FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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Originaltitel: Blue My Mind
Kinostart: 01.11.2018
DVD/Blu-ray – Release: 01.03.2019

FSK 16

FSK 16 ©FSK

Länge: ca. 97 Minuten
Produktionsland: Schweiz
Regie: Lisa Brühlmann
Schauspieler:innen: Luna Wedler | Zoë Pastelle Holthuizen | Regula Grauwiller
Genre: Fantasy | Drama
Verleih: Meteor Film GmbH

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Nachdem bereits LOVECUT – LIEBE, SEX UND SEHNSUCHT jung, frisch und dynamisch auftrat und davon überzeugen konnte, dass die neue Generation von Schauspieler:innen und Regisseur:innen Potential hat endlich wieder frischen Wind in die ausgetrocknet öde Filmlandschaft zu blasen, stand nun auch noch einer der Erfolgsfilme von Meteor Film GmbH auf meiner Liste. Dieses hiesige Werk wurde nämlich schon auf unzähligen Filmfesten auf der ganzen Welt gezeigt und hat dabei so einige Filmpreise abgesahnt – unter anderem auch den Regiepreis des Max Ophüls-Festivals. Verantwortlich dafür war die Regisseurin Lisa Brühlmann, die mit BLUE MY MIND ihr Langspielfilmdebüt gab (sie arbeitete bereits am Film PÉRIPHÉRIE mit, der jedoch ein Episodenfilm ist und somit nur teilweise unter ihrer Aufsicht entstand). Bisher ist die 39jährige eher als Schauspielerin zu sehen gewesen, unter anderem für Alarm für Cobra 11 und in GOLIATH, realisierte aber auch schon einige Kurzfilme.

Neben ihr ist wohl der prominenteste Name im gesamten Team die gerade einmal 21jährige Luna Wedler, die die Hauptrolle übernommen hat. Sie kam eigentlich eher zufällig zum Filmbusiness, als sie für AMATEUR TEENS sich „einfach mal so“ für die Rolle beworben hatte. In BLUE MY MIND gab sie schließlich ihr Debüt in einer Hauptrolle, was schließlich auch zu der starken Besetzung in DAS SCHÖNSTE MÄDCHEN DER WELT führte, der in Deutschland überragend einschlug an den Kinokassen. Zuletzt war sie im Netflix Film AUERHAUS zu sehen, der jedoch nicht gerade die großen Begeisterungsströme auslöste. Neben ihr bekommen wir einen teilweise ebenfalls recht jungen Cast zu sehen, aber auch Darsteller:innen wie Georg Scharegg und Regula Grauwiller, die sich vor allem in der schweizerischen Film- und Serienlandschaft bereits einen Namen machen konnten.

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Darum geht es…

Erzählt wird die Geschichte der 15jährigen Mia, die gerade einige Änderungen in ihrem Leben verkraften muss. Sie steckt mitten in der Pubertät und natürlich bringt dies auch einige körperliche Entwicklungen mit sich. Doch mit dem was folgt hat sie wohl eher nicht gerechnet. Nachdem ihre Familie erst vor kurzem ist und Mia nun eine neue Schule besucht, hat sie es schwer mit dieser Situation klar zu kommen und versucht sich schnell beliebt zu machen, was gar nicht so einfach ist. Sie versucht also in die coolste Clique der Klasse aufgenommen zu werden und würde dafür alles geben, sogar ihre Jungfräulichkeit. Mit einsetzen ihrer Periode, beginnt ihr Körper untypische Veränderungen durchzumachen – so fangen plötzlich an ihre Zehen zusammen zu wachsen. Etwas Seltsames geht hier vor, doch der Drogen-, Tabletten- und Alkoholkonsum, dem sie zunehmend verfällt, überschattet all ihre Probleme. Auf der Suche nach persönlicher Freiheit riskiert sie alles zu verlieren…

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Rezension

Mit BLUE MY MIND bringt die Meteor Film GmbH einen etwas anderen Coming-of-Age-Film zu uns nach Hause als wir ihn wohl gewöhnt sind. Dabei geht er zum großen Teil altbekannte Wege, denn auch hier lernen wir eine junge Schülerin kennen, die sich von einem auf den anderen Moment mit großen und wichtigen Fragen im Leben auseinandersetzen muss und ihren eigenen Weg in der Gesellschaft sucht. Das dies nicht immer leicht ist, beweist das Werk bestens und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Problemwelten jugendlichen Rebellierens und einer herausfordernden Selbstfindungsphase. Luna Wedler, die selbst zum Drehzeitpunkt gerade einmal 18 Jahre alt war, zeigt hierbei in bester Manier ihr Können und überzeugt mit einer trotzigen Protagonistin, die scheinbar alles dafür tun würde dazu zu gehören.

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Doch woher stammt dieser Drang nach Aufmerksamkeit eigentlich? Dies wird dem Publikum bewusst verheimlicht und zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt. Wir müssen also davon ausgehen, dass ihre Persönlichkeit entweder im Zuge der pubertären Entwicklung sich so verändert hat oder sie bereits immer mit einer leichten Form des Aufmerksamkeitsdefizits zu kämpfen hatte. In beiden Fällen ist es jedoch erstaunlich, dass sie auf ihrem Weg sich zu profilieren fast alles tun würde, um letztlich in den Kreisen der coolen Kids angesehen zu werden, unter anderem auch mit einem erwachsenen Mann schlafen. Immer wieder überschreitet sie ihre persönlichen Grenzen und zeigt uns einen regelrechten Absturz, der sich auch auf ihre körperliche Fitness auswirkt.

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Was wird nur aus der heutigen Jugend

Nicht zuletzt wird die Krise verschärft durch den regelmäßigen Konsum von Alkohol und härteren Stoffen, die letztlich zum völligen Abdriften der Persönlichkeit führen und letztlich sogar die Richtigkeit der familiären Beziehungen in Frage stellt. An dieser Stelle muss tatsächlich die Frage aufgeworfen werden, ob die Einnahme dieser Körperschädigenden Mittel nicht zu arg verharmlost und damit verherrlicht wurde. Zwar wurde der Film mit einer FSK 16 freigeben, doch sehe ich gerade diese Personengruppe als besonders gefährdet im Missbrauch von Drogen jeglicher Art an, da hier auch noch keine nüchterne Realisierung entsprechender Folgen möglich ist. Präsentiert man hier also Schüler:innen nicht einen Lebensstil, den es eigentlich zu vermeiden gilt, insbesondere da bis zum Schluss keine wirklich Auflösung verdeutlicht, wie schädlich dieser Weg wirklich sein kann. Das anschließende Erbrechen ist wohl kaum eine angemessene Andeutung der Gefahr.

Doch ist dies keine reine Kritik, denn grundsätzlich sorgen diese Elemente dazu ein komplexes, interessantes und diverses Entwicklungsbild der Protagonistin zu erzeugen. Die Regisseurin Lisa Brühlmann meint über ihren Film, dass sie gewillt war ein Werk zu machen, welches einem weiblichen Befreiungsfilm gleicht und vermittelt wie eine Person den Systemzwängen und Regeln der Gesellschaft entflieht. Dies ist ihr sehr gut gelungen insbesondere durch das Hilfsmittel der Gruppendynamik, die viele Menschen immer wieder dazu verleitet Dinge zu tun, die sie unter normalen Umständen nie getan und besser auch sein gelassen hätten. Diesem Gruppenzwang verfällt die Protagonistin in Gänze und lässt sich dadurch immer weiter in das Chaos hineinziehen.

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Doch sprechen wir einmal über das Ende des Films, welches sicherlich viele fragende Zuschauer:innen hinterlassen wird. Ich selbst war zwar auch nicht informiert, was es mit dem Film auf sich hat und war dann doch etwas überrascht von der Entwicklung, die mich ein wenig an den diesjährigen Film UNDINE erinnert hat, fand dies aber eine spannende Idee, um Coming-of-Age und Fantasygeschichte zu vereinen. Dennoch fragte ich mich, wie nun diese zwei verschiedenen Elemente der Handlung genau zusammenpassen sollen und was das eine mit dem anderen zu tun hat. Leider wird dies aus dem Film heraus nicht so recht klar und nur eine abschließende Recherche bringt hier genaue Erkenntnisse. Regisseurin Lisa Brühlmann meinte nämlich auch, dass sie die Meerjungfrau als Symbol der Sehnsucht nach Freiheit interpretiert und somit der Handlungsverlauf eher einem symbolischen Charakter folgt. Schade, dass der Film dies nicht auf diese Weise vermitteln kann.

Ein geschickter Schachzug wäre hier womöglich gewesen einleitende Worte zu präsentieren, die uns klar machen, dass hier mit Sinnbildern gearbeitet wird, denn sobald man anfängt die Geschichte unter den erklärten Gesichtspunkten zu betrachten, so entwickeln sich völlig automatisch noch viele weitere gute Aussagen, die im Gedächtnis bleiben und lassen auch die letzte Szene nicht mehr befremdlich wirken. Durch einen kleinen Hinweis wäre hier die Tür geöffnet wurden diesen Freiheitsausbruch auch angemessen würdigen zu können und mit der Protagonistin im Verlauf der Story mitleiden oder sich schließlich mitfreuen zu können. Deswegen ist es jedoch noch immer kein schlechter Film und BLUE MY MIND schafft es vor allem atmosphärisch zu überzeugen.

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH

Fazit

Ist ein Film gut, wenn er es nicht schafft die gewünschte Aussage der Regisseurin wieder zu spiegeln bzw. ist ein Film gut, wenn er erst schafft durch anschließende Recherche alle Inhalte zu erklären? Diesbezüglich bin ich sehr zwiegespalten, denn eigentlich schaffte es der Film mich in seinen Bann zu ziehen. Jung und dynamisch, frisch und lebhaft kommt das Werk daher und vergisst dabei nicht harte Themen und Problematiken anzusprechen, die in der heutigen Zeit fast schon zur Normalität aufzusteigen scheinen. Dabei wird jedoch eine Genregrätsche eingelegt, die zwar einen interessanten Charakter hinterlässt, ohne weitere Informationen aber nicht so recht aufzugehen scheint und daher durchaus „Schuppen“ lässt. In jedem Fall lohnt es sich den Film sich zu Gemüte zu führen und den trotzigen und dreisten Reaktionen junger Menschen im Alltag zu folgen sowie der Protagonistin auf ihrem Weg in die persönliche Befreiung.

Arg musste ich mit mir kämpfen, wie nun meine Bewertung und entsprechend meine Review für diesen Film ausfallen würde, denn auf der einen Seite hat der Film es schnell geschafft mich zu begeistern. Nicht zuletzt hat dies die äußerst gute Luna Wedler möglich gemacht, die mit ihrer ruhigen, konzentrierten und gleichzeitig lockeren und leichten Art den Film zu ihr eigen gemacht hat. Es ist vollkommen mitreißend dem systematischen Absturz einer noch jungen Seele folgen zu müssen und zu sehen, wie sich ein Mensch alle Voraussetzungen für das Leben in kürzester Zeit zerstört. Zeitgleich ist wiederum auch begeisternd zu sehen, welcher Weg in der heutigen Zeit beschritten wird, um der persönlichen Individualität und Freiheit näher zu kommen und wie aus zwanghafter Gruppendynamik eine eigene Persönlichkeit kreiert wird. Letztlich muss aber gesagt werden, dass die finale Prämisse des Films rein aus der Darstellung nicht klar wurde und erst durch entsprechende Recherchen aufgelöst werden konnte. Diese ist zwar gut gewählt und setzt das ganze Werk noch einmal in ein völlig neues Licht, dennoch wage ich zu behaupten, dass eine Produktion, die es nicht schafft die wesentliche Aussage in irgendeiner Form zu vermitteln, einiges falsch gemacht haben muss. Und dabei wäre es so einfach gewesen das Publikum auf den richtigen Pfad zu locken…

Blue My Mind

Blue My Mind ©2018 Meteor Film GmbH