FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
Jetzt auf Amazon kaufen
Originaltitel: Guns Akimbo
Kinostart: 25.06.2020
DVD/Blu-ray – Release: 04.12.2020

FSK 18

FSK 18 ©FSK

Länge: ca. 98 Minuten
Produktionsland: Neuseeland | Deutschland | Vereinigtes Königreich
Regie: Jason Lei Howden
Schauspieler:innen: Daniel Radcliffe | Samara Weaving | Rhys Darby
Genre: Action | Komödie
Verleih: Leonine

Der Junge der überlebte… aber wie lange noch? Daniel Radcliffe hat einen ziemlich pompösen Karrierestart hingelegt, denn mit seiner Rolle als Harry Potter wird er wohl für immer im Gedächtnis der Filmhistorie bleiben. Doch der gerade einmal 31jährige hat seit dem in unzähligen weiteren erfolgreichen sowie auch Independent-Produktionen mitgewirkt. Dabei begibt er sich gerne in Rollen, die eher skurriler Natur sind und in der Regel nicht den größten Zuspruch bei Schauspieler:innen bekommen dürften, so zum Beispiel in HORNS als eine Ausgeburt des Bösen, in SWISS ARMY MAN als eine furzende Leiche oder nun als trottelhafter junger Mann mit einer ganz besonderen Spezialität. Doch auch Co-Star Samara Weaving hat uns schon einige seltsame Filme präsentiert wie MONSTER TRUCKS aus 2016 oder READY OR NOT – AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, TOT, in welchem ein beliebtes Kinderspiel plötzlich zur tödlichen Angelegenheit wird.

Interessant ist es aber auch einmal hinter die Kamera von GUNS AKIMBO zu schauen, sogar wortwörtlich. Denn als Kameramann und Komponist fungierte zwei Deutsche, die bereits an vielen starken Werken beteiligt waren. So war Enis Rotthoff an der musikalischen Gestaltung von MEIN KAMPF, DIE VERMESSUNG DER WELT, ER IST WIEDER DA und LOVE SARAH – LIEBE IST DIE WICHTIGSTE ZUTAT beteiligt. Der in Zossen geborene Kameramann und Colorist Stefan Ciupek wirkte indes an SLUMDOG MILLIONÄR, 127 HOURS und ANTICHRIST mit. Die Voraussetzungen für einen äußerst vielseitigen und interessanten Film sind somit vor und hinter der Kamera bestens gegeben und lassen von vornherein auf einen unorthodoxen Film hoffen.

Darum geht es…

Eigentlich ist Miles ein ziemlicher Loser mit einem schrecklichen Job, mit noch schrecklicheren Kollegen, einer frischen Trennung von seiner Freundin und keinem wirklichen Lebensziel. Doch besonders letzteres soll sich schnell ändern. Die Organisation SKIZM sorgt für reale Verfolgungsschlachten und Deathmatches, die jeder Nutzer auf der Welt live verfolgen kann. Ohne Frage ein verachtungswürdiges Konzept, aber es versteht sich von selbst, dass es genug Follower gibt, die genau auf solche kranke Scheiße stehen. Um seinem Leben etwas mehr Sinn einzuhauen, trollt Miles gerne auf der Plattform rum und zeigt zumindest online wie stark er doch ist – bis eines Tages die Gründer von SKIZM vor seiner Tür stehen und ihn für den nächsten Gladiatorenkampf gegen die tödliche und angsteinflößende Nix erwählen. Eine eigene Entscheidung hat er dabei nicht. Als er aus seiner ihm zugefügten Ohnmacht erwacht hat er plötzlich je eine Waffe an seine Hände geschraubt. Der Kampf beginnt…

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt YouTube Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutzerklärung.
Akzeptieren

Rezension

Mit GUNS AKIMBO hat es Jason Lei Howden geschafft eine attraktive Antwort auf die DEADPOOL-Reihe zu geben, mit gerade einmal einem Viertel des Budgets zur gleichrangigen US-Vorlage. Mit gerade einmal 15 Millionen US-Dollar Budget stellt sich natürlich die Frage ob der neuseeländische Regisseur uns nun nur einen billigen Abklatsch des Erfolgsfranchises verpassen will. Doch weit gefehlt. Jason Lei Howden hat es geschafft einen Film auf die Beine zu stellen, der nicht nur ein Geballer von dummen Sprüchen und maßlos übertriebenen Actionszenen bietet, sondern tatsächlich auch eine tiefere, gesellschaftskritische Ebene. Klar will dieser Film im Vordergrund einfach nur unterhalten. Doch bekommt das Publikum spektakulär die Abscheulichkeit der modernen Gesellschaft vor Augen geführt und damit auch einen Spiegel vor die eigene Nase. Doch das ist nicht so unbekannt, denn bereits im Film NERVE wurde ein ähnliches Prinzip angewandt und zeigt uns immer wieder die Abgründe der menschlichen Idiotie.

Der Film schafft es, uns ziemlich schnell in seinen Bann zu reißen. Wodurch das möglich ist? Vor allem durch die direkte Kommunikation mit dem Zuschauer und dem damit verbundenen Durchbruch durch die sogenannte „vierte Wand“. Gleichzeitig bekommen wir aber auch ein ordentliches Pacing geboten und ein starken Sorroundsound. Nicht das klassische „wir müssen einfach auf alle Boxen irgendwelche Schüsse legen, damit der Zuschauer ein geiles Gefühl hat“, sondern recht präzise Auslotung der sichtbaren und nicht sichtbaren Handlungen und den entsprechenden Akkustik-Richtungen. Schnell kommt das Gefühl auf, dass immer und überall etwas passiert und es ist durchaus denkbar, dass auf einer Kinoleinwand schnell die Sorge mitspielt, man könne etwas verpassen, wenn man auch nur eine Sekunde unaufmerksam wäre. Denn tatsächlich wird auch visuell extrem viel geboten – vor allem durch unzählige Kamerafahrten mit vielen sich überschlagenden und drehenden, aber dennoch stets klar erkennbaren Aufnahmen.

Anfängerfehler oder gewollte Verrücktheit?

Dies bringt jedoch auch ein kleines Problem mit sich, denn es wirkt alles auch ein wenig Amateurhaft. Als hätte der Regisseur einfach Lust gehabt einmal alles auszuprobieren, was die ganze besorgte Technik so kann. Ist es also zu viel, was dieser Film rausholen wollte? Ja und nein. Für sich betrachtet sind die einzelnen Szenenzusammensetzung schon äußerst anstrengend und wirken sehr überfordernd. Im Gesamtkonzept hingegen ergibt sich eine interessante Dynamik, die effektiv dafür sorgt, dass eine ganze Menge Geschehnisse in eine eigentlich recht kurze Spieldauer gepackt werden konnten und dabei sich trotzdem auf einige Szenen genauer zu fokussieren. Klar bedient man sich dabei dem geschickten Mittel der Verfolgungsjagd, die die Protagonisten durch die gesamte Stadt scheut nur um zum nächsten wesentlichen Handlungsspielort zu gelangen, doch ist dies eine recht smarte Entscheidung, um den Film nicht zu zercutten und gleichzeitig den Zuschauer:innen stets etwas bieten zu können.

Ein wesentlicher Pluspunkt des von GUNS AKIMBO ist ohne Frage auch die Brutalität. Während bei Deadpool viele Szenen zwar auch schon übel wirkten, aber noch fleißig entschärft wurden um noch mehr Publikum zu generieren, zieht GUNS AKIMBO seinen Stiefel eiskalt durch und nimmt visuell kein Blatt vor den Mund. Dies hat zur Folge, dass wir unfassbar viele Kills sehen, die teilweise schon sehr schmerzhaft anzuschauen sind und bei denen das Publikum fleißig mitleidet. Dennoch kann ich nur feststellen, dass weiterhin einer der brutalsten Filme, die ich kenne BAD BOY war und auch dieser Film es nicht schafft an die polnische Hooliganeskapade heran zu reichen. Doch das ist nicht weiter dramatisch, denn auch so bekommen wir schon ordentlich viel Blut um die Ohren geschmissen.

Lern doch mal zielen!

Wo es dann leider ärgerlich und unglaubwürdig wird, ist die Charakterisierung der Figur Nix. Schnell, kampfbegabt, brutal, skrupellos und eine Killermaschine wie sie im Buche steht, mit einer unfassbaren Schusspräzision. Diese monstermäßige Killerin schafft es nicht den totalen Anfänger, der kaum offensichtlicher auf der freien Straße rumläuft und nicht einmal im Ansatz sich Mühe gibt sich zu verstecken, (okay außer eine Szene, da war es doch eine recht smarte Idee) umzulegen? Also entweder wird damit dieser Figur eine nicht nachvollziehbare Barmherzigkeit angedichtet, die sie absolut nicht hat, oder wir bekommen hier eine idiotische Inszenierung aufgetischt, die nur dafür da ist, um die Handlung weiterlaufen zu lassen. In jedem Fall ist dieser Aspekt doch sehr ärgerlich und wirft kein gutes Bild auf die fortlaufende Entwicklung.

Unbedingt erwähnenswert ist wohl auch die Songauswahl, die sich über den ganzen Film erstreckt. Hier wurden viele Kultsongs neu aufgearbeitet und in einer spannenden dynamischen Version hinterlegt. Dadurch entstand stets das Gefühl: „Ach geil, den Song kenne ich ja – und ich liebe ihn – wie geil, dass dieser so gut in den Film passt“. Dieser Film macht einfach mal wieder von Anfang bis Ende Spaß und er liefert uns Popcornkino vom feinsten und da ist es halt auch mal egal, dass jede Szene vor Absurdität strotzt, denn manchmal benötigen wir doch alle solch ein Spektakel auf der Leinwand, oder nicht? GUNS AKIMBO hat durchaus viel abgekupfert und man kann so einige Kritikpunkte finden, doch unterm Strich sind auch viele neue Ideen eingeflossen, die Dialoge waren teilweise spitzenmäßig und es gab fantastische Sprüche und man hat schon recht deutlich versucht sich auch von den offensichtlichen Vorlagen auf eine eigene Weise abzugrenzen.

Der brutale Deadpool. Der bodenständigere Nerve. Und eine Ehrerbietung an Michael Bay. Ich vermute viel präziser kann man den Film nicht beschreiben und da alle drei Aspekte auf ihre Weise einfach Spaß machen, schreit doch auch ein Gemisch aus diesen nach einem unterhaltsamen Werk. Und genau das bekommen wir. Der Film macht Laune, er bietet coole Action, geile Bilder, einen starken Score interessante Charaktere und viel Blut. Endlich hält man sich einmal nicht in den Actionsequenzen zurück sondern haut einfach mal so richtig auf die „Kacke“. Dazu kommen teilweise echt coole Dialoge und Sprüche und eine grundlegend völlig absurde Story. Wer Inhalte sucht ist definitiv mit dem Film schlecht bedient. Wer Spaß auf der Leinwand sucht, der trifft hiermit auf jeden Fall die richtige Wahl (auch wenn so einige Szenen nichts für zartbesaitete Gemüter sind). Natürlich hat auch Guns Akimbo Ecken und Kanten, von denen einige mir recht unsympathisch ins Auge gefallen sind, doch schreit der Film eben auch danach mal nicht so genau auf jedes Detail zu schauen und sich einfach berieseln und begeistern zulassen. Ich hatte auf jeden Fall eine wunderbare Zeit und kann den Film durchaus nur weiterempfehlen!