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Originaltitel: La Gomera
Kinostart: 13.02.2020
DVD/Blu-ray – Release: 29.05.2020

FSK 16

FSK 16 ©FSK

Länge: ca. 97 Minuten
Produktionsland: Rumänien | Frankreich | Deutschland
Regie: Corneliu Porumboiu
Schauspieler:innen: Vlad Ivanov | Catrinel Marlon | Rodica Lazar
Genre: Krimi | Drama
Verleiher: Alamode Film

La Gomera - Verpfiffen und Verraten

La Gomera – Verpfiffen und Verraten ©2019 Alamode Film

Das Pfeifen ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst und hat sich dennoch bis heute nicht grundlegend verändert. Doch die Bedeutung dieser Laute hat hingegen einen viel umfassendere Entwicklung genommen. So galt das Geräusch damals vor allem als Warnung vor Gefahren oder zur Verspottung von Leistungen. In der Renaissance entwickelte sich dann daraus eine Art Kunstpfeifen, welches genutzt wurde für verschiedenste Arten der Bühnenaufführungen. Diese Töne wurden jedoch mit der Zeit verdrängt von den Musikinstrumenten, die sich etwa zeitgleich im Hoch ihres Entwicklungsstadiums befanden. Heute ist das Geräusch weitestgehend nur noch eine nette Beigabe, die wir beherrschen. Einen tieferen Nutzen ziehen wir daraus nicht mehr, außer die gelegentliche Selbstunterhaltung.

Ich pfeif darauf

Doch das stimmt nicht so ganz, denn gelegentlich bekommen Pfiffe auch eine etwas tiefere Bedeutung und können eine Art der Kommunikation sein. So werden diese vor allem noch in Stadien und Konzerten genutzt, um persönliche Begeisterung oder auch Empörung auszudrücken. Dabei wird der Ton zwar grundsätzlich auf die gleiche Art ausgestoßen, bekommt jedoch erst durch eine gewisse Form der Betonung seine Bedeutung. Es gibt Ort auf der Welt, wo eben jener Inhalt eines Pfeiftons noch deutlich intensiver zur Kommunikation genutzt wird. So zum Beispiel auf der Insel La Gomera, die zu den kanarischen Inseln gehört und sich somit im zentralöstlichen Atlantik befinden.

La Gomera - Verpfiffen und Verraten

La Gomera – Verpfiffen und Verraten ©2019 Alamode Film

El Silbo ist eine sogenannte Pfeifsprache, die einzig und allein darauf beruht, dass sich Kommunikationspartner, teilweise über weite Distanzen hinweg, über Pfiffe verständigen. Aus der unterschiedlichen Betonung, die in der Sprache eine sehr große Rolle spielt, werden, ähnlich wie in jeder anderen Sprache Laute, erzeugt, denen ein gewisser Sinn zugesprochen wird. Erstmalig Erwähnung fand diese Sprache zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Sie lässt sich auf so ziemlich alle Sprachen der Welt anwenden, wird jedoch zumeist in Symbiose mit dem Spanischen genutzt. Sie baut auf drei wesentlichen Eigenschaften auf: Lautstärke, Tonhöhe und Unterbrechungen. Vor allem in Berglandschaften mit tiefen Tälern und entsprechend guten Echos können dadurch Nachrichten über mehrere Kilometer hinweg transportiert werden, was natürlich durch den heutigen technischen Fortschritt nicht mehr so große Bewandtnis hat. Dennoch bestehen große Bemühungen diese Kultur zu erhalten und deshalb gibt es seit einigen Jahren Schulen, die genau dieses Fach anbieten.

Darum geht es…

Doch was erzählt der uns hier eigentlich irgendwelche komischen Geschichten über Pfeifen? Selbstverständlich hat dies viel mit dem Film LA GOMERA zu tun, der unter anderem eben jene kulturelle Eigenschaft aufgreift und für die eigene Geschichte missbraucht. Dieses internationale Werk entstand unter des rumänischen Regisseurs Corneliu Porumboiu mit einem weitestgehend unbekannten Darstellerensemble. Doch Vlad Ivanov ist mittlerweile kein namenloser Darsteller mehr, denn er hat bereits in mehreren Produktionen mitgemacht, die fast alle aus einem anderen Land stammen. So wirkte er in Filmen aus den folgenden Ländern mit: Weißrussland, Ukraine, Frankreich, USA, Südkorea, Polen, Ungarn und Rumänien. Hierzulande war er auch schon auf der Leinwand zu entdecken im vielfach prämierten TONI ERDMANN.

la Gomera - Verpfiffen und Verraten

La Gomera – Verpfiffen und Verraten ©2019 Alamode Film

Als korrupter Polizist hat es Cristi nicht gerade leicht, denn auf der einen Seite muss er vorbildlich seiner Arbeit nachgehen und auf der anderen die Geschäfte mit den Gangstern abwickeln. Da seine eigene Behörde ihm nicht so recht traut, wird er jedoch überwacht was die Kommunikation mit seinen Handelspartnern verkompliziert. Doch er ist keines Wegs dumm und so begibt er sich auf eine Reise auf die Insel La Gomera, um dort die Sprache El Silbo zu erlernen. Diese ohnehin schon schwierige Herausforderung wird noch komplizierter als sich der Polizist in Gilda verliebt, die gleichzeitig die Geliebte des obersten Drogenbosses ist, dessen Geldwäscher wiederum in Bukarest gefangen genommen wurde und zu dessen Freilassung Cristi nun Informationen sammelt. Ein verzwickter Berg von Problemen wartet auf ihn.

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Rezension

Die Vorfreude auf LA GOMERA war eigentlich recht hoch, denn bereits vielfach waren in den Medien positive Stimmen zu diesem Werk zu vernehmen. Zudem wirkten die Vergabe der FSK 16 und der Genreeinordnung in Thriller ebenfalls als förderliche Motoren, um das Interesse anzuheizen. Doch kommen wir erstmal zur groben Struktur und den Stilmitteln. Der Film ist in mehrere kleine Kapitel gegliedert, in denen die gesamte Handlung aus der Sicht der Figur von Vlad Ivanov geschildert wird. Doch erwartet den Zuschauer nicht viel Ansehnliches. Der Großteil aller Darstellungen besteht aus Porträtaufnahmen, Dialogmitschnitten und ist visuell eher unspektakulär. Nur selten werden mal ein paar hübsche Landschaftsaufnahmen gezeigt, doch generell bleibt das Bild weitestgehend trist und eintönig – nicht zuletzt durch die teilweisen sehr spärlichen Ausstattungen der Handlungsorte.

La Gomera - Verpfiffen und Verraten

La Gomera – Verpfiffen und Verraten ©2019 Alamode Film

Viel eher wird da noch das Akustik-Empfinden angesprochen. Zwar liefert uns der Film keinen imposanten Soundtrack oder einen eindrucksvollen Score, doch sind es gerade die eingehend erwähnten Pfiff-Laute, die ihre Faszination mit sich bringen. Tatsächlich ist dies auch in der Gesamtbetrachtung die wesentliche Stärke des Werkes, denn durch die Einbindung dieser Nebenstory, wird endlich einmal eine innovative Idee in das heutige Filmgeschehen etabliert. Bis zu diesem Film war mir diese Kommunikationstechnik nicht bekannt und hat mir neue spannende Einblicke in ein real existierendes Phänomen geliefert. Doch ebbt die Aufregung im Verlauf der Geschichte immer weiter ab, denn genauso langweilig wie ein Film über Pfiffe klingt, genauso entwickelt sich leider auch die Handlung.

Rätselhafte Langeweile

Abgesehen davon, dass die Kapitel doch recht massive Schnitte darstellen, die stets zu Beginn für Verwirrung sorgen in Bezug auf die Lokalität, die Handlung und den zeitlichen Abstand zum vorherigen Part, liefert der LA GOMERA statt eines Thrillers viel mehr eine triste Story über einen Mann und seine Abtrünnigkeit zu Gesetz und Ordnung. Während die sonderbare Sprache aus dem anfänglichen Fokus immer weiter in den Hintergrund rückt, wird ein seltsames Geflecht aus Liebesgeschichte und Krimi deutlich mehr in den Mittelpunkt gestellt. Doch von Spannung und fesselnder Erzählung keine Spur.

La Gomera - Verpfiffen und Verraten

La Gomera – Verpfiffen und Verraten ©2019 Alamode Film

Als kleine Situationszeichnung: ich verabscheue es mit Handy im Kino zu sitzen oder auch Filme im Home Entertainment zu genießen und so versuche ich mich auf jedes Werk gleichermaßen zu konzentrieren. Doch die völlige Belanglosigkeit der Geschichte, die sich abseits der Sprachschule entwickelt, sorgte dafür das ich mich immer wieder dabei ertappte, wie ich mich doch ablenken ließ von diesem Gerät. Dennoch zweifle ich stark daran, dass das Problem an meiner Unaufmerksamkeit fest zu machen ist, denn grundsätzlich setzt sich der Film nur aus einer kleinen neuen und guten Idee und einem großen Haufen von Krimimaterial zusammen, welches man tagtäglich in jedem Fernsehfilm zu sehen bekommt.

Anspruchslose Krimigeschichte mit dem gewissen Etwas

Dennoch muss ich eine Lanze brechen für Hauptdarsteller Vlad Ivanov, dem man in jedem Augenblick ansieht, dass er voll in seiner Rolle steckt und sich für dieses Werk wirklich bemüht hat. Nicht nur, dass er visuell eine bestechende Ähnlichkeit aufweist, nein auch die Darstellung seiner Figur erfolgte mit einem ähnlichen Enthusiasmus wie es Michael Keaton regelmäßig auf die Leiwand bringt. Aus diesem Grund gibt es einfach keine bessere Beschreibung für das darstellende Spiel Ivanovs, als dass er der rumänische Michael Keaton ist. Zwar rückt auch seine Schauspielkollegin Catrinel Marlon Stück für Stück in den Mittelpunkt der Handlung, hinterlässt jedoch keine weiteren wesentlichen Erinnerungen, da ihre Form der Figureninszenierung eher in der Masse untergeht.

Unter dem Strich bin ich somit etwas enttäuscht, denn so richtig angesprochen hat mich LA GOMERA nun nicht. Eine schöne Idee macht noch lange keinen guten Film und das wird hier wieder einmal bewiesen. Dennoch will ich ihn nicht schlecht reden, denn Fans von Krimis kommen hier schon weitestgehend auf ihre Kosten. Doch halten sich Überraschungen arg in Grenzen und es werden kaum nennenswerte Szenen geliefert, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen würden. Ich gehe davon aus, dass ich das Werk schnell wieder vergessen haben werde.

Reisen wir doch einmal zu einer wunderschönen Insel zwischen Spanien und Afrika und lassen uns bezaubern von ihrer Schönheit. Doch weit gefehlt, denn hierbei handelt es sich nicht um eine Dokumentation, sondern angeblich um einen harten Thriller, der uns von der Insel nicht wirklich viel zeigt. Doch bekommen wir zumindest einen wahren Kulturaspekt der dort lebenden Menschen gezeigt, denn dort wird die Sprache El Silbo gepfiffen. Ja ihr lest richtig! Bekannt für diese Art der Kommunikation auf der Insel wird uns ein beiläufiger Einblick in die Kunst der Pfeifsprache geliefert. Diese wird als wesentlicher Teil der Handlung etwas für die eigenen dramaturgischen Zwecke missbraucht und ist leider letztlich auch das Spannendste am ganzen Werk. Leider bekommen wir nicht viel mehr zu sehen als ein 0815-Krimi gemixt mit einer netten Spielerei, wie es sie zuvor wohl nicht in einen Film geschafft hat. Doch das wohl beste am ganzen Werk ist das Schauspiel von Vlad Ivanov, der für mich wohl das rumänische Ebenbild des von mir sehr gern gesehenen Michael Keatons ist. Doch abgesehen davon, soll der Eindruck, der bei euch bleibt, nicht ausschließlich schlecht sein, denn das wäre dem Film nicht gerecht. Vielmehr ist hier ein Film zu sehen, der in der breiten Masse aller Produktionen einfach nur untergeht, da große Teile der Handlung einfach schon tausendfach gesehen wurden und wir kaum einmal mit schönen Ideen überrascht werden. Somit bleibt nur noch zu sagen: Kann man mal machen – muss man aber nicht.

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