen Darsteller sehen zu können, die einen gewissen Ausgleich in das Werk brachten und dies daher etwas erträglicher gestalteten.

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Brillante Nebenrollen an allen Ecken

Hier vor allem bemerkenswert Peter Capaldi mit einer Thénardier (LES MISÉRABLES) gleichen Figurenverkörperung, gemixt mit einem Hauch von Mr. Olivander (HARRY POTTER). Fast schon in die gleiche Kerbe schlug auch Schauspieler Hugh Laurie mit seiner Figur Mr. Dick und sorgte damit immer wieder für einen netten kleinen Schmunzler und viele herzliche Szenen, in denen man die Personen einfach nur knuddeln würde wollen. Auf ganz andere Art und Weise sorgte Daisy May Cooper dafür, dass man sie am liebsten hätte umarmen wollen, denn sie schaffte es so viel Herzlichkeit und Liebe aufzubringen, dass dem Zuschauer richtig warm ums Herz wurde, angesichts der kraftvollen Hingabe zu ihrem Beruf als Haushälterin.

Doch ein paar tolle Figuren, und hier besonders die Nebenfiguren, machen natürlich noch lange keinen guten Film aus. Leider bekommt man genau dies auch immer wieder zu spüren, denn die Geschichte spielt ein wenig mit den Realitätsebenen und springt von Ort zu Ort und bietet dem Publikum zu keinem Zeitpunkt ein wenig Ruhe die Szenen zu genießen. Darüber hinaus ist die Masse an Figuren so umfangreich, dass es langezeigt nicht so einfach ist den Überblick über alle Charaktere zu behalten. Ob dies in der Buchvorlage begründet ist, kann ich leider nicht abschließend sagen, doch erst in den Abschlussszenen war es mir möglich die Verbindungen aller Personen untereinander abschließend zu eruieren. Nicht förderlich wirkte sich dabei die stets wechselhafte Szenenlokalität aus, denn fast schon wahllos springt die Handlung zwischen London, einem ländlichen Haus, dem Elternhaus und einem Bootshaus hin und her und macht dabei immer wieder auch an anderen Schauplätzen Station.

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Wo bin ich hier eigentlich?

Am unangenehmsten war jedoch das Spiel mit der Realität. Es war nie so recht klar, ob die gegenwärtige Handlung nun in einem Traum, einer Vorstellung, die dem Schriftsteller David Copperfield als Grundlage für seine kommenden Ideen diente, oder doch in der gegenwärtigen Realität spielt. So bekommen wir zu Beginn des Films einen Handlungsstrang in einem Haus, gebaut aus dem Rumpf eines Boots, präsentiert, welcher keinen so richtigen Zusammenhang zu den vorherigen Geschehnissen verdeutlicht und scheinbar nicht real ist. Später jedoch erfahren wir, dass dieses als Illusion getarnte Ereignis doch geschehen sein muss. Oder hier steckt der tiefere Sinn dahinter, dass Copperfield schon früh seine gedankliche Gegenwart mit der Realität vermischt und sich dies zu seinem literarischen Meisterwerk aufbaut, dass seine Zukunft prägen wird. Was ist also wahr und was ist nur ein Hirngespinst der Hauptfigur?

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany

Sehenswert ist dieser episodenhaft erzählte Film allemal, denn er schafft es Humor und Gefühl zu vereinen und eine angenehm wohlige Stimmung zu erzeugen, die nur von der ekligen und anstrengenden Hektik Dev Patels unterbrochen wird. Gewinnen tut das Werk vor allem an seinen Nebenfiguren, die alle mit viel Liebe gestaltet sind und vom Antagonisten bis zum Protagonisten große schauspielerische Stärke ausstrahlen. Verfeinert mit ein paar starken bildlichen Kompositionen zeigt sich ein wirklich unterhaltsamer Film, für den es sich auch mal wieder lohnt, das Haus zu verlassen und das Kino um die Ecke aufzusuchen. Doch Achtung: Hierbei handelt es sich nicht um eine klassische Klamaukkomödie, sondern eher um ein etwas anspruchsvolleres, mit Humor versehenes Geschichtsdrama.

Nach einiger Zeit Abstinenz von seinen pompösen Leinwandauftritten, gibt es nun endlich wieder Dev Patel in der Hauptrolle eines Filmes zu sehen. Doch knüpft er mit seinem Auftritt nicht gerade an frühere Glanzleistungen an, was jedoch nur bedingt am Film liegt. Patel sorgt mit seiner stets hektischen und unkontrollierten Art dafür, dass der Zuschauer im Saal regelrecht nervös wird und sich kaum noch ruhig in seinem Sitz halten kann. Das führt dazu, dass das Werk einen unangenehm anstrengenden Beigeschmack erhält, während dies ansonsten eigentlich doch ganz in Ordnung ist. ‚Unterhaltsam‘ und ‚lebendig‘ beschreiben die sonstigen Geschehnisse wohl am besten, denn vor allem die etwas verwirrten und doch liebenswerten Nebenfiguren machen diesen Film zu einem tollen Abendprogramm, bei dem man sich ein wenig in tolle Bilder verliert und nebenher eine sprunghafte und nicht immer am roten Faden festhaltende Story gezeigt bekommt. Hier herrscht sozusagen eine wundervolle Magie in einem Illusionsfreien Raum, denn wohlgemerkt sei hier noch einmal, dass der Film nicht die Geschichte des gleichnamigen Magiers erzählt, sondern einzig und allein auf der Buchvorlage von Charles Dickens beruht. In Bezug zu diesem literarischen Werk bietet der Film viele tolle Parallelen und versucht sich möglichst nah an dieser Geschichte entlang zu hangeln.

David Copperfield - Einmal Reichtum und Zurück

David Copperfield – Einmal Reichtum und Zurück ©2020 eOne Germany